Auf dem Weg aus der Corona-Krise: Deutsche und europäische Wirtschaft im Vergleich
Die andauernde Corona-Pandemie und die damit verbundenen Liefer- und Materialengpässe haben sich auf die deutsche Wirtschaft stärker ausgewirkt als auf die wirtschaftliche Entwicklung der meisten anderen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union (EU). Das preis-, saison- und kalenderbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Deutschland war im 4. Quartal 2021 noch 1,1 % niedriger als im 4. Quartal 2019, dem Quartal vor Beginn der Corona-Krise. Dagegen hatte die Wirtschaftsleistung in 20 anderen Mitgliedstaaten der EU zum Jahresende 2021 bereits ihr jeweiliges Vorkrisenniveau erreicht oder übertroffen, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine bilden die Daten nicht ab.
„Die vierte Corona-Welle hat die Erholung der deutschen Wirtschaft zum Jahresende vergleichsweise deutlich ausgebremst“, sagt Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, „das zeigt der Vorkrisenvergleich im europäischen Kontext vor allem bei den privaten Konsumausgaben und in der Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe, aber auch bei der Erwerbstätigkeit.“
Deutlicher als in Deutschland (-1,1 %) blieb das BIP lediglich in Spanien (-4,0 %), Tschechien (-1,9 %), Portugal (-1,4 %) und der Slowakei (-1,2 %) hinter dem jeweiligen Vorkrisenniveau zurück. Die EU-Länder mit dem stärksten Wirtschaftswachstum im Vorkrisenvergleich innerhalb der EU waren laut dem europäischen Statistikamt Eurostat Irland (+15,3 %), Estland (+7,2 %) und Slowenien (+6,6 %). Die Vereinigten Staaten kamen mit einem Wirtschaftswachstum von 3,2 % im Vorkrisenvergleich deutlich besser durch die Corona-Pandemie als die EU (+0,6 %).
Auch die Zahl der Erwerbstätigen erreichte in Deutschland im 4. Quartal 2021 noch nicht wieder das Niveau vom 4. Quartal 2019. Zum Jahresende 2021 waren in Deutschland saison- und kalenderbereinigt 0,4 % weniger Personen erwerbstätig als vor der Corona-Pandemie. Dieser Rückgang ist vorwiegend auf Einbrüche bei den geringfügig Beschäftigten zurückzuführen, während die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter das Vorkrisenniveau bereits übertroffen hat. In der EU insgesamt legte die Zahl der Erwerbstätigen zu (+0,6 %). Merkliche Beschäftigungszuwächse gab es unter anderem in Irland (+5.4 %), den Niederlanden (+2,2 %) und Frankreich (+1,6 %). Anders als diese Volkswirtschaften war Deutschland allerdings auch aus einer Situation der Vollbeschäftigung in die Pandemie gestartet. Diese konnte noch nicht wieder erreicht werden.
Privater Konsum erholt sich in vielen Ländern nur langsam
Die preis-, saison- und kalenderbereinigten privaten Konsumausgaben haben sich bisher in vielen Ländern der EU noch nicht von den Einbrüchen im Zusammenhang mit den Corona-Schutzmaßnahmen der letzten beiden Jahre erholt. Stärker als in Deutschland (-3,8 %) blieben die privaten Konsumausgaben allerdings nur in Spanien (-7,9 %) hinter ihrem Vorkrisenniveau zurück. Während in einigen EU-Mitgliedstaaten im 4. Quartal 2021 bereits wieder mehr konsumiert wurde als vor Beginn der Pandemie (z.B. Litauen, +6,8 %), wurde das Vorkrisenniveau in anderen Volkswirtschaften gerade erst (z.B. Frankreich, +0,1 %) oder noch nicht wieder (z.B. Italien -3,3 %) erreicht.
Staatskonsum in Deutschland vergleichsweise stark gestiegen
Die staatlichen Konsumausgaben wurden während der Corona-Pandemie in fast allen Mitgliedstaaten der EU deutlich ausgeweitet. Dabei nahm der Staatskonsum in Deutschland (+6,3 %) im Vorkrisenvergleich stärker zu als in anderen großen Volkswirtschaften wie Spanien (+6,0 %), Frankreich (+4,1 %) und Italien (+2,6 %). Noch stärkere Anstiege der staatlichen Konsumausgaben gab es allerdings in kleineren EU-Ländern wie Irland (+17,2 %) oder Kroatien (+16,9 %).
Weniger Investitionen in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge in Deutschland
Bei den Bruttoanlageinvestitionen zeigt sich im internationalen Vergleich ein zweigeteiltes Bild. Während sich die Rückgänge der Bruttoanlageinvestitionen in Deutschland oder den Niederlanden vor allem auf merklich niedrigere Investitionen in Ausrüstungen – also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – zurückführen lassen, waren in einigen Mitgliedstaaten der EU wie zum Beispiel Italien und Rumänien deutlich höhere Bauinvestitionen Haupttreiber der Zuwächse bei den Bruttoanlageinvestitionen im Vorkrisenvergleich.
Internationaler Handel in fast allen EU-Ländern wieder über Vorkrisenniveau
Nachdem die Corona-Pandemie den internationalen Handel deutlich gedämpft hatte, wurde in der EU insgesamt sowie den meisten Mitgliedstaaten im 4. Quartal 2021 teilweise wieder deutlich mehr exportiert und importiert als vor Beginn der Corona-Krise. Dabei lag der Zuwachs im Vorkrisenvergleich in Deutschland bei den Exporten mit +2,3 % unter dem EU-Durchschnitt, bei den Importen mit +2,9 % darüber. Insbesondere Frankreich blieb bei Exporten (‑3,2 %) und Importen (-0,7 %) noch unter seinem Vorkrisenniveau.
Verarbeitendes Gewerbe erholt sich in den meisten großen EU-Ländern nur langsam
Die verschiedenen Wirtschaftsbereiche konnten sich europaweit bisher nur teilweise von den Folgen der anhaltenden Corona-Pandemie erholen. Das Verarbeitende Gewerbe hatte zum Jahresende 2021 vor allem in den großen Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Spanien die Einbußen der letzten zwei Jahre noch nicht vollständig aufgeholt. In einigen kleinen Ländern wie Irland (+35,8 %), Litauen (+17,1 %) oder Griechenland (+16,7 %) lag die preis-, saison- und kalenderbereinigte Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe im 4. Quartal 2021 hingegen deutlich über ihrem Niveau vom 4. Quartal 2019. In diesen Ländern war die Wirtschaftsleistung des Verarbeitenden Gewerbes im Verlauf der Corona-Krise aber auch kaum oder gar nicht zurückgegangen. Hintergrund ist der in diesen Ländern vergleichsweise kleinere Anteil der stark von den Liefer- und Materialengpässen betroffenen Automobilindustrie.
Länderspezifische Entwicklungen im Baugewerbe
Im Baugewerbe sind die länderspezifischen unterschiedlichen Entwicklungen noch deutlicher ausgeprägt. Während die Bruttowertschöpfung in diesem Bereich in Deutschland bei +2,7 % lag, erreichte sie in Ungarn (+19,5 %) und Italien (+19,1 %) zweistellige Zuwachsraten im Vorkrisenvergleich. In Spanien (-14,1 %) und Bulgarien (-13,0 %) hingegen blieb sie im 4. Quartal 2021 noch weit unter dem jeweiligen Vorkrisenniveau.
- Inflationsrate im September 2024 voraussichtlich +1,6 % - 30. September 2024
- Inflationsrate August 2024 sinkt auf voraussichtlich +1,9 % - 29. August 2024
- Inflationsrate im Juli 2024 steigt voraussichtlich auf +2,3 % - 31. Juli 2024