Die Temu-Revolution: Ein kritischer Blick auf den chinesischen Marktplatz und die verborgenen Risiken

Die digitale Wirtschaft hat in den letzten Jahren zahlreiche Innovationen hervorgebracht. Mit dem rasanten Aufstieg des Online-Shoppings treten immer wieder neue Akteure auf den Markt, die den traditionellen Einzelhandel weiterhin herausfordern. Ein solcher Neuzugang ist Temu, eine chinesische Shopping-App, die insbesondere in den USA und neuerdings auch in Deutschland enorm populär geworden ist.

Die Temu-Revolution: Ein kritischer Blick auf den chinesischen Marktplatz und die verborgenen Risiken.
Die Temu-Revolution: Ein kritischer Blick auf den chinesischen Marktplatz und die verborgenen Risiken. ©Depositphotos

Innerhalb kürzester Zeit hat die App mit einer beeindruckenden Marketingkampagne – von Superbowl-Werbespots über Handyspiel-Werbung bis hin zu viralen TikTok-Videos – ein großes Publikum erreicht. Das Versprechen? Ein Paradies für Schnäppchenjäger. Doch hinter den niedrigen Preisen verbirgt sich eine Komplexität, die viele Konsumenten übersehen könnten.

Ähnlich wie der populäre Marktplatz Wish versteht sich Temu nicht als direkter Verkäufer, sondern eher als Mittler zwischen Herstellern und Konsumenten. Ohne eigene Lager oder Inventar ermöglicht die Plattform den direkten Versand vom Hersteller zum Käufer. Dieses Modell bietet den Vorteil geringerer Kosten, birgt aber auch zahlreiche Risiken und Unsicherheiten für den Käufer.

Bei Preisen, die weit unter den üblichen Marktpreisen liegen, sollte Skepsis aufkommen. Smartwatches für wenige Euros oder Gaming-Konsolen, die den Top-Modellen verdächtig ähnlich sehen, aber zu Bruchpreisen angeboten werden, deuten oft auf Plagiate oder minderwertige Produkte hin. Während einige Käufer genau wissen, worauf sie sich einlassen und bereit sind, das Risiko einzugehen, könnten andere durch die irreführende Werbung in die Falle gelockt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, obwohl Temu attraktive Angebote und niedrige Preise bietet, die Risiken nicht ignoriert werden sollten:

Vermittler-Position von Temu

Die Vermittler-Position von Temu im E-Commerce-Ökosystem stellt ein interessantes Geschäftsmodell dar, das sich von traditionellen Online-Einzelhändlern unterscheidet und verschiedene Herausforderungen für Konsumenten mit sich bringt. Wenn wir von Temu als einem Vermittler sprechen, meinen wir damit, dass die Plattform nicht direkt Waren verkauft oder lagert. Stattdessen verbindet Temu Käufer mit unabhängigen Verkäufern oder Herstellern, ähnlich wie Plattformen wie eBay oder Etsy. Durch dieses Modell bietet Temu eine beeindruckende Vielfalt an Produkten an, was auf die große Anzahl von Verkäufern und Herstellern zurückzuführen ist. Gleichzeitig führt der intensive Preiswettbewerb zwischen diesen Verkäufern oft zu wettbewerbsfähigen Preisen für die Käufer.

Neue und kleinere Marken oder Hersteller finden es auch einfacher, ihre Produkte auf einer etablierten Plattform wie Temu zu verkaufen, ohne großen Vorlauf oder Investitionen. Auf der anderen Seite hat Temu möglicherweise weniger direkte Kontrolle über die Qualität der auf ihrer Plattform verkauften Produkte, was zu einer inkonsistenten Produkterfahrung führen kann.

Darüber hinaus kann es für Käufer schwierig sein, transparente Informationen über den tatsächlichen Verkäufer oder Hersteller zu erhalten, was zu einem Gefühl der Unsicherheit beitragen kann.

Qualität und Sicherheit der Produkte

Mit dem rasantem Wachstum sind auch Fragen und Bedenken in Bezug auf die Qualität und Sicherheit der verkauften Produkte aufgetaucht. Viele Nutzer haben festgestellt, dass die Produkte, die sie erhalten, oft nicht mit den auf der Plattform gezeigten Bildern oder Beschreibungen übereinstimmen. Manchmal sind es kleine Abweichungen, wie Farbunterschiede, und manchmal sind es gravierende Unterschiede, bei denen das gelieferte Produkt fast nichts mit dem beworbenen Produkt gemein hat.

Dazu kommt, dass viele dieser Produkte nicht lange halten. Trotz der günstigen Preise erwarten die Verbraucher, dass die Produkte eine gewisse Lebensdauer und Zuverlässigkeit haben. Leider haben einige Käufer festgestellt, dass die Materialien, aus denen diese Produkte hergestellt werden, oft minderwertig sind. Insbesondere bei Kleidungsstücken gibt es Beschwerden über Materialien, die nach nur wenigen Wäschen verschleißen oder verblassen.

Noch beunruhigender sind jedoch die Fragen zur Sicherheit einiger dieser Produkte. Einige Kunden haben von einem stechenden chemischen Geruch berichtet, der von ihren Käufen ausgeht. Dies wirft Bedenken auf, besonders wenn es sich um Produkte handelt, die von Kindern benutzt werden oder mit denen Nahrungsmittel in Berührung kommen. Die Sicherheit von elektronischen Produkten ist ebenfalls ein großes Anliegen. Ohne ordnungsgemäße Tests und Standards könnten einige dieser Produkte ein Brandrisiko darstellen oder in extremen Fällen sogar einen elektrischen Schlag verursachen.

Ein weiteres Problem ist die unklare Herkunft vieler Produkte. Ohne klare Informationen über den Hersteller oder den Produktionsort haben die Kunden keine Möglichkeit zu wissen, unter welchen Bedingungen oder nach welchen Standards die Produkte hergestellt wurden.

Komplizierte und teure Rückgabeprozesse

Wie bei vielen Online-Händlern verspricht Temu den Verbrauchern, dass sie Produkte, die nicht den Erwartungen entsprechen, zurücksenden können. Die App gibt Käufern 90 Tage Zeit, um ihre Meinung zu ändern. Die erste Rücksendung ist kostenlos, was auf den ersten Blick als großer Vorteil erscheint. Doch bei genauerem Hinsehen gibt es hier einige Fallstricke.

Es stimmt zwar, dass die erste Rücksendung pro Bestellung nichts kostet, doch jede weitere Retoure innerhalb derselben Bestellung schlägt mit einer Gebühr von drei Euro zu Buche. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Ein Kunde, der zehn Artikel bestellt und sich entscheidet, zwei davon direkt nach Erhalt zurückzuschicken, kann dies ohne zusätzliche Kosten tun. Sollte er sich jedoch später dazu entscheiden, weitere Artikel aus derselben Bestellung zurückzuschicken, fallen Gebühren an.

Ein größeres Problem ist jedoch die Tatsache, dass viele Kunden berichten, dass ihre Retouren nicht ordnungsgemäß bearbeitet wurden. Es gibt Fälle, in denen Kunden über die Sendungsverfolgung nachweisen konnten, dass ihre Rücksendungen angekommen sind, doch Temu hat sie nicht als solche registriert.

Hinzu kommt, dass die Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice anscheinend recht problematisch ist. In Anbetracht dessen, dass das Unternehmen im Ausland ansässig ist, können deutsche Verbraucherrechte nicht ohne Weiteres durchgesetzt werden. Das erschwert die Situation für unzufriedene Kunden zusätzlich.

Datenschutzbedenken

Apps wie Temu sammeln beispielsweise nicht nur Daten, um personalisierte Werbung zu schalten. Sie könnten auch Daten verwenden, um das Nutzerverhalten zu analysieren, neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln oder sogar Verbrauchertrends vorherzusagen. Besonders alarmierend ist, dass Temus Datensammlung oft schon beginnt, bevor ein Nutzer überhaupt angemeldet ist.

Die bisherige Track-Record von Temus Muttergesellschaft PDD Holdings gibt ebenfalls Anlass zur Sorge. Pinduoduo, eine andere App des Unternehmens, hatte bereits Datenschutzprobleme und wurde beschuldigt, Malware zu enthalten. Solche Sicherheitslücken lassen Zweifel daran aufkommen, wie sicher die Daten der Nutzer auf Temu wirklich sind.

Noch besorgniserregender könnte die Datenweitergabe an Dritte sein. Viele Apps, möglicherweise auch Temu, geben Daten nicht nur intern weiter, sondern teilen sie mit Partnerunternehmen oder sogar Regierungsorganisationen, oft ohne das Wissen oder die Zustimmung der Nutzer. Dies wird noch komplizierter, wenn man bedenkt, dass das virale Affiliate-Marketing-Programm von Temu Nutzern ermöglicht, personalisierte Links zu teilen. Durch das Teilen dieser Links könnten Nutzer unbewusst auch Tracking-Daten weitergeben.

Da Temu aus China stammt und in einem anderen rechtlichen Rahmen operiert, könnten europäische Datenschutzstandards möglicherweise nicht berücksichtigt werden. Die DSGVO in der EU setzt strenge Standards für die Verarbeitung und Speicherung von personenbezogenen Daten, und es bleibt unklar, wie und ob Temu diese Standards einhält.

Hinzu kommt das „Cash-Partnerprogramm“ von Temu, ein Affiliate-Programm, das jedoch auch Datenschutzfragen aufwirft. Das Weitergeben eines Tracking-Links kann sowohl für den Sender als auch für den Empfänger zu datenschutzrechtlichen Problemen führen.

Haftung und Verantwortung

Die Frage der Haftung und Verantwortung in einem Vermittler-basierten E-Commerce-Ökosystem wie dem von Temu ist komplex und hängt oft von der jeweiligen Rechtsordnung und den Bedingungen des jeweiligen Dienstes ab.

In einem solchen Modell, in dem Temu lediglich als Plattform oder Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer fungiert, ist die direkte Haftung des Unternehmens für Produkte oder Dienstleistungen, die von Dritten verkauft werden, oft begrenzt. Das bedeutet in der Regel, dass Verkäufer in erster Linie für die Qualität ihrer Produkte, die Lieferung und eventuelle Rücksendungen oder Rückerstattungen verantwortlich sind.

Jedoch, wenn Temu beispielsweise wissentlich fehlerhafte Produkte oder gefälschte Waren auf seiner Plattform zulässt und nicht tätig wird, nachdem Kenntnis über solche Probleme erlangt wurde, könnte das Unternehmen in bestimmten Rechtsordnungen haftbar gemacht werden. Dies gilt insbesondere, wenn man argumentieren kann, dass die Plattform eine gewisse Sorgfaltspflicht gegenüber den Konsumenten hat.

Darüber hinaus könnten die Geschäftsbedingungen von Temu, die sowohl Verkäufer als auch Käufer akzeptieren müssen, Bestimmungen enthalten, die das Unternehmen vor bestimmten Haftungen schützen.

Zoll und Steuern

Während die direkte Versendung aus China für niedrigere Preise sorgt, sind die damit verbundenen Zoll- und Steuerfragen oft undurchsichtig. Viele Käufer werden von zusätzlichen Gebühren überrascht oder sind sich der Importregulierungen nicht bewusst.

Doch wie bei jedem internationalen Kauf kann es sein, dass beim Überqueren von Grenzen zusätzliche Gebühren anfallen. Diese Regelungen sind oft das Ergebnis von Bestrebungen, die heimische Industrie zu schützen und staatliche Einnahmen zu generieren.

Die genaue Berechnung dieser Gebühren kann von Land zu Land variieren und ist oft ein komplexes Geflecht aus Freibeträgen, unterschiedlichen Steuersätzen und variablen Zollbestimmungen. So kann es beispielsweise sein, dass elektronische Geräte aufgrund ihrer Kategorie einem ganz anderen Steuersatz unterliegen als modische Kleidungsstücke.

Ein häufiges Missverständnis, das zu unerwarteten Überraschungen führen kann, ist die Annahme, dass der Verkäufer oder die Plattform für diese Gebühren aufkommt. Tatsächlich ist in den meisten Fällen der Käufer, also der Empfänger der Ware, für die Begleichung von Zoll und Steuern verantwortlich. Bei der Zustellung kann es passieren, dass der Zustelldienst die Ware zurückhält, bis die anfallenden Gebühren beglichen sind.

Für diejenigen, die versuchen, sich auf mögliche Kosten vorzubereiten, gibt es zwar einige Online-Zollrechner, aber diese bieten oft nur grobe Schätzungen. Letztlich hängt der genaue Betrag von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Bestimmungen des Empfängerlandes.

Die Shopping-App Temu repräsentiert die nächste Welle digitaler Marktplätze und zeigt sowohl das Potential als auch die Risiken des grenzüberschreitenden E-Commerce auf. Konsumenten sollten stets wachsam sein und die verborgenen Kosten und Risiken, die mit solchen Plattformen einhergehen, genau abwägen. Ein guter Deal kann schnell zu versteckten Kosten, Enttäuschungen oder sogar rechtlichen Problemen führen.

Frank