Verhandlungstermin Amazon – Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung

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Juni272023
Ort: Bundesgerichtshof Karlsruhe, Saal E 101

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt erstmals über eine Beschwerde gegen eine Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB. Die am 19. Januar 2021 in Kraft getretene Regelung des § 19a GWB dient der Modernisierung und Stärkung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht und soll dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle insbesondere über diejenigen großen Digitalkonzerne ermöglichen, denen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Sie sieht ein zweistufiges Verfahren vor. Danach kann das Bundeskartellamt in einem ersten Schritt die überragende marktübergreifende Bedeutung feststellen (§ 19a Abs. 1 GWB) und dem betroffenen Unternehmen in einem zweiten Schritt bestimmte Verhaltensweisen untersagen (§ 19a Abs. 2 GWB).

Sachverhalt:

Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 5. Juli 2022 nach § 19a Abs. 1 GWB festgestellt, dass Amazon.com, Inc. einschließlich der mit ihr gemäß § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. Gegen diesen Beschluss haben Amazon.com, Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben. Für die Beschwerde ist der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in erster und letzter Instanz zuständig.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass Gegenstand dieser ersten Verhandlung (allein) die von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Hindernisse für die Anwendung von § 19a GWB sein werden, die sich aus höherrangigem Recht ergeben könnten. Das betrifft die Frage nach Notifizierungspflichten gemäß Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 sowie gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft („e-Commerce-Richtlinie“), die Frage der Unanwendbarkeit von § 19a Abs. 1 GWB wegen eines etwaigen unionsrechtlichen Vorrangs der Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 („Digital Markets Act“), und die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift erhobenen Bedenken.

Frank