Kartellrecht: Verpflichtungsangebote von Mastercard und Visa zur Senkung der interregionalen Interbankenentgelte

Die Europäische Kommission hat die Verpflichtungsangebote von Mastercard und Visa nach den EU-Kartellvorschriften für rechtlich bindend erklärt. Die Unternehmen werden ihre multilateralen Interbankenentgelte für Zahlungen, die im EWR mit außerhalb des EWR ausgegebenen Verbraucherkarten getätigt werden, erheblich senken (durchschnittlich um rund 40 %).

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Mastercard und Visa haben zugesagt, die Interbankenentgelte für Zahlungen, die in Europa mit in anderen Ländern ausgegebenen Karten getätigt werden, erheblich zu senken. Durch die nun für Visa und Mastercard für bindend erklärten Verpflichtungen werden die Kosten verringert, die Einzelhändler zu tragen haben, wenn sie Zahlungen mit außerhalb des EWR ausgegebenen Karten akzeptieren. Zusammen mit unserem Beschluss vom Januar 2019 über die grenzüberschreitenden Kartenzahlungsdienste von Mastercard wird dies zu niedrigeren Preisen für die europäischen Einzelhändler führen, was letztlich allen Verbrauchern zugutekommt.“

Wenn ein Verbraucher in einem Geschäft oder online eine Debit- oder Kreditkarte verwendet, zahlt die Bank des Händlers (der „Acquirer“, der die Zahlung abrechnet) der Bank des Karteninhabers (dem „Issuer“, der die Karte ausgegeben hat) ein „multilaterales Interbankenentgelt“ (multilateral interchange fee, „MIF“). Die abrechnende Bank wälzt dieses Entgelt auf den Einzelhändler ab, der es wie andere Kosten auch in den Endpreis einbezieht, den alle Verbraucher – auch die, die keine Karten verwenden – zahlen müssen.

Interregionale Interbankenentgelte (interregionale MIF) werden bei Zahlungen erhoben, die Verbraucher im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit außerhalb des EWR ausgegebenen Debit- oder Kreditkarten tätigen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein amerikanischer Tourist in einem Restaurant in Belgien mit einer Karte von Mastercard oder Visa bezahlt.

Mastercard und Visa legen die Höhe der MIF (einschließlich der interregionalen MIF) für ihre Lizenzbanken intern fest. Wenn zwischen den Banken keine bilateralen Vereinbarungen bestehen, werden automatisch die von Mastercard bzw. Visa festgelegten MIF in Rechnung gestellt. Einzelhändler und Verbraucher haben keine Möglichkeit, die Höhe der MIF zu beeinflussen.

Sowohl Mastercard als auch Visa haben nun zugesagt, ihre jeweiligen interregionalen MIF zu senken. Durch diese Verpflichtungen, die zu einer Senkung der interregionalen MIF um durchschnittlich 40 % führen werden, werden die Kosten verringert, die Einzelhändler im EWR zu tragen haben, wenn sie Zahlungen mit außerhalb des EWR ausgegebenen Karten akzeptieren. Dies dürfte zu niedrigeren Preisen führen, was allen europäischen Verbrauchern zugutekommen wird.

Die Kommission ist die erste Wettbewerbsbehörde der Welt, die im Bereich der interregionalen MIF tätig wird.

Die Bedenken der Kommission

Die Kommission hat ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der interregionalen MIF in einer an Mastercard gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 9. Juli 2015 und einer an Visa gerichteten ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 3. August 2017 dargelegt.

Die Kommission hatte insbesondere Bedenken, dass die interregionalen MIF zu wettbewerbswidrigen höheren Preisen für die europäischen Einzelhändler, die Zahlungen mit außerhalb des EWR ausgegebenen Karten akzeptieren, führen und dadurch für die Verbraucher im EWR höhere Preise für Waren und Dienstleistungen zur Folge haben könnten.

Die von der Kommission geäußerten Bedenken hinsichtlich der Höhe der MIF beziehen sich auf diesen konkreten Fall und interregionale Interbankenentgelte.

Die Verpflichtungszusagen

Mastercard und Visa haben getrennt voneinander Verpflichtungen angeboten, durch die die interregionalen MIF um durchschnittlich 40 % gesenkt werden sollen. So haben Mastercard und Visa Folgendes zugesagt:

  1. Senkung der derzeitigen interregionalen Interbankenentgelte innerhalb von sechs Monaten
    • bei Zahlungen des Karteninhabers in einem Geschäft („Card-present-Transaktionen“) auf höchstens:
      • 0,2 % des Transaktionswerts für Debitkarten und
      • 0,3 % des Transaktionswerts für Kreditkarten;
    • bei Online-Zahlungen („Card-not-present-Transaktionen“) auf höchstens:
      • 1,15 % des Transaktionswerts für Debitkarten und
      • 1,50 % des Transaktionswerts für Kreditkarten;
  1. keine Umgehung dieser Obergrenzen durch Maßnahmen‚ die den gleichen Zweck oder die gleiche Wirkung haben wie interregionale Interbankenentgelte;
  2. gut sichtbare Veröffentlichung aller interregionalen Interbankenentgelte, die unter die Verpflichtungen fallen, auf den Websites der beiden Unternehmen.

Die Verpflichtungen, die für fünf Jahre und sechs Monate gelten werden, decken interregionale Interbankenentgelte ab, die auf Zahlungen mit Kredit- und Debitkarten der Marken Mastercard, Maestro, Visa, Visa Electron und V-PAY erhoben werden. Die Umsetzung der Verpflichtungen wird von einem von der Kommission ernannten Treuhänder überwacht.

Im Dezember 2018 befragte die Kommission Marktteilnehmer, ob sie die vorgeschlagenen Verpflichtungen für geeignet hielten. Angesichts der Ergebnisse der Untersuchung der Kommission und des Markttests ist die Kommission davon überzeugt, dass ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die von Mastercard und Visa angebotenen Verpflichtungen ausgeräumt werden.

Die Kommission kam insbesondere zu dem Schluss, dass durch die vorgeschlagenen Obergrenzen für die interregionalen MIF die Kosten, die Einzelhändlern bei interregionalen Zahlungen mit Verbraucherkarten entstehen, nicht über die Kosten hinausgehen, die bei anderen Zahlungsarten wie Bargeld (anstelle von Card-present-Transaktionen) und wie per Banküberweisung aufladbaren elektronischen Geldbörsen (anstelle von Card-not-present-Transaktionen) anfallen.

Daher hat die Kommission die Verpflichtungen für Mastercard und Visa für rechtlich bindend erklärt.

Hintergrund

Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des EWR-Abkommens sind wettbewerbswidrige Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder einschränken können, verboten.

Nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung (Verordnung 1/2003) kann die Kommission ein Kartellverfahren abschließen, indem sie die von Unternehmen angebotenen Verpflichtungen akzeptiert. Mit einem solchen Beschluss wird nicht festgestellt, ob die EU-Kartellvorschriften verletzt worden sind, sondern die Unternehmen werden rechtlich zur Einhaltung ihrer Zusagen verpflichtet.

Hält ein Unternehmen sich nicht an die Verpflichtungen, so kann die Kommission eine Geldbuße von bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften feststellen zu müssen. Einen Policy Brief zu Verpflichtungsbeschlüssen nach Artikel 9 finden Sie hier.

Ein Großteil der Kartenzahlungen im EWR wird mit im EWR ausgegebenen Karten getätigt. Die Interbankenentgelte für derartige Transaktionen innerhalb des EWR wurden in den vergangenen Jahren durch Kartellbeschlüsse der Kommission und Rechtsvorschriften der EU begrenzt:

  • Im Dezember 2007 stellte die Kommission per Entscheidung fest, dass MasterCard durch seine Interbankenentgelte für grenzüberschreitende Transaktionen im EWR (z. B. bei Kartenzahlungen belgischer Verbraucher in Geschäften in Frankreich) den Wettbewerb zwischen Banken einschränkte. Im September 2014 bestätigte der Gerichtshof die Feststellungen der Kommission.
  • Um dem Beschluss der Kommission nachzukommen, senkte Mastercard im Jahr 2009 die von seinen Mitgliedsbanken erhobenen Interbankenentgelte für grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb des EWR auf höchstens 0,2 % für Debitkarten bzw. 0,3 % für Kreditkarten (gewichtete Durchschnittswerte).
  • Im Dezember 2010 und Februar 2014 erklärte die Kommission die Verpflichtungsangebote von Visa Europe (frühere Vereinigung der Visa-Mitgliedsbanken in Europa) per Beschluss für rechtlich bindend; Visa Europe hatte zugesagt, die Interbankenentgelte für alle EWR-internen Debit- und Kreditkartentransaktionen auf diese Höhe (0,2 % bzw. 0,3 %) zu begrenzen.
  • Im April 2015 erließen das Europäische Parlament und der Rat die Interbankenentgelt-Verordnung, mit der zum Dezember 2015 Obergrenzen für die Interbankenentgelte für in Europa ausgegebene und verwendete Karten eingeführt wurden (höchstens 0,2 % bei Debitkarten bzw. 0,3 % bei Kreditkarten). Mit der Interbankenentgelt-Verordnung wurden gleiche Wettbewerbsbedingungen bei EWR-internen Kartenzahlungen geschaffen. Die in der Verordnung festgelegten Obergrenzen gelten jedoch nicht für interregionale Transaktionen, da die Verordnung auf außerhalb des EWR ausgegebene Karten nicht anwendbar ist.
  • Im Januar 2019 hat die Europäische Kommission eine Geldbuße in Höhe von 570 Mio. EUR gegen Mastercard verhängt, weil das Unternehmen die Möglichkeit von Händlern, bessere Konditionen von Banken aus anderen Ländern des Binnenmarkts zu nutzen, unter Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften beschränkt hat.

Weitere Informationen, einschließlich der vollständigen Fassung der Verpflichtungen, sind auf der Website der GD Wettbewerb im öffentlich zugänglichen Register unter den Nummern AT.39398 (Visa) und AT.40049 (Mastercard) verfügbar.

EU Kommission