Neues Potenzial für Unternehmen: Mit WhatsApp den Kunden erreichen

Bereits im Jahr 2014 wurden über WhatsApp mehr Nachrichten versendet als per SMS. Heute ist WhatsApp mit einer Milliarde aktiver Nutzer pro Tag für ein Siebtel der Erdbevölkerung die Messaging-Plattform der Wahl. Dennoch gab es bis vor Kurzem offiziell keine Möglichkeit für Unternehmen, über WhatsApp mit ihren Kunden zu kommunizieren. Das ändert sich mit der Ankündigung von WhatsApp Business und seinen neuen Enterprise-APIs. Ob Unternehmen den Dienst nutzen möchten oder nicht – WhatsApp ist dabei, den Weg in die verschiedenen Branchen zu finden. Doch was bedeutet das für die Kundenkommunikation?

Wie Unternehmen WhatsApp-APIs nutzen können

Hier zunächst ein Überblick über das neue Angebot von WhatsApp:

  • WhatsApp stellt verifizierte Konten für Unternehmen bereit.
  • Die neue WhatsApp Business-App unterstützt Unternehmen bei der Kommunikation mit ihren Kunden über die WhatsApp-Plattform.
  • Für größere Kunden wird eine API verfügbar sein, die das Versenden automatisierter A2P-Nachrichten (A2P = Application-to-Person) erlaubt.

Im Prinzip ermöglicht WhatsApp den Unternehmen, auf die gleiche Weise mit ihren Kunden zu kommunizieren, wie sie es derzeit per SMS oder anderen Kanälen tun. Das wirft eine grundlegende Frage auf: Warum sollte ein Unternehmen WhatsApp nutzen, wenn es seine Kunden auch per SMS ansprechen kann?

Hat WhatsApp das Zeug zum neuen WeChat?

Wenn man die Entwicklung von WeChat in China betrachtet, sollte man sich Chat-Plattformen im Gegensatz zu SMS vielleicht eher als eine Art Pförtner für die Online-Identitäten der Nutzer vorstellen. TenCent, der große chinesische Gaming- und Social-Media-Anbieter, brachte WeChat 2011 als simple Chat-App auf den Markt. Ein Jahr später konnten sich die Unternehmen bereits mit einem Firmenkonto anmelden, und heute gibt es ca. 10 Millionen solcher Konten. WeChat hat in dieser Zeit einen mobilen Bezahldienst, einen Mitfahrdienst, einen Business-Chat ähnlich wie bei Slack, einen Visitenkartenersatz mit QR-Code und vieles mehr eingeführt. Der Messenger hat sich zu einer Allzweck-App gewandelt, andere Apps sind bereits eingebaut und müssen nicht mehr separat installiert werden.

Neues Potenzial für Unternehmen: Mit WhatsApp den Kunden erreichen
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Was als Chat-App begann, ist mittlerweile die Brille, durch die 889 Millionen Chinesen das Internet sehen. Mit WeChat sind die Menschen nicht mehr an die Telefonnummer eines einzigen Endgeräts gebunden – stattdessen haben sie eine einheitliche, geräteübergreifende Online-Identität.

Die chinesische Wahrnehmung des Internets ist etwas anders als die anderer Länder. Für viele Menschen in China fand der erste Kontakt mit dem Internet über ein mobiles Endgerät statt. Auch das Vertrauen in den Online-Handel war hier sehr viel weniger ausgeprägt als außerhalb Chinas. Deshalb wurde WeChat für die Menschen in China zu einem zuverlässigen Wächter ihrer Online-Experience. Westliche Chat-Apps hätten diese Rolle vielleicht auch gern, doch ihre Ausgangssituation ist eine andere.

In jedem Fall zeigt uns WeChat, dass eine Chat-Applikation sehr viel mehr bieten kann als reines Messaging. Mit seiner riesigen Nutzerzahl verfügt WhatsApp durchaus über die Voraussetzungen, um zumindest teilweise so erfolgreich wie WeChat zu sein.

Messaging-Apps vs. SMS

Die Nutzung von Chat-Plattformen mit größerem Angebotsspektrum hat sowohl technische als auch soziale Vorteile. 2012 wurden weltweit 20 Milliarden Nachrichten pro Tag per SMS verschickt. Dann gab es immer mehr Smartphones, und die Textkommunikation verlagerte sich von der SMS auf Instant-Messaging-Plattformen. Neben WhatsApp und WeChat entstanden weitere, regional dominierende Plattformen, wie beispielsweise Line in Japan und Viber im Nahen Osten und Osteuropa.

Angesichts dieser Entwicklung kann die Allgegenwärtigkeit der SMS nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine Technologie von gestern ist. Trotz Behelfslösungen ist und bleibt die SMS auf 160 Zeichen beschränkt und unterstützt nur Text. Wie telekommunikationsgestützte Standards wie RCS und MMS abschneiden werden, bleibt noch abzuwarten. Und obwohl SMS-Nachrichten in erschwinglichen Pauschalpaketen angeboten werden, sind die Menschen darauf geeicht, dass die SMS eine knappe Ressource ist, bei der jede Mitteilung mit Kosten verbunden ist.

Aber um Gerechtigkeit walten zu lassen: Im Gegensatz zu Mobilfunknetzbetreibern sind Chat-Apps wie WhatsApp nicht gezwungen, mit Hunderten von Mitbewerbern auf der ganzen Welt einen neuen Standard zu vereinbaren. Dennoch sind SMS-Nachrichten nicht übermäßig beliebt; die Verbraucher sind in Scharen zu anderen, attraktiveren Alternativen übergelaufen.

Sicher: Die SMS hat den Vorteil, von jedem Mobiltelefon empfangen werden zu können. Aber sie ist nur noch eine von mehreren Optionen für Nutzer, die rasch eine kurze Mitteilung verschicken wollen. Dabei picken sie sich nicht einfach irgendeine heraus, sondern entscheiden sich für den Kanal, der die meisten Möglichkeiten bietet.

„Graceful Degradation“ im Kunden-Messaging

In der Webentwicklung gibt es das Konzept der „Graceful Degradation“. Damit ist gemeint, dass eine attraktive, vielfältige Online-Experience für moderne Browser entwickelt wird, gleichzeitig aber auch die Endgeräte berücksichtigt werden, die diese Experience nicht vollständig darstellen können. So werden einerseits JavaScript, Videos, Animationen usw. für Highend-Geräte und andererseits einfache HTML-Seiten verwendet, die sich mit Screenreadern und rein textbasierten Browsern lesen lassen.

Das gleiche Konzept lässt sich auf die Kundenkommunikation anwenden. Eine Plattform mit den vielfältigsten Funktionen bietet uns Möglichkeiten zur Kundenansprache, die es zuvor nicht gab. Und damit ist nicht nur das Versenden von Videos und Bildern gemeint.

Es gibt Fälle, in denen SMS-Nachrichten versagen – Lesebestätigungen zum Beispiel sind eher unzuverlässig, insbesondere, wenn eine Nachricht mehrere Netzwerke passieren muss. Ein weiteres Problem ist das offene Konzept der SMS, die es für den Handel oder persönliche Informationen ungeeignet machen.

WhatsApp dagegen kann seinen Unternehmenskunden verbindliche Lesebestätigungen zustellen, da die Nachrichten innerhalb derselben Plattform hin- und hergehen. So ist es auch einfacher, den Return of Investment zu messen. Dank End-to-End-Verschlüsselung und einem reduzierten Spoofing-Risiko bietet WhatsApp prinzipiell die Möglichkeit, sensiblere Informationen zu versenden, als dies per SMS möglich ist. Wenn man nach dem Beispiel von WeChat geht, könnte WhatsApp sogar die Abwicklung von Zahlungen und Einkäufen ermöglichen.

Durch die Anwendung des „Graceful Degradation“-Prinzips auf die Kundenkommunikation lassen sich alle Funktionen vielseitiger Plattformen nutzen und gleichzeitig die Kunden bedienen, von denen nur die SMS-Kontaktdaten vorhanden sind.

Hier ein Beispiel: Ein Modehändler startet einen Blitzverkauf. Er hat eine Liste von 10.000 Kunden, die bei Preisnachlässen für Turnschuhe benachrichtigt werden möchten.

Die Marketingabteilung des Händlers erstellt drei Versionen der Benachrichtigung:

  • Einfache Version (z.B. nur SMS): eine Klartextnachricht mit nur 160 Zeichen und einem Link zur Landingpage der Aktion.
  • Mittlere Version (z.B. MMS): ein Bild, zusätzlich ein etwas ausführlicherer Sales-Text mit Link zur Landingpage der Aktion.
  • Komplexe Version (z.B. Chat-App wie WhatsApp): ein Video des Hauptartikels sowie ein ausführlicher Sales-Text und die Möglichkeit, den Artikel auf der Chat-Oberfläche zu bestellen. Wenn der Empfänger die Nachricht liest, jedoch nicht innerhalb von 24 Stunden bestellt, versendet das Unternehmen über seinen Cloud-Kommunikationspartner automatisch eine Follow-up-Nachricht mit einem Zusatzrabatt von 10 %.

In der Liste der 10.000 Kunden ist auch die bevorzugte Messaging-Plattform der einzelnen Nutzer verzeichnet. Dank des Kommunikationssystems des Modehändlers lässt sich anhand der angegebenen Messaging-Plattform und ihrer technischen Möglichkeiten ermitteln, welche Version der Nachricht – die einfache, die mittlere oder die komplexe – versendet werden soll. Auf diese Weise erhält jeder Kunde die Hauptnachricht. Diejenigen aber, deren Chat-Plattform attraktivere Funktionen und ein höheres ROI-Potenzial bietet, bekommen die Nachricht mit weitreichenderen Inhalten.

Die Vorteile in sich geschlossener Messaging-Apps überwiegen

Natürlich haben in sich geschlossene Plattformen Nachteile. Eine erfolgreiche Messaging-App könnte die Unternehmen beispielsweise mit niedrigen Preisen anlocken und anschließend, wenn genügend Nutzer und Unternehmen in die Plattform investiert haben, ihre Gebühren massiv erhöhen.

Um dieses Risiko zu verringern, gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, dem Kunden mehrere Kommunikationswege anzubieten. Die zweite, einen Proxy-Dienst zu nutzen, statt sich bei jeder Messaging-Plattform direkt anzumelden. Mit einem Proxy-Dienst wie etwa einem Cloud-Kommunikationsanbieter können die Unternehmen problemlos zwischen verschiedenen Messaging-Plattformen hin- und herschalten und auf SMS-Nachrichten zurückgreifen, wenn es notwendig ist. Dadurch wird nicht nur die „Graceful Degradation“ sehr viel einfacher – das Unternehmen verteilt außerdem seine Investition auf mehrere Chat-Zielplattformen und ist nicht mehr den unfairen Preiserhöhungen einzelner Anbieter ausgeliefert.

Dennoch bieten in sich geschlossene Chat-Plattform erhebliche Vorteile: Auf der einen Seite können sie sich rasch weiterentwickeln. Auf der anderen Seite sind alle Komponenten der Plattform in der Regel eng miteinander verzahnt und authentifiziert.  Das sorgt für eine bessere Experience und ein zuverlässigeres Tracking. Der Hauptvorteil besteht im Fall von WhatsApp wahrscheinlich in der Kontoverifizierung, die die Zugehörigkeit einer Telefonnummer zu einem Unternehmenskonto bestätigt.

Mit seinen 10 Millionen offiziellen Unternehmenskonten war WeChat Vorreiter der Kontenverifizierung. Im Westen ist man beim Thema verifizierte Konten allerdings eher skeptisch, da man sie vor allem mit dem blauen Häkchen von Twitter assoziiert. Das blaue Häkchen hatte im Laufe der Zeit unterschiedliche Funktionen, so dass vielen seine Bedeutung nicht klar ist. Die verifizierten Business-Konten von WhatsApp haben aber eher denselben Zweck wie bei WeChat: In einer Welt von Spam und Phishing geben sie die Gewähr, dass das verifizierte Konto auch wirklich von dem Unternehmen betrieben wird, dessen Namen es trägt.

WhatsApp – ein enormes Potenzial

Zum jetzigen Zeitpunkt ist WhatsApp noch eine Messaging-App. Es hat aber das Potenzial zum breit gefächerten Ökosystem, das den Unternehmen alle Arten von Interaktion mit ihren Kunden ermöglicht. Schon jetzt wickelt eine große europäische Airline, die mehrere Flugverbindungen nach China unterhält, 16 Prozent seines Geschäfts über WeChat und Facebook Messenger ab – von Kundenservice-Anfragen bis hin zur Ausgabe der Bordkarte.

WhatsApp ist dabei, diese Art von Kundeninteraktion auch in Ländern außerhalb Chinas einzuführen. Natürlich wird es SMS, E-Mail und die guten alten Telefongespräche weiterhin geben – doch ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung, nämlich eine Milliarde Menschen, nutzt eine attraktivere Form der Sofortkommunikation. Und wer als Unternehmen WhatsApp nicht nutzt, muss damit rechnen, dass es seine Mitbewerber tun.

Part Awasthi von Nexmo, der Vonage API Platform
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Eine Analyse von Part Awasthi von Nexmo, der Vonage API Platform:

Parth Awasthi ist Director of Product Management bei Nexmo, der Vonage API Platform. Er hat mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Führung technischer Teams, die Kommunikations- und Produktivitätssoftware für die Cloud entwickeln. Zuvor war er bei Microsoft tätig, wo er wichtige Auslieferungsprojekte für Skype und Word verantwortete. Parth Awasthi absolvierte an der Indian School of Business einen Bachelor-Abschluss in Informations- und Kommunikationstechnologie und einen MBA-Abschluss in den beiden Fächern Finanzen sowie Strategie & Führung.

Frank