29. März 2024

Der rechtssichere Handel mit Spielsachen! Kampf dem Flammen- und Erstickungstod?

„Viele Männer haben irgendein doofes Jungsspielzeug: Kettensägen, Aufsitzmäher, Eisenbahnen.“ Diese Worte (von Jan Weiler in Stern Nr. 30/2007) hatte wohl die EU-Kommission im Kopf, als sie den Richtlinienvorschlag KOM (2008) 9 ausgetüftelt hat. Die hierdurch vorgeschlagene Norm zur Sicherheit von Spielzeug wird in absehbarer Zeit in nationales Recht umgesetzt werden – und den E-Commerce wieder einige Nerven kosten. Darüber hinaus sollten Online-Händler, die mit magnetischem Spielzeug handeln, bereits jetzt die „Magnetspielzeug-Entscheidung“ beachten.

Die folgenden Themen zum Handel mit Spielsachen werden behandelt:

  • Magnetspielzeug 2008/329/EG
    • Hintergrund
    • Regelungsgehalt
    • Auswirkungen
  • Sicherheit von Spielzeug KOM (2008) 9
    • Regelungsgehalt
    • Besondere Anforderungen
    • Physikalische/mechanische Anforderungen
    • Endzündbarkeit
    • Chemische Eigenschaften
    • Elektrische Eigenschaften
    • Hygiene und Radioaktivität
    • Gefahrenhinweise
    • Ausnahmen
    • Auswirkungen

Magnetspielzeug 2008/329/EG

Die Norm mit dem griffigen Titel „Entscheidung der Kommission vom 21. April 2008 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten”, dafür zu sorgen, dass Magnetspielzeug, das in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt wird, einen Hinweis auf die von diesem Spielzeug ausgehende Gefahr für Gesundheit und Sicherheit trägt“ wirkt sich direkt auf den Handel – incl. E-Commerce – aus und ist (ganz EU-untypisch) angenehme sechs Artikel kurz.

Hintergrund

Der Hintergrund ist hier tatsächlich sehr ernst: Kinder, die kleine Magnete verschlucken, erleiden mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit einen mechanischen Darmverschluss, der dann nur auf chirurgischem Wege zu beheben ist. Mehrere solcher Fälle sind bereits aus Nordamerika und Europa dokumentiert.

Regelungsgehalt

Alle Spielwaren, die einen oder mehrere Magnete enthalten und bei denen die Möglichkeit besteht, den Magnet vom Spielzeug zu lösen und zu verschlucken, müssen daher mit einem deutlichen Warnhinweis gekennzeichnet werden. Als Text wird vorgeschlagen:

„Warnung! Dieses Spielzeug enthält Magnete oder magnetische Bestandteile. Magnete, die im menschlichen Körper  einander oder einen metallischen Gegenstand anziehen, können schwere oder tödliche Verletzungen verursachen.  Ziehen Sie sofort einen Arzt zu Rate, wenn Magnete verschluckt oder eingeatmet wurden.“

Auswirkungen

Für den E-Commerce empfiehlt es sich, diesen oder einen ähnlichen Hinweis in das Online-Angebot aufzunehmen, da ein Fehlen dieses Hinweises von einem „wohlwollenden“ Konkurrenten als Täuschung im Sinne des § 5 UWG gewertet und mit einer Abmahnung quittiert werden könnte.

Der Text der Entscheidung kann hier als pdf heruntergeladen werden.

 

Sicherheit von Spielzeug KOM (2008) 9

Der Verordnungsvorschlag 2008 (KOM) 9 der EU-Kommission ist wieder ein echtes Prachtgewächs aus dem europäischen Normendschungel. Die gute Nachricht: hier wird die Umsetzung in nationales Recht noch eine Weile dauern. Die Schlechte: es sind – wie so oft – enorme Auswirkungen auf den Handel absehbar. Es kann folglich nicht schaden, schon jetzt einen Blick auf die zukünftigen Regelungen zu werfen.

Der Verordnungsvorschlag kann hier als pdf heruntergeladen werden.

1. Regelungsgehalt

Die vorgeschlagene Verordnung soll die bisherige „Spielzeugrichtline“ 88/378/EWG ablösen.

Hierbei ist vorgesehen, dass Spielwaren in Zukunft

* das CE-Zeichen tragen,
* dementsprechend durch ein Konformitätsbewertungsverfahren entsprechend zertifiziert sein und
* die in den Anhängen des Vorschlages formulierten (äußerst umfangreichen) Kriterien zur Produktsicherheit erfüllen.

Gerade der letzte Punkt ist es, der Industrie und Handel wieder einiges Kopfzerbrechen bereiten dürfte: sind einige Kriterien noch durchaus sinnvoll, so  sind wiederum andere eher überflüssig oder zeugen vom schrägen Humor der EU-Kommission.

2. Besondere Anforderungen

Die zukünftigen Sicherheitsanforderungen an Spielzeug werden in den Anhängen II ff. des Verordnungsvorschlages erläutert.

2a. Physikalische/mechanische Anforderungen (Anhang II, Teil I)

Spielzeug (inkl. Verpackung und ggf. notwendigen Ständern/Befestigungen) muss generell folgende sicherheitsrelevanten Eigenschaften aufweisen:

* sicherer Stand bzw. sichere Befestigung, soweit notwendig;
* keine Verletzungsgefahr bei Bruch oder Verformung;
* keine Verletzungs- oder Einklemmgefahr durch Ecken, Kanten, Spitzen, Seilzüge, Kabel, bewegliche Teile etc.;
* keine Erstickungs-/Strangulationsgefahr (sowohl durch das Spielzeug selbst als auch durch Verpackung, Zubehör, Kabel etc.)
* bei Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten zusätzlich keine Verschluckungsgefahr;
* bei Wasserspielzeug: sichere Schwimmfähigkeit bzw. Haltemöglichkeit;
* bei begehbarem Spielzeug (z.B. „Hexenhäuschen“): ein leicht von innen zu öffnender Ausgang;
* bei „Spielzeug, das dem Kind Beweglichkeit verleiht“: eine angemessene Bremsvorrichtung, bei elektrischem Antrieb zusätzlich eine angemessene Geschwindigkeitsbegrenzung;
* bei Spielzeug, das Projektile verschießt: geringe Verletzungsgefahr durch die Projektile;
* bei Spielzeug, das Geräusche erzeugt: angemessene Lautstärke; sowie
* bei Spielzeug, das Wärme erzeugt bzw. aus dem Flüssigkeiten, Dämpfe oder Gase entweichen: keine Verletzungsgefahr hierdurch.

Spielzeug, das im Zusammenhang mit Lebensmitteln verkauft wird,

* muss in einer eigenen Verpackung geliefert werden, die aufgrund ihrer Größe nicht verschluckt werden kann und
* darf nicht so mit dem Lebensmittel verbunden sein, dass es erst nach dessen Verzehr zugänglich ist.

Dass durch diese Regelung zukünftig „Ü-Eier“ verboten sind, ist übrigens falsch.

2b. Entzündbarkeit (vgl. Anhang II, Teil II)

Spielzeug muss zukünftig schwer entflammbar bzw. so konstruiert sein, dass es nur langsam abbrennt. Spielzeug, das darüber hinaus bestimmte Chemikalien enthält (vgl. Richtlinie 67/548/EWG) noch weiteren Voraussetzungen bzgl. Brand- und Explosionsgefahr unterworfen. Hiervon ausgenommen sind übrigens die Knallkörper für Faschingspistolen.

A propos Fasching: schwierig ist hier die Frage, ob auch Faschingskostüme als Spielzeug gelten; hier ist tatsächlich ein gewisser Klärungsbedarf vorhanden. Sollten Kinderkostüme in Zukunft tatsächlich als Spielwaren bewertet werden. So müssten diese aus flammfesten Stoffen hergestellt werden.

2c. Chemische Eigenschaften (vgl. Anhang II, Teil III)

Von Spielwaren darf keine Gesundheitsgefahr ausgehen, d.h. es darf keine Exposition des spielenden Kindes zu gesundheitsgefährdenden Stoffen stattfinden. Spielzeuge, die potenziell gefährdende Stoffe enthalten (z.B. in Batterien), müssen entsprechend gekennzeichnet sein. Für bestimmte Fälle bestehen Ausnahmen, z.B. wenn keine geeigneten Alternativen zur Verfügung stehen.

Kosmetikspielzeug (z.B. Faschings- oder Puppenschminke) muss außerdem den Vorschriften der Richtlinie 76/678/EWG entsprechen.

Darüber hinaus sind 38 allergene Duftstoffen in Zukunft für die Verwendung bei Spielwaren verboten, 26 weitere werden markierungspflichtig.

Für eine Reihe von Metallen bestehen außerdem in Zukunft strikte Migrationsgrenzwerte (d.h. Höchstmengen für Spuren dieser Metalle, die nach außen freigesetzt und dann in den kindlichen Organismus gelangen können). Hierdurch dürften in Zukunft eine Reihe von Weichmachern und Klebstoffen bei der  Spielzeugproduktion ausscheiden.

2d. Elektrische Eigenschaften (vgl. Anhang II, Teil IV)

Die Versorgungsspannung elektrisch betriebener Spielzeuge darf in Zukunft höchsten 24V betragen, die Betriebsspannung an keiner vom Kind erreichbaren Stelle 24V überschreiten. Außerdem muss die Konstruktion dieser Spielwaren „fail safe“  ausgelegt sein, es darf also keine Brand- oder sonstige Gefahr durch Fehlfunktionen entstehen.

Auch durch Lichteffekte (Lampen, LED, Laser etc.) darf keine Gefahr, insbesondere für die Augen, ausgehen.

Ferner sollen elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder auf ein Minimum beschränkt werden. Benötigt das Spielzeug einen Trafo, so darf dieser nicht in das Spielzeug integriert sein.

2e. Hygiene und Radioaktivität

Spielzeug muss hygienisch unbedenklich sein, Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten muss ferner waschbar sein, ohne dass es hierbei sicherheitsrelevante Eigenschaften verliert.
Sollte das Spielzeug radioaktiv sein (!), muss es die Anforderungen aus Kapitel III des Gründungsvertrages der Europäischen Atomgemeinschaft erfüllen.

3. Gefahrenhinweise (vgl. Anhang V)

Spielzeug, das bestimmte Anforderungen an Alter, Gewicht, Fähigkeiten etc. des Kindes stellt, muss entsprechend gekennzeichnet sein.

Insbesondere sind folgende Hinweise vorgesehen:

* für Spielzeug, das nicht für Kinder unter 36 Monaten geeignet ist: z.B. „Achtung! Nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet“ bzw. ein entsprechendes Piktogramm;
* für Rutschbahnen, Schaukeln und ähnliche (an Gerüsten montierte) Spielgeräte: „Achtung! Nur für den Hausgebrauch“;
* für funktionelles Spielzeug, also Spielwaren, die wie ihre „großen“ Vorbilder funktionieren (Bohrmaschinen in Kindergröße etc.): „Achtung! Benutzung unter unmittelbarer Aufsicht von Erwachsenen“;
* für Spielzeug, das Chemikalien enthalt: die relevanten chemischen Gefahrsymbole sowie „Achtung! Nur für Kinder über […] Jahren geeignet“;
* für Schlittschuhe, Rollschuhe, Inline Skates, Skateboards, Roller und Spielzeugfahrräder (= nicht StVZO-konforme Fahrräder): „Achtung! Mit Schutzausrüstung zu benutzen. Nicht im Straßenverkehr zu verwenden“;
* für Wasserspielzeug: „Achtung! Nur im flachen Wasser unter Aufsicht von Erwachsenen verwenden“; sowie
* für Spielzeug in Lebensmitteln: „Beaufsichtigung durch Erwachsene empfohlen“.

Im E-Commerce sollten diese Angaben auch im Online-Angebot auftauchen, das das Fehlen solcher Hinweise von der Konkurrenz als Täuschung im Sinne des § 5 UWG gewertet werden und mit einer Abmahnung quittiert werden könnte.

4. Ausnahmen (vgl. Artikel 1 Abs. 2 bzw. Anhang I)

Die folgenden Gegenstände gelten übrigens nicht als Spielzeug und werden zukünftig nicht den Anforderungen des Verordnungsvorschlages unterworfen (Auszug):

* öffentlich zugängliche Spielplatzgeräte;
* Spielautomaten;
* R/C-Modelle mit Verbrennungsmotoren;
* Dampfmaschinen;
* Schleudern und Steinschleudern;
* Deko-Artikel;
* Produkte für Sammler, z.B. detail- und maßstabsgetreue Modelle,
* Nachbildungen von historischem Spielzeug (!) und Nachbildungen echter Schusswaffen;
* Sportgeräte für Kinder mit einem Körpergewicht über 20 kg;
* Puzzlespiele mit mehr als 500 Teilen;
* Luftgewehre;
* Bögen zum Bogenschießen, die länger als 120 cm sind;
* Dartpfeile; sowie
* Feuerwerk.

Hier zeichnen sich auch schon wieder die ersten Schlupflöcher ab: neben dem 501-teiligen Kinderpuzzle und dem 121 cm langen Flitzebogen ließe sich die zukünftige Verordnung überall da umgehen, wo für das angebotene Spielzeug ein „historisches Vorbild“ gefunden werden kann.

5. Auswirkungen

Wie die hier skizzierte Verordnung umgesetzt wird, und welche juristischen Auswirkungen im Detail entstehen, bleibt letztendlich abzuwarten; es sind jedoch bereits jetzt zwei Auswirkungen auf den E-Commerce absehbar.

Erstens wird der Import von Spielzeug aus Nicht-EU-Ländern wesentlich erschwert werden, da viele, insbesondere billige, Produkte die Konformitätskriterien nicht mehr erfüllen werden.
Zweitens wird die Umsetzung wieder die eine oder andere „Abmahn-Falle“ mit sich bringen – Konkurrenz und Verbraucherschutzverbände werden es sich wie üblich nicht nehmen lassen, die Angebote der Online-Händler nach nicht mehr zulässigen Spielwaren und fehlenden Warnhinweisen zu durchforsten.

Insgesamt ist allen, die im E-Commerce mit Spielwaren handeln, dringend anzuraten, die weitere Entwicklung dieses Verordnungsvorschlages im Auge zu behalten und rechtzeitig das eigene Angebot anzugleichen. Rechtzeitige juristische Beratung ist hierbei ebenfalls empfehlenswert.

 

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