Das Lieferkettenproblem – kein Ende in Sicht?

Das Lieferkettenproblem der weltweiten Wirtschaft hat die EU fest im Würgegriff, vor allem die hiesige Wirtschaft in Deutschland ächzt. Globale Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, internationale Handelskonflikte, Suezkanal-Blockade oder der Mangel an Halbleitern und anderen Rohstoffen haben dazu geführt, dass Unternehmen auf der ganzen Welt Schwierigkeiten haben, ihre Produktion aufrechtzuerhalten und Lieferfristen einzuhalten.

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Das Lieferkettenproblem – kein Ende in Sicht?. ©Depositphotos

Insbesondere die deutsche Automobilindustrie, die eine wichtige Rolle in der europäischen Wirtschaft spielt, ist von diesen Herausforderungen betroffen und stellt sich erneut auf ein schwieriges Geschäftsjahr 2023 ein. Der Mangel an Halbleitern, die für die Herstellung von elektronischen Komponenten in Fahrzeugen benötigt werden, hat dazu geführt, dass Autohersteller ihre Produktion drosseln oder gar einstellen mussten. Dies wiederum hat auch Auswirkungen auf die Zulieferindustrie, die ihrerseits andere Branchen beliefert.

Die Abhängigkeit von Halbleitern

Die Halbleiterbranche indes boomt, da die Digitalisierung in alle Bereiche des Lebens vordringt und der Bedarf an Mikroelektronik steigt. Laut einer Analyse von McKinsey & Company könnte die weltweite Halbleiterindustrie bis 2030 eine Billion-Dollar-Branche werden, wobei der Jahresumsatz um 6–8 % steigen könnte. Die Digitalisierung und Megatrends wie künstliche Intelligenz, Elektroautos und Homeoffice werden die Nachfrage nach Halbleitern ankurbeln. Drei Wachstumsbereiche sind Halbleiter für Autoindustrie, Computing und Datenspeicher sowie drahtlose Kommunikation, wobei insbesondere der Automobilsektor mit jährlich 13–15 % Wachstum erwartet wird.

Auch andere Branchen, wie die Baubranche, leiden unter dem Mangel an Baustoffen. Die steigende Nachfrage nach Holz und anderen Rohstoffen hat zu Preissteigerungen und Verzögerungen bei der Lieferung geführt.

Die Lieferkettenprobleme wirken sich zudem auf den Einzelhandel aus. Viele Geschäfte haben Schwierigkeiten, ihre Lagerbestände aufrechtzuerhalten, da einige Lieferungen sich verzögern oder ganz ausfallen. Dies hat zu Engpässen bei bestimmten Produkten und zu höheren Preisen geführt. Eine weitere Belastungsprobe für die Endverbraucher sind die kaum nachlassende Inflation und die getriebene “Greedflation” einiger Konzerne, die weitere Preissteigerungen einmal mehr stemmen müssen.

Der Lieblingsjoghurt gerade nicht im Regal erhältlich? Schwamm drüber, möchte man denken. Doch die Auswirkungen haben ein Maß erreicht, die gesundheitliche Probleme mit sich bringen können. Allen vorangestellt seien da die akuten Lieferengpässe in der Humanmedizin. Vor allem Kinderhustensäfte oder Antibiotika sind derzeit kaum zu bekommen. Mit weitreichenden Konsequenzen, auch für die Pharmabranche.

So kann eine unzuverlässige Lieferkette für die Hersteller negative Konsequenzen haben, wie signifikante Umsatzverluste oder aber geringere Marktchancen in der Zukunft. Daher ist es das Bestreben aller Hersteller, mögliche Lieferengpässe durch den Einsatz zuverlässiger Produktionsanlagen, präziser Bedarfsabschätzungen und sorgfältiger Vorratshaltung zu vermeiden.

So viel zum aktuellen, mehr oder weniger lösbaren Teil des Problems. Mit wachsender Sorge blicken die Europäer, nein die Welt, zudem auf die Entwicklung der spannungsgeladenen Beziehung zwischen der Volksrepublik China und Taiwan: Der schwelende Konflikt könnte sich in naher Zukunft zu einem neuen Kriegsherd entwickeln und die Amerikaner auf den Plan rufen. Dritte Weltkriegs-Horrorszenarien inklusive.

Schlimmer aber noch, die militärische Bedrohung Taiwans durch China stellt eine ökonomische Gefahr der Weltwirtschaft dar. Immerhin sind wir vor allem in Deutschland als Industrienation auf die Halbleiterproduktionsstätte der Welt, TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Co.), absolut angewiesen. Doch um wen genau handelt es sich bei diesem Unternehmen?

1987 auf dem Wissenschaftspark Hsinchu auf der Insel Taiwan ins Leben gerufen, ist TSMC mittlerweile zum Global Player avanciert. Capital.de stellt in einem Artikel aus 2021 fest, dass der Welt ohne TSMC eine weltweite Rezession ungeahnten Ausmaßes bevorstünde:

„Kein anderer Konzern fertigt Jahr für Jahr so viele Halbleiter wie TSMC, niemand sonst verfügt über das Know-how für die Produktion der fortgeschrittensten Chip-Generation, kein Wettbewerber schaffte in den letzten 20 Jahren kontinuierlich so hohe Wachstumsraten. Die Bauteile aus Taiwan stecken in Maschinen und Autos, Flugzeugen und Computern, Smartphones und medizinischen Geräten. Ein plötzlicher Ausfall der TSMC-Werke würde die Welt in die tiefste Rezession der Nachkriegszeit stürzen. Kein anderes Einzelunternehmen auf der Welt verfügt über eine ähnliche Bedeutung wie TSMC. Auf Taiwan sieht man den hochprofitablen Konzern sogar als geostrategischen ‚Lebensretter‘: Die verfeindete Volksrepublik China, die immer wieder mit der militärischen Eroberung der Insel droht, würde unter der Zerstörung der TSMC-Werke leiden wie kaum ein anderes Land und schreckt möglicherweise auch deshalb bisher vor einer Invasion zurück.“

Deutsche Regierung fördert Halbleiterbau

Und darf man Gerüchten aus Sachsen Glauben schenken, so steht die Bundesregierung um Olaf Scholz bereits in Verhandlungen, um ein TSMC-Werk in Deutschland aufzubauen und das Knowhow ins Land zu importieren. Beobachter indes meinen in diesem Zug Vorläufer einer Deglobalisierung zu erkennen. Ob das stimmt oder nicht, wird sich zeigen. Fakt ist allerdings, dass sich die Bundesregierung darum bemüht, Abhängigkeiten zu reduzieren. Sie hat angekündigt, den Ausbau der heimischen Produktion von Halbleitern und anderen Rohstoffen weiter zu fördern.

Am Dienstag, dem 2. Mai 2023 fand ein bedeutender Moment für die Halbleiterindustrie Deutschlands statt, als der erste Spatenstich für die neue Infineon-Chipfabrik in Dresden gesetzt wurde. Es war ein historischer Schritt, der von einer großen Anzahl an Menschen begleitet wurde. Unter den Gästen war nicht nur der deutsche Bundeskanzler, sondern auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aus Brüssel. Sie betonte, wie wichtig es sei, dass es mehr Projekte wie dieses in Europa gibt, um den rasant steigenden Bedarf an Mikrochips zu decken.

Außerdem plant die Bundesregierung, die Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Ausland zu reduzieren, indem sie die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern verstärkt.

Es bleibt jedoch abzuwarten, wie schnell sich die Lage verbessern wird. Die Lieferkettenprobleme sind ein komplexes Problem, das nicht so leicht zu lösen sein wird. Es erfordert die Zusammenarbeit von Unternehmen, Regierungen und internationalen Organisationen, um eine nachhaltige Lösung zu finden. Zumindest aber wird das Lieferkettengesetz dazu beitragen, Probleme zu minimieren, indem es Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Lieferketten künftig zu überwachen und sicherzustellen, dass sie den geltenden Standards entsprechen. Durch die Umsetzung des Lieferkettengesetzes können Unternehmen Risiken in ihren Lieferketten besser identifizieren und bewältigen, um die Stabilität und Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten zu verbessern.