Die Livestreams von Apple bis Prada zeigen dass Inhalte in China sehr wichtig sind
Der Tech-Gigant Apple verstärkte seine Kampagne in China während eines großen chinesischen Einkaufsfestes in diesem Monat, indem er einen Livestream veranstaltete und seltene Rabatte auf sein iPhone 14 Pro und seine Apple Watch Series 8 anbot.
Apple-Produktexperten gaben während des Livestreams, der zum ersten Mal auf einer E-Commerce-Plattform stattfand, Tipps zum Drehen von Filmen oder zur Verwendung der Apple Watch als Trainingshilfe. Die Übertragung erhielt innerhalb einer Stunde 300.000 Likes und 1,3 Millionen Zuschauer.
Für eine Reihe von Einzelhändlern waren die Inhalte der Schlüssel zu diesem Shopping-Festival zur Jahresmitte, das als 6.18 bekannt ist. Marken wie das italienische Luxusmodehaus Prada und das französische Modehaus Balenciaga gaben sich ebenfalls die Klinke in die Hand, um die Kunden anzulocken, während China seine Flaute nach dem COVID überwunden hat. Der argentinische Fußball-Superstar Lionel Messi hatte sogar einen Gastauftritt und sorgte dafür, dass sich die Fans um sein T-Shirt und seine Turnschuhe reißen konnten.
Der 6.18. ist Chinas zweitgrößtes Einkaufsfest nach dem Single’s Day im November und das erste große Einzelhandelsereignis des Landes nach der Pandemie. Analysten haben die Teilnahme genau verfolgt, um Anzeichen dafür zu finden, dass der Konsum in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wieder anzieht.
Für Chinas größte E-Commerce-Plattform, die Taobao- und Tmall-Gruppe von Alibaba, war der 6.18. auch ein früher Test ihrer offensiven neuen Strategie, mit der sie Nutzer mit „historischen“ Investitionen anlocken will, um ihre Führung auf dem größten E-Commerce-Markt der Welt zu verteidigen.
In einem dreifachen Angriff versprach das Unternehmen, einen Strom von Inhalten freizusetzen, Händler und Influencer zu unterstützen und das Potenzial der künstlichen Intelligenz zu nutzen, um den E-Commerce effizienter und unterhaltsamer zu machen. Die Steigerung des Bruttowarenwerts (GMV) und die Monetarisierung waren weniger ein Anliegen als die Stärkung des Ökosystems im Vorfeld des wirtschaftlichen Aufschwungs.
Innerhalb Chinas beginnen die Rabatte der E-Commerce-Anbieter bereits, die Verbrauchernachfrage anzukurbeln, so Branchenanalysten, während die Unterstützungsmaßnahmen für Händler das Angebot an Produkten erweitern. Alibaba hat am 26. Mai mit dem Vorverkauf von 6.18 begonnen, wobei ein Einkaufsfenster zwischen dem 31. Mai und dem 3. Juni und ein weiteres zwischen dem 15. und 20. Juni geöffnet ist.
Angesichts ihrer Größe wird der Vorstoß von Taobao und Tmall wahrscheinlich zu radikalen Veränderungen auf dem chinesischen Einzelhandelsmarkt und darüber hinaus führen. Innovationen im Einzelhandel in China sind seit langem eine Inspirationsquelle für Marken und Händler auf der ganzen Welt, die ihr Marketing und ihren Betrieb modernisieren wollen. Der Online-Umsatz hat in China etwa ein Viertel des gesamten Einzelhandelsumsatzes erreicht und liegt damit weit höher als anderswo.
Bislang zeigt die Kampagne Wirkung. Als sich der 6.18 dem Ende zuneigte, meldeten Taobao und Tmall, dass eine Rekordzahl von Händlern an dem Festival teilgenommen hatte, während das GMV der Händler im Allgemeinen um das Zwei- bis Dreifache gegenüber dem Vorjahr anstieg.
Das gesamte GMV für den 6.18 stieg um 14,8 % auf 798,7 Mrd. RMB (111,35 Mrd. $), so der Drittdatenanbieter Syntun und der Broker CMB International.
Erstellen von Inhalten für den 6.18
Während sich die Glitzerwelt am 18. Juni in Mailand um einen Platz in der ersten Reihe auf dem Laufsteg von Prada drängte, verfolgten Chinas Luxusliebhaber die Show bequem von zu Hause aus. Das italienische Modehaus übertrug seine Frühjahrs- und Sommermodenschau 2024 für Männer live auf Tmall, dem Business-to-Consumer-Ableger von Taobao.
6.18 machte deutlich, dass sich die Art und Weise, wie chinesische Verbraucher einkaufen, gewandelt hat: Immer mehr Menschen suchen in Livestreams und Videos nach einer unterhaltsamen Abwechslung.
„Über das Einkaufen hinaus wollen die Verbraucher auf Taobao ein breiteres Spektrum an vielfältigeren Inhalten finden, darunter einkaufsbezogenes enzyklopädisches Wissen, Lifestyle-Empfehlungen und sogar interaktive Unterhaltung“, sagte Trudy Dai, die Direktorin und CEO von Taobao und Tmall Anfang des Jahres.
Die Statistiken vom 6.18 zeigten aus verschiedenen Blickwinkeln, dass die Erstellung von Inhalten den Umsatz während des Festivals ankurbelte. Die Zahl der Influencer, die täglich Kurzvideos veröffentlichten, stieg im Vergleich zum Vorjahr um 200 %, während die durchschnittlichen täglichen Aufrufe auf dem Consumer-to-Consumer-Marktplatz Taobao im Vergleich zum Vorjahr um 113 % anstiegen.
Die Händler übernahmen mehr Kontrolle über ihre Markenstorys, denn 55 % mehr von ihnen veröffentlichten während des Festivals regelmäßig Videos als im letzten Jahr. Das französische Modehaus Balenciaga übertrug seinen 1,53 Millionen Fans auf der chinesischen Website per Livestream, wie Models auf der Straße vor seinem Haus in Paris spazieren gingen.
Alibabas Luxus-Shopping-Plattform Tmall Luxury Pavilion berichtete, dass mehr als 40 Luxusgeschäfte gleichzeitig mit dem Livestreaming ihrer Verkäufe zu Beginn des 6.18. begannen, 80 % mehr als im letzten Jahr. Die Luxusplattform stellte außerdem fest, dass die per Livestream getätigten Schmuckverkäufe zehnmal höher waren als in den ersten vier Stunden des letztjährigen Festivals, während die Verkäufe von Wohnaccessoires sechsmal höher waren.
Generative KI
Wer wird zurückbleiben, wenn der Konsum zunimmt? Ein inhaltsgesteuertes Geschäftsmodell könnte angesichts der Produktionskosten und der verbrauchten Bandbreite kostspieliger sein als ein herkömmliches suchbasiertes E-Commerce-Modell. Für kleinere Händler und Inhaltsersteller könnten die Kosten unerschwinglich sein.
Genau hier könnte der zweite Hebel von Taobao und Tmall ansetzen. Die Plattform macht sich technologische Fortschritte aus dem gesamten Alibaba-Ökosystem zunutze, wie z. B. ihr großes Sprachmodell, das „Tongyi Qianwen“ oder „Wahrheit aus tausend Fragen“ genannt wird.
„KI-generierte Inhalte werden mit der Zeit erhebliche Auswirkungen auf unseren gesamten Sektor haben. Die Technologie dürfte die Effizienz der Inhaltserstellung und die Präzision der Inhaltsverbreitung erhöhen. So kann KI beispielsweise die Algorithmen verbessern, mit denen Werbe- und E-Commerce-Unternehmen ihre Kunden gezielt ansprechen“, so die Analysten von UBS in einem Bericht.
Einer Schätzung zufolge könnte KI auch die vier oder fünf Monate drastisch verkürzen, die Marken für die Markteinführung auf Taobao oder Tmall benötigen, an der mehr als 120 Personen beteiligt sind.
KI könnte diesen Zeitrahmen auf nur fünf Stunden verkürzen und die Zahl der Mitarbeiter, die den Antrag bearbeiten, auf zehn. Für Marken wäre ein kürzerer Weg zum Markt befreiend und würde es ihnen ermöglichen, ihre Strategie schneller umzusetzen.
Die potenziellen Anwendungen von KI zur Verbesserung der Verbrauchererfahrung auf der Plattform sind ebenfalls verblüffend. Jeden Tag gibt es 100 Millionen Verbraucheranfragen zu einem Produkt oder einer Dienstleistung auf der Alibaba-Plattform. KI könnte umfassendere, differenziertere und schnellere Antworten liefern.
Während die generative KI noch in den Kinderschuhen steckt, bieten Taobao und Tmall bereits andere Arten der Unterstützung an, wie z. B. einen stärkeren Zustrom von Besuchern zu den von kleinen und mittleren Unternehmen angebotenen Niedrigpreisprodukten. Das GMV von über 2,56 Millionen KMU übertraf das letztjährige Festival. Außerdem überstieg der GMV von 1,18 Millionen KMU den Wert von 10.000 RMB pro Stück.
Die überarbeitete Taobao-App zeigt die Prioritäten von Alibaba in diesem Jahr, ein prominentes Livestreaming-Portal und einen Bereich mit günstigen Preisen.
Im Jahr 2007 waren 4.400 Festangestellte bei dem Unternehmen tätig, bis 2018 stieg die Zahl der Mitarbeiter auf rund 66.500. Der Umsatz auf den von der Alibaba Group betriebenen chinesischen Einzelhandelsplattformen kumulierte sich 2017 auf über 768 Mrd. Euro.