Online-Verkauf nachgeahmter Louboutin-Pumps: Die die Funktionsweise von Amazon prägenden Besonderheiten stellen keine Urheberrechtsverletzung dar
Online-Verkauf nachgeahmter Louboutin-Pumps: Die die Funktionsweise von Amazon prägenden Besonderheiten lassen nach Auffassung von Generalanwalt Szpunar nicht den Schluss zu, dass ein Zeichen im Sinne des Unionsrechts benutzt werde.
Obwohl dieser im Internet agierende Vermittler eine Gesamtheit von Diensten anbiete, die von der Veröffentlichung von Verkaufsangeboten bis zum Versand der Waren reichten, könne er nicht unmittelbar für Verletzungen der Rechte von Markeninhabern durch Angebote Dritter auf seiner Plattform verantwortlich gemacht werden.
Die Amazon-Gruppe ist sowohl ein renommierter Händler als auch der Betreiber eines Marktplatzes. Insoweit veröffentlicht Amazon auf der Amazon-Online-Verkaufsplattform sowohl Anzeigen für eigene Waren, die Amazon im eigenen Namen verkauft und versendet, als auch Anzeigen von Drittanbietern. Letzteren bietet Amazon außerdem zusätzliche Dienstleistungen für die Lagerung und den Versand der auf der Amazon-Plattform online angebotenen Waren an, wobei Amazon die potenziellen Käufer darüber informiert, dass Amazon diese Tätigkeiten übernehmen werde.
Herr Louboutin ist ein französischer Schuhdesigner, dessen bekannteste Waren Damenpumps mit hohen Abätzen sind. Die rote Farbe der Außensohle, die den Ruf der Schuhe ausmacht, ist als Unionsmarke und als Benelux-Marke eingetragen.
Auf den Amazon-Websites erscheinen regelmäßig Werbeanzeigen für rotbesohlte Schuhe, von denen Herr Louboutin behauptet, dass sie sich auf Waren bezögen, deren Inverkehrbringen nicht mit seiner Zustimmung erfolgt sei. Mit in Luxemburg (C-148/21) und in Belgien (C-184/21) gegen Amazon eingereichten Klagen macht er geltend, diese Plattform habe ein mit der Marke, deren Inhaber er sei, identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit denjenigen identisch seien, für die die in Rede stehende Marke eingetragen sei. Er betont insbesondere, dass die streitigen Werbeanzeigen integraler Bestandteil der kommerziellen Kommunikation von Amazon seien.
Die beiden vorlegenden Gerichte werfen im Rahmen einer Analyse, die auf die hybride Natur der Funktionsweise von Amazon abstellt, unter anderem die Frage auf, ob der Betreiber einer derartigen Online-Verkaufsplattform unmittelbar dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn auf seiner Plattform die Rechte von Markeninhabern verletzt werden. Anders als die mittelbare Haftung ist diese Frage nach der unmittelbaren Haftung Gegenstand einer harmonisierten unionsrechtliche Regelung [1].
Mit seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 präzisiert Generalanwalt Maciej Szpunar den Begriff der „Benutzung“ der Marke durch einen im Internet tätigen Vermittler. Seiner Ansicht nach ist bei der Anwendung dieses Begriffs auf die Perspektive eines Nutzers der fraglichen Plattform abzustellen. Der Generalanwalt erinnert insofern daran, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Benutzungshandlung bei einem im Internet tätigen Vermittler „jedenfalls [voraussetzt], dass [dieser] das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt“ [2].
Die Voraussetzung der Zeichenbenutzung ist nach Auffassung des Generalanwalts erfüllt, wenn der Adressat dieser Kommunikation eine besondere Verbindung zwischen dem Vermittler und dem fraglichen Zeichen herstellt. Der Generalanwalt fügt hinzu, dass das Vorliegen der genannten Voraussetzung aus dem Blickwinkel des Nutzers der fraglichen Plattform zu prüfen sei, um zu beurteilen, ob aus dessen Sicht das fragliche Zeichen als in diese kommerzielle Kommunikation einbezogen erscheint.
Die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzers einer Online- Verkaufsplattform sei ein notwendiger Aspekt, wenn es darum gehe, zu ermitteln, ob ein Zeichen in der kommerziellen Kommunikation des Betreibers dieser Plattform benutzt werde.
Was die Relevanz der Funktionsweise von Amazon für die Bejahung einer Markenbenutzung im Sinne des Unionsrechts betrifft, so erinnert der Generalanwalt im Übrigen daran, dass nur die Konstellation der unmittelbaren Haftung des Betreibers einer Online-Verkaufsplattform in Rede stehe, soweit dieser ein mit einer Marke identisches Zeichen benutzt haben solle. Außerdem weist der Generalanwalt darauf hin, dass die Angebote von Drittanbietern und die Angebote von Amazon zwar einheitlich gestaltet seien und dass sie alle das Logo von Amazon aufwiesen, doch werde in den Anzeigen immer angegeben, ob die Waren von Drittanbietern oder direkt von Amazon verkauft würden.
Der bloße Umstand, dass Anzeigen von Amazon und solche von Drittanbietern nebeneinander existierten, könne somit noch nicht dazu führen, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer die in den Anzeigen von Drittanbietern eingeblendeten Zeichen als Teil der kommerziellen Kommunikation von Amazon wahrnehmen könnte. Gleiches gelte für zusätzliche Dienstleistungen zur Unterstützung, zur Lagerung und zum Versand von Waren mit einem der Marke identischen Zeichen, bei denen Amazon auch aktiv an der Erstellung und der Veröffentlichung der Verkaufsangebote mitgewirkt habe.
Demnach ist der Generalanwalt der Auffassung, dass der Betreiber einer Online-Plattform wie Amazon kein Zeichen benutzt.
[1] Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).
[2] Urteile vom 23. März 2010, Google France und Google, C-236/08 bis C-238/08, Rn. 56, vom 12. Juli 2011, L’Oréal u.a., C-324/09, Rn. 102, vom 2. April 2020, Coty Germany, C-567/18, Rn. 39
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