Überprüfung einer Bestpreisklausel – Bundeskartellamt stellt Verfahren gegen Lieferando ein

Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren gegen die Yd. Yourdelivery GmbH, Berlin, der in Deutschland unter Lieferando firmierenden Vermittlungsplattform für Essensbestelllungen, aus Ermessensgründen bis auf Weiteres eingestellt. Anlass für das Verfahren war die Überprüfung einer Bestpreisklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Lieferando gegenüber Restaurants. Dieser zufolge müssen die auf Lieferando geforderten Preise den Preisen in den eigenen Vertriebskanälen der Restaurants entsprechen.

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Überprüfung einer Bestpreisklausel – Bundeskartellamt stellt Verfahren gegen Lieferando ein. ©Depositphotos

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Lieferando ist in Deutschland der Platzhirsch unter den Lieferdiensten, und es besteht der Verdacht, dass die Restaurants durch die Bestpreisklausel stark beeinträchtigt werden. Die Anreize, alternative Vermittlungsplattformen zu günstigeren Konditionen zu beauftragen, sind durch die Bestpreisklausel möglicherweise gehemmt. Unsere Untersagung einer ähnlichen Klausel bei der Hotelplattform Booking.com hatte der Bundesgerichtshof höchstrichterlich bestätigt. Die Marktverhältnisse bei Essenslieferungen sind aber derzeit andere als im Booking.com-Fall bei den Hotelbuchungsplattformen: Der Markt und die Geschäftsmodelle rund um Essensbestellungen sind im Moment stark in Bewegung. Die Restaurants nehmen nach unseren derzeitigen Ermittlungen neu auf den Markt tretende Alternativangebote zunehmend wahr und beauftragen teilweise auch parallel mehrere Lieferdienste. In Summe haben wir derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel ein durchgreifendes Hindernis für den Marktzutritt neuer Plattformen mit differenzierten Angeboten darstellt.“

Das Bundeskartellamt hat im Verfahren Ermittlungen bei Wettbewerbern und Gastronomie-Verbänden durchgeführt, um die Wirkung der Klausel angesichts der überragenden Marktstellung von Lieferando in Deutschland besser abschätzen zu können. Ein wesentliches Ergebnis ist, dass der Wettbewerb bei der Vermittlung von Essensbestellungen nicht nur vom Preis, sondern insbesondere auch von der Plattform- und Servicedifferenzierung bestimmt wird. Hier ist der Markt mit neuen Anbietern, die ihrerseits für Restaurants eine Alternative darstellen, derzeit durchaus dynamisch. Die weiteren Marktentwicklungen in Deutschland sind – auch nach der Pandemie, die das Verbraucherverhalten zugunsten der Lieferdienste geändert hatte – gegenwärtig schwer zu prognostizieren.

Mit der Verfahrenseinstellung aus Ermessensgründen ist keine Aussage über die kartellrechtliche Zulässigkeit der untersuchten Bestpreisklausel verbunden. Das Bundeskartellamt wird das Nachfrageverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wettbewerbsprozesse insbesondere nach dem Marktzutritt von Uber Eats und Wolt weiter beobachten. Sollten es die Marktentwicklungen nahelegen oder es vermehrt zu substantiierten Beschwerden kommen, kann das Bundeskartellamt die Wettbewerbsbedingungen und die vertraglichen Regelungen zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit erneut überprüfen.

Weiterhin hat das Bundeskartellamt die Erstellung von Restaurant-Websites durch Lieferando kritisch gesehen, soweit Verbraucherinnen und Verbraucher hierdurch ungewollt Vermittlungsleistungen von Lieferando in Anspruch nehmen (sog. „Schatten-Websites“). Die Prüfung hat allerdings keine durchgreifenden Belege für die in Kombination von Bestpreisklausel und „Schatten-Websites“ befürchtete Sogwirkung zugunsten des Marktführers ergeben. Hiermit ist keine Aussage zu einer verbraucherschutzrechtlichen Relevanz der Klausel verbunden. Das Bundeskartellamt weist schließlich darauf hin, dass die Restaurants die Möglichkeit haben, auf die Erstellung von Websites durch Lieferando zu verzichten bzw. dieser zu widersprechen.

Hintergrund

Bestpreisklauseln sind für Verbraucherinnen und Verbraucher häufig nur scheinbar vorteilhaft. Indem sie günstigere Preise auf alternativen Vertriebswegen verhindern, können sie sich je nach den Wettbewerbsbedingungen auf den betroffenen Märkten negativ auf den Wettbewerb zwischen konkurrierenden Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten auswirken und den Marktzutritt neuer Plattformanbieter erschweren. Sie unterliegen insbesondere auf konzentrierten Märkten daher einer besonderen kartellrechtlichen Aufmerksamkeit.

So hatte das Bundeskartellamt in den Jahren 2013-2015 Bestpreisklauseln in den Bereichen E-Commerce und bei Hotelbuchungsportalen aufgegriffen und untersagt. In verschiedenen Verfahren haben Gerichte – das OLG Düsseldorf im Fall HRS und der Bundesgerichtshof im Fall Booking.com – die Untersagungen der Klauseln durch das Bundeskartellamt bestätigt.

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