Cross-Border-Handel in Europa: Chancen und Risiken

Der grenzüberschreitende Online-Handel wird in Europa immer wichtiger. Betrug der Umsatz im Cross-Border-Geschäft 2019 noch 108 Milliarden Euro, soll er Prognosen zufolge 2022 auf 220 Milliarden Euro anwachsen. Das entspricht einer Verdoppelung im Zeitraum von vier Jahren. Es liegt auf der Hand, dass ein derart enormes Wachstum viele Chancen mit sich bringt. Aber auch die Risiken des Cross-Border-Handels sollten nicht unterschätzt werden.

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Cross-Border-Handel in Europa: Chancen und Risiken. ©Depositphotos

Umsätze durch Cross-Border-Handel steigern

Der Cross-Border-Handel birgt ein enormes Umsatzpotential. Der europäische Binnenmarkt umfasst mehr als 440 Millionen Einwohner und ist damit fünfmal größer als die Bundesrepublik. Und die Hemmungen der Verbraucher, im Ausland zu bestellen, sinken immer weiter. Wer es schafft, Kunden im Ausland zu erreichen, kann seinen Umsatz also im besten Fall vervielfachen. Besonders gute Chancen haben Unternehmen, deren Produkte im Ausland ansonsten nicht erhältlich sind. Insbesondere in den Bereichen Mode, Unterhaltungselektronik und Gesundheit ist die Bereitschaft der Verbraucher hoch, im Ausland einzukaufen. Der Wert der meisten Bestellungen bewegt sich dabei im mittleren bis oberen Preissegment. 23 % aller Cross-Border-Bestellungen haben einen Warenwert zwischen 25 und 49 Euro, bei 7 % der Bestellungen liegt der Warenwert über 200 Euro.

Risiken durch zusätzliche Märkte besser verteilen

Unternehmen, die auf mehreren Märkten aktiv sind, können nicht nur ihren Umsatz erhöhen. Sie können auf diese Weise auch ihre Risiken besser verteilen. Nicht in allen Ländern der EU fällt der Rückgang der Kauflaune derzeit so drastisch aus wie in Deutschland. So fällt die Inflation in Frankreich und Spanien deutlich niedriger aus. Die Konsumenten sind dort nicht so verunsichert wie hierzulande und geben daher mehr Geld aus. Auch bei Produkten, bei denen die Nachfrage vom Wetter abhängig ist, lässt sich das Risiko so reduzieren. Ein verregneter Sommer in Deutschland wird dann beispielsweise von sonnigem Wetter in Frankreich oder Italien ausgeglichen.

Rechtliche Fallstricke vermeiden

Der Cross-Border-Handel ist aber auch mit zahlreichen rechtlichen Fallstricken verbunden. Insbesondere die steuerliche Lage ist kompliziert. Die großzügigen Lieferschwellen bei der Umsatzsteuer, die bis 2021 galten, sind entfallen. Seither müssen alle Händler, die EU-weit mehr als 10.000 Euro mit Cross-Border-Verkäufen einnehmen, die Mehrwertsteuer im Zielland abführen. Bei 27 EU-Mitgliedsländern sind unter anderem 27 unterschiedliche Steuersätze und Sonderregelungen zu berücksichtigen. Immerhin ist es möglich, die ausländische Umsatzsteuer bei den deutschen Finanzämtern anzumelden und zu bezahlen. Weitere Stolperfallen sind unterschiedliche Regelungen zum Gerichtsstand und zum Verbraucherschutz im Ausland. Auch die Regelungen für Retouren müssen sorgsam ausgearbeitet werden.

Konkurrenz aus dem Ausland wird schärfer

Das wachsende Cross-Border-Geschäft ist zudem ein zweischneidiges Schwert. Denn inländische Unternehmen sind auch immer stärker der Konkurrenz aus dem Ausland ausgesetzt. Die Betreiber deutscher Online Casinos haben damit schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Sie verlieren jedes Jahr Umsätze im dreistelligen Millionenbereich an Casinos ohne deutsche Lizenz. Deutsche Plattformen sind zu Wettlimits, künstlichen Wartezeiten und der Teilnahme an einem zentralen Melderegister verpflichtet. Außerdem können sie keine Jackpot-Spiele und keine Live-Spiele anbieten. Dadurch ergibt sich für europäische Anbieter ein erheblicher Wettbewerbsvorteil. Auch Unternehmen, die sich mit ihrem Angebot ausschließlich auf den deutschen Markt konzentrieren, müssen sich also mit dem Thema Cross-Border auseinandersetzen und entsprechende Strategien entwickeln.