Pflichtverteidiger: Wer hat Anspruch

Für Beschuldigte beziehungsweise Angeklagte muss unter bestimmten Voraussetzungen ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung handelt es sich bei diesem nicht um einen Anwalt für jene Menschen, die sich keinen eigenen Anwalt leisten können. Unabhängig von den Vermögens- und Einkommensverhältnissen richtet sich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach den jeweils vorherrschenden Lebensumständen sowie nach dem konkreten Tatvorwurf.

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Pflichtverteidiger: Wer hat Anspruch ©freepik.com

Der Anspruch auf einen Pflichtverteidiger

Liegen die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidiger vor, ist dieser spätestens zu bestellen, wenn die beschuldigte Person vom Gericht die Anklageschrift offiziell erhalten hat und das sogenannte Zwischenverfahren eingeleitet wird. Eine Beiordnung ist auch dann möglich, wenn das Ermittlungsverfahren durch die zuständige Staatsanwaltschaft eröffnet wurde. Hierfür ist es notwendig, dass ein Pflichtverteidiger von der Staatsanwaltschaft nach eigenem Ermessen beauftragt wird.

Nach § 140 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers vorgeschrieben, wenn zum Beispiel die Hauptverhandlung an einem Landgericht oder einem Oberlandesgericht stattfindet. Wird der angeklagten Person eine Straftat nach § 12 Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen oder besteht die Möglichkeit eines Berufsverbots, ist ebenfalls die Beauftragung eines Pflichtverteidigers vorgesehen.

Eine Beiordnung ist auch dann möglich, wenn der Beschuldigte mindestens drei Monate aufgrund einer richterlichen Anordnung in einer Anstalt untergebracht war oder wenn die Erstellung eines Gutachtens über die Psyche der Person eine Unterbringung aus Sicht des Gerichts erforderlich gemacht hat.

Abhängig von den individuellen Gegebenheiten beziehungsweise der jeweils zum Tragen kommenden Rechtslage können weitere Voraussetzungen den Anspruch auf einen Pflichtverteidiger rechtlich rechtfertigen.

Pflichtverteidigung zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips

Das Institut der Pflichtverteidigung berücksichtigt nicht die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der angeklagten Person. Im Mittelpunkt steht grundsätzlich die Wahrung des Rechtsstaatsprinzips sowie der Durchführung eines ordnungsgemäßen Strafverfahrens mittels einer wirksamen Verteidigung. Zudem soll jede beschuldigte Person einen fairer Prozess vor dem Staat erhalten, indem das Kräfteverhältnis zwischen beiden Parteien ausgeglichen gestaltet ist.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht können in der Praxis nicht immer diesem Prinzip in vollem Umfang folgen, da die Nähe zum Angeklagten in vielen Fällen fehlt.

Besonders komplexe Sach- und Rechtslagen

Nach § 140 Abs. 2 StPO muss ein Pflichtverteidiger einbestellt werden, wenn die Sach- und Rechtslage besonders komplex erscheint oder die Schwere der Tat eine Mitwirkung erforderlich macht. Es besteht in diesem Fall außerdem die Möglichkeit, beispielsweise einen Strafverteidiger aus Köln mit der Verteidigung zu beauftragen, wenn es auf Basis einer objektiven rechtlichen Bewertung ersichtlich ist, dass sich die beschuldige Person nicht selbst im vorliegenden Sachverhalt verteidigen kann.

Liegen beispielsweise Einschränkungen in der geistigen Leistungsfähigkeit oder Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes vor, muss Angeklagten ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden. Hierbei genügt es, wenn erhebliche Zweifel zur Selbstverteidigung vor Gericht vorliegen.

Die Schwere der Tat

Wenn die Schwere der Tat eine Freiheitsstrafe von einem Jahr vorsieht, muss dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die mögliche Strafe durch eine Bewährung ausgesetzt werden kann. Können für den Angeklagten schwerwiegende Nachteile im Rahmen der Verhandlung beziehungsweise durch eine Verurteilung entstehen, müssen diese Umstände berücksichtigt werden.

Schwierige Sach- und Rechtslagen

Bei einer schwierigen Sach- und Rechtslage müssen in der Regel viele Zeugen vernommen oder die Schuldfähigkeit einer beschuldigten Person geprüft werden. Grundsätzlich hat ausschließlich der Verteidiger das Recht auf Akteneinsicht, wodurch einem beigeordneten Pflichtverteidiger in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle für die Verhandlung vor Gericht zukommt.