Amazon im Fokus der FTC: Wettbewerbsrechtliche Untersuchungen enthüllen aggressive Marktstrategien

In einer bemerkenswerten Wendung in der digitalen Handelslandschaft haben jüngste rechtliche Entwicklungen schwerwiegende Vorwürfe gegen den Online-Riesen Amazon ans Licht gebracht. Die US-Handelsaufsicht Federal Trade Commission (FTC) und mehrere Bundesstaaten haben eine Klage eingereicht, die Amazon beschuldigt, seine Suchergebnisse mit Werbung zu überfrachten, um die Werbeeinnahmen zu steigern – auf Kosten der Sichtbarkeit qualitativ hochwertiger Produkte. Je mehr die Suchergebnisse mit Werbung überfrachtet werden, desto mehr müssen auch die Anbieter guter Produkte selbst Werbeplätze buchen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

Amazon im Fokus der FTC: Wettbewerbsrechtliche Untersuchungen enthüllen aggressive Marktstrategien
Amazon im Fokus der FTC: Wettbewerbsrechtliche Untersuchungen enthüllen aggressive Marktstrategien ©Amazon

Die Klage, die ursprünglich im September eingereicht wurde, enthüllt, dass Amazon-Manager sich der negativen Auswirkungen dieser Praxis auf die Verbraucher bewusst waren. Die Überflutung der Suchergebnisse mit Werbung machte es für Verbraucher nahezu unmöglich, organische Inhalte von hoher Qualität zu finden, die von den bezahlten Inhalten überschattet wurden. Dies steht im Gegensatz zu Amazons öffentlichen Beteuerungen, das Wohl der Kunden über das der Aktionäre zu stellen.

Die Klage enthüllt auch, dass Amazon einen geheimen Algorithmus namens „Project Nessie“ entwickelt hat, der darauf abzielte, die eigenen Preise zu erhöhen und die Konkurrenz zu zwingen, nachzuziehen. Dieses Vorgehen soll Amazon zwischen 2016 und 2018 über eine Milliarde Dollar zusätzlichen Gewinn eingebracht haben. Trotz der angeblichen Einstellung des Algorithmus nach 2019 bleibt die Sorge, dass Amazon diese oder ähnliche Taktiken in Zukunft wieder aufgreifen könnte.

Ein weiterer kritischer Punkt der Klage betrifft Amazons Seller Fulfilled Prime. Die FTC wirft Amazon vor, Verkäufern die Teilnahme am Prime-Programm aufzuzwingen. Ab dem 4. Oktober 2023 sollte eine neue “Selbstversand-Gebühr” für Verkäufer eingeführt werden, die sich dafür entscheiden, ihre eigenen Pakete zu versenden, anstatt den Fulfillment-Service von Amazon zu nutzen.

Die Klage beleuchtet auch die kurze Phase im Jahr 2015, in der Amazon das FBA-Programm für ausgewählte Händler lockerte, was zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck führte. Unabhängige Dienstleister konnten nun Verpackung und Zustellung für Händler übernehmen, was Amazons Wettbewerbsvorteil in den USA fundamental schwächte. Amazon reagierte darauf, indem es Neuanmeldungen für das alternative Programm „Seller Fulfilled Prime“ (SFP) im Jahr 2019 stoppte, was die FTC als weiteren Versuch wertet, den Wettbewerb zu beschränken.

Die rechtlichen Auseinandersetzungen um Amazon nehmen eine zusätzliche Dimension an, wenn man die Rolle von Walmart betrachtet, einem der größten Konkurrenten von Amazon im Einzelhandelssektor. Die FTC-Klage gegen Amazon beleuchtet nicht nur die internen Mechanismen von Amazons Preisstrategien und Marktplatzdynamiken, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die Wettbewerbspraktiken gegenüber anderen Einzelhandelsgiganten.

Walmart, das sich traditionell auf physische Geschäfte konzentrierte, hat in den letzten Jahren verstärkt in den E-Commerce investiert, um mit Amazon zu konkurrieren. Die FTC behauptet, dass Amazon auf diese Bedrohung reagiert hat, indem es seine Marktmacht nutzte, um Wettbewerber wie Walmart strategisch zu behindern. Ein Beispiel hierfür ist die Übernahme von Jet.com durch Walmart im Jahr 2016, die bei Amazon Besorgnis auslöste und zu aggressiven Gegenmaßnahmen führte.

Die Klage beschreibt, wie Amazon einen Algorithmus einsetzte, um sicherzustellen, dass seine Preise nicht als erste gesenkt wurden. Sollte ein Konkurrent wie Walmart oder Jet.com die Preise senken, würde Amazons Algorithmus diese Preissenkung exakt nachahmen, wodurch die Konkurrenten keinen zusätzlichen Umsatz durch niedrigere Preise generieren konnten. Diese Taktik, so die FTC, zielte darauf ab, die Konkurrenz zu zermürben und sie davon abzuhalten, ihre Preise zu senken, was letztlich zu höheren Preisen für die Verbraucher führen könnte.

Die Klage enthüllt auch, dass Amazon seine Verkäufer unter Druck setzte, ihre Preise auf Amazons Plattform nicht niedriger anzusetzen als auf anderen Plattformen, einschließlich Walmart. Dies zeigt, wie Amazon seine Marktplatzregeln nutzte, um die Wettbewerbsfähigkeit von Walmart zu untergraben und sicherzustellen, dass Amazon als bevorzugte Einkaufsplattform wahrgenommen wird.

Walmart selbst hat auf die E-Commerce-Herausforderung reagiert, indem es seine eigene Online-Präsenz ausgebaut und innovative Lösungen wie die Nutzung seiner zahlreichen physischen Standorte für die Online-Bestellabwicklung eingeführt hat. Die Tatsache, dass Walmart Jet.com schließlich im Jahr 2020 einstellte und in sein breiteres E-Commerce-Geschäft integrierte, könnte als Zeichen dafür gesehen werden, dass die von Amazon angewandten Taktiken einen Einfluss auf die Strategie von Walmart hatten.

Die Auseinandersetzung zwischen Amazon und Walmart ist bezeichnend für die intensiven Wettbewerbskämpfe im modernen Einzelhandel, wo Online- und Offline-Strategien zunehmend verschmelzen. Die Vorwürfe der FTC gegen Amazon werfen wichtige Fragen auf, wie weit Unternehmen gehen dürfen, um ihre Marktposition zu behaupten, und welche Auswirkungen dies auf die Verbraucher und den gesamten Einzelhandelsmarkt hat. Die laufenden rechtlichen Verfahren und die öffentliche Debatte werden zweifellos weiterhin die Praktiken von Amazon und anderen Marktteilnehmern unter die Lupe nehmen, während Regulierungsbehörden und Wettbewerber gleichermaßen nach Wegen suchen, ein faires und wettbewerbsorientiertes Marktumfeld zu gewährleisten.