Erlösmodelle in den Medien: Wie wird künftig in der Medienbranche Geld verdient?
Die Medienbranche steht an einem Wendepunkt. Sicher ist momentan vor allem, dass die Art und Weise, wie Medienunternehmen Geld verdienen, im Jahr 2030 anders aussehen wird als heute. „Gemeinsam mit den technischen Möglichkeiten entwickelt sich die Medienbranche ständig weiter. Dabei entstehen nicht nur neue Kanäle und Formate, sondern auch neue Einnahmequellen und das hat Folgen für die Erlösmodelle der Medienunternehmen“, erklärt Klaus Böhm, Leiter des Bereichs Media & Entertainment bei Deloitte. „Was bisher gut funktioniert hat, tut das in ein paar Jahren vielleicht schon nicht mehr. Jetzt können Unternehmen die Weichen für zukunftsfähige Erlösmodelle stellen.“
Werbung zeigt sich beispielsweise schon länger als vergleichsweise krisenanfällig. Nicht zuletzt aufgrund der in vielen Branchen schwierigen wirtschaftlichen Lage während der Pandemie, haben schon heute viele Medienunternehmen mit volatilen Werbeeinnahmen zu kämpfen. Erfreulich ist dagegen, dass sich die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für Premium-Inhalte deutlich im Aufwind befindet. Mittlerweile zahlt jeder Haushalt in Deutschland im Durchschnitt für zwei Medienabos, in den USA sind es bereits vier. Hierzulande wird erwartet, dass sich der Wert bis Ende 2023 verdoppelt.
Das bringt die Zukunft sicher: Höhere Zahlungsbereitschaft und neue Technik
Vor diesem Hintergrund hat Deloitte untersucht, worauf sich Medienunternehmen, Werbetreibende, Plattform-Betreiber und alle weiteren Beteiligten der Wertschöpfungskette künftig einstellen müssen. Mit Hilfe einer Szenarioanalyse, die über den üblichen Planungshorizont von drei bis fünf Jahren hinausgeht, hat Deloitte vier extreme, aber realistische Szenarien entwickelt, die zeigen, wie die Medienwelt im Jahr 2030 aussehen könnte. Dafür wurden zahlreiche Experten-Interviews geführt sowie Natural Language Processing eingesetzt, um die relevanten sozialen, technologischen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren zu identifizieren, die das Marktgeschehen entscheidend beeinflussen.
Fünf Entwicklungen werden die Zukunft der Medienbranche allerdings in allen vier Szenarien beeinflussen. So werden 2030 Inhalte fast ausschließlich online konsumiert – und zwar von allen Altersgruppen. Es werden auch neue Endgerätetypen zur Medienwiedergabe auf den Markt kommen und diese werden sowohl zuhause als auch unterwegs intensiv genutzt werden. Zudem wird die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für qualitativ hochwertige Inhalte weiter steigen. Passend dazu werden neue Micropayment-Technologien das direkte Bezahlen von Filmen, News oder Musik sicherer und einfacher machen. In der Werbung wird man künftig die Effektivität dank neuer Adtech-Technologien mit extrem hoher Genauigkeit bestimmen können.
Bei der Erstellung der vier Szenarien standen zwei Leitfragen im Mittelpunkt, die die Medienbranche der Zukunft entscheidend prägen werden: Wer kontrolliert die Loyalitäten der Konsumenten – bewegt sich das Szenario eher in Richtung eines offenen Ökosystems, das auch für kleinere Player frei zugänglich ist und in dem die Konsumenten ein reichhaltiges Angebot vorfinden, aus dem sie nach individuellen Vorlieben wählen können? Oder ist der Zugang zum Markt und damit auch die Angebotsvielfalt durch Gatekeeper eingeschränkt? Bei der zweiten Leitfrage geht es darum, wo sich die Medienbranche auf der Achse zwischen einer globalen Marktdominanz mit einer starken Mainstreamkultur und lokal geprägter Individualität einordnet.
Szenario 1: Creators Heaven
Die Medienlandschaft ist hier ein fragmentiertes, offenes und innovatives Ökosystem mit einer Vielzahl lokaler Content-Provider. Content ist zahlreich, leicht konsumierbar und günstig. Abos sind einfach zu kündigen und Einzeltransaktionen gängig – dank direkter, blockchainbasierter Bezahlmethoden. Werbung ist nur relevant, wenn sie maximal zielgerichtet ist. Regulierung sichert den Wettbewerb und beschneidet die Marktmacht der großen digitalen Plattformanbieter. Gewinner in diesem Szenario sind die Content-Produzierenden und die Rechteinhaber, die durch ihren direkten Kontakt zu den Konsumenten zusätzliche Erlösquellen, wie E-Commerce und App-Käufe erschließen können.
Szenario 2: Guided Freedom
In diesem Szenario dominieren die großen Plattformbetreiber den Markt. Für die Konsumenten bieten ihre smarten Such- und Empfehlungsfunktionen einerseits Orientierung in der Content-Masse, prägen aber eben auch eine Art globale Mainstream-Medienkultur. Die großen Plattformen unterscheiden sich durch Sportübertragungsrechte und exklusive Inhalte, die teilweise aus Partnerschaften mit lokalen Medienunternehmen stammen. Neben Abomodellen, mit denen die Konsumenten Content als Paket bei den Plattformen kaufen, gibt es auch kostenlose Inhalte, die mit Daten „bezahlt“ werden. Daten sind für alle Marktteilnehmer frei verfügbar und ebnen gemeinsam mit weit verbreiteter AI-Technologie den Weg für zielgenaue Werbung. Abseits der großen Plattformen schaffen es kleinere, lokale Medienunternehmen, ihre Inhalte direkt und mithilfe von blockchainbasierter Technologie sowie Crowdfunding, zu monetarisieren.
Szenario 3: Global Hotel California
Die Rolle des Hotels aus dem berühmten Song spielen hier die großen Plattformbetreiber. In einer kaum reglementierten Medienlandschaft können sie ihr Potenzial voll ausspielen und sind der zentrale Aggregator für Inhalte jeglicher Art. Die wichtigsten Erlösquellen sind Abonnements und Werbung. Einzelkäufe von Konsumenten spielen kaum eine Rolle. Zusätzlich generieren die Plattformanbieter Umsätze im E-Commerce-Bereich. Lokale Medienunternehmen sind auf die Rolle von reinen Content-Produzenten reduziert. Für die Konsumenten bedeutet dieses Szenario einerseits ein großes Angebot an Inhalten, die allerdings größtenteils dem globalen Mainstream zuzurechnen sind und kaum Spielraum für lokale Besonderheiten und Vorlieben lassen.
Szenario 4: The Incuments strike back
Das Contentangebot in diesem Szenario ist begrenzt und uninspiriert, wodurch sich auch die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten in recht engen Grenzen hält. Starke Reglementierung sorgt dafür, dass lokale Champions gestärkt werden. Nationale, traditionelle Medien- und Telekommunikationsunternehmen sind die dominanten Content-Aggregatoren und bestimmen zu großen Teilen, welche Inhalte und Formate ausgespielt werden. Die wichtigste Erlösquelle sind Abonnements. Werbung spielt nur eine untergeordnete Rolle, weil die Marktteilnehmer kaum Anreize haben, Daten zu sammeln und so zielgerichtete Werbung zu schalten. Diese Medienlandschaft ist wenig innovativ. Auch der Premiumcontent der großen Plattformanbieter erreicht die Konsumenten, aufgrund der strikten Reglementierung, kaum.
In welchem Szenario sich die Medienbranche 2030 wiederfindet, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sich die Stakeholder jetzt positionieren. Dabei gilt es vor allem die folgenden fünf Faktoren im Blick zu behalten:
- Gesetzliche und regulatorische Vorgaben: Vor allem global agierende Medienunternehmen sollten die Entwicklungen hier aufmerksam verfolgen und frühzeitig reagieren.
- Partnerschaften: Egal ob es für große Anbieter darum geht, ihr Contentangebot zu vielfältig und attraktiv zu gestalten oder für kleinere Unternehmen darum, trotz begrenzter Ressourcen mit der technischen Entwicklung Schritt halten zu können, von strategischen Partnerschaften können alle Beteiligten profitieren.
- Bezahlsysteme: Die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten steigt. Nun ist es entscheidend ihnen bequeme und sichere Bezahlfunktionen anzubieten. Micorpayment und Blockchain-Techniken werden sich hier durchsetzen und neue Geschäftsmodelle ermöglichen.
- Neue Werbetechniken: Zielgruppengenaue Werbung wird immer wichtiger. Allerdings können gesetzliche Vorgaben die Möglichkeiten hier stark einschränken, deshalb kann es sich lohnen, die Entwicklung neuer Tracking-Techniken voranzutreiben.
- Verändertes Nutzerverhalten: Vorlieben können sich schnell ändern und die Konsumenten bewegen sich schon heute deutlich souveräner zwischen den Angeboten.
„Die Marktdynamik in der Medienbranche ist immens, doch die Unternehmen sind dem nicht hilflos ausgeliefert, sondern können durch strategische Planung aktiv auf das Szenario hinwirken, das für sie am attraktivsten ist“, rät Klaus Böhm. „Kurz gesagt: Medienunternehmen müssen Augen und Ohren offenhalten und schnell auf neue Entwicklungen und Vorlieben reagieren, sei es bei den Konsumenten, im technischen oder regulatorischen Bereich.“
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