Der Mythos des kostenlosen Versands

Kunden möchten ihre Produkte zunehmend schnell und kostenlos geliefert bekommen. Mittlerweile ist dies häufig ein wichtiger Faktor ihrer Kaufentscheidung.

Wenn Sie ein Händler sind und die Kosten eines Versandprozesses mit dem Ansatz „Koste es was es wolle“ nicht tragen möchten, verpassen Sie möglicherweise einen lukrativen Teil des Markts. Laut Forrester wird der Online-Verkauf bis zum Jahr 2021 mit 378 Milliarden Euro 12 % des gesamten europäischen Einzelhandels ausmachen, mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland an der Spitze.

Das Trendforschungsunternehmen konstatiert in seiner Online-Einzelhandelsprognose 2016-2021, dass das Online-Umsatzwachstum der jeweiligen Region mit der Verbesserung der Kundenerfahrungen korreliert. Im Bericht heißt es: „Verbraucher in Europa werden sich häufiger über Produkte und Dienstleistungen im Internet informieren und diese auch dort kaufen. Dies liegt zum großen Teil an der flächendeckenden Vernetzung mit mehreren digitalen Geräten und Services, z.B. bequeme, kostengünstige Optionen, welche die Kundenerfahrung direkt verbessern.”

Hier diskutiert Ken Chrisman, Geschäftsbereichsleiter bei Sealed Air, einem weltweit führenden Anbieter von Verpackungstechnologien, die Auswirkungen des Angebots eines kostenlosen Versands für Unternehmen sowie die zusätzliche betriebliche Komplexität, die dies auf Logistikzentren und auf die Vorgänge hinter dem Verkaufsbereich haben kann.

Den Mythos entzaubern

Seien wir ehrlich: So etwas wie „kostenlosen Versand“ gibt es nicht.

Ja, sicher, wir wissen alle, wenn wir auf eine Webseite von einem beliebigen großen Händler gehen, können wir das, was wir wollen, direkt an die Haustür geliefert bekommen, ohne dass wir dafür mehr bezahlen müssen.

Dieser Service hat jedoch seinen Preis – und nicht nur einen finanziellen.

Die Erwartungen der Verbraucher sind heute höher denn je. Sie wollen ihre Produkte schnell und kostenlos geliefert bekommen. Und dabei wollen sie nicht auf den guten Service und die günstigen Preise verzichten, die sie gewohnt sind.

Kostenlosen Versand anzubieten zieht jedoch eine betriebliche Komplexität in Logistikzentren und bei den Vorgängen hinter dem Verkaufsbereich nach sich, was zu nicht erfolgter oder nicht zufriedenstellender Auftragserfüllung und letztlich zu unzufriedenen Kunden führt.

Warum sollte man es dann überhaupt anbieten?

Auswirkungen des kostenlosen Versandangebots

Der kostenlose Versand zieht neue Kunden an und sorgt für mehr Umsatz. Laut einem Bericht von JDA und Centiro geben 80 % der Internetkäufer in Europa mehr aus, wenn kostenloser Versand angeboten wird. Wenn Sie diesen Service also nicht anbieten, riskieren Sie es, Kunden zu verlieren.

Doch ganz so einfach ist es nicht.

Im 2016 JDA/Centiro Customer Pulse Europe Bericht wird ebenfalls deutlich, dass 63 % der Verbraucher wahrscheinlich zu einem anderen Anbieter wechseln würden, wenn sie schlechte Erfahrungen mit der Lieferung machen. Für Unternehmen ist dieser Prozess also entscheidend.

Zudem verursacht der kostenlose Versand Müll. Sehr viel Müll. Die ineffiziente Nutzung von Arbeitskraft, die Verschwendung wertvollen Lagerraums und – wahrscheinlich am meisten sichtbar – eine enorme Verschwendung von Verpackungsmaterialien.

Dies beeinträchtigt insbesondere Unternehmen mit Sitz in der EU, da diese die Anforderungen in der EU-Abfallrichtlinie zu erfüllen haben.

Unternehmen müssen eine schwierige Entscheidung treffen: Kundenanforderungen erfüllen oder finanzielle und regulatorische Ziele erfüllen.

Es ist nicht gut für Ihre Marke, denn ein kostenloser Versand wird von Kunden zunehmend vorausgesetzt. Es ist nicht gut für Ihr Unternehmen, denn die Kosten für Verpackung und Versand steigen. Und es ist nicht gut für die Erfüllung der Abfallziele, da aufgrund von falsch dimensionierten Verpackungen mehr Abfall entsteht.

Doch angesichts der Prognose von Forrester eines Online-Umsatzwachstums in 22 Produktkategorien in 17 Ländern in Westeuropa und der zunehmenden Erwartung eines kostenloses Versands seitens der europäischen Verbraucher wird es für Unternehmen immer schwieriger, keinen kostenlosen Versand anzubieten.

Zu alledem ist ein neuer Verbrauchertyp auf der Bildfläche erschienen: der notorische Rücksender. Die Verbraucher kaufen heute mehrere Artikel – mit der Gewissheit, dass sie einige davon zurücksenden werden. Dies wirkt sich nachteilig auf die Geschäftsziele der Händler aus – der kostenlose Versand verursacht schmerzhafte Kosten. Die kostenlose Rücksendung verdoppelt den Schmerz. Außerdem erhöht sich das Risiko von Produktschäden und negativer Kundenerfahrungen, wenn die Rücksendungen nicht zügig und korrekt bearbeitet werden.

Was ist das Gegengift?

Unternehmen sollten nicht aufhören, kostenlosen Versand anzubieten, doch sie können mehr auf eine angemessene Dimensionierung, nachhaltige Herstellung, Wiederverwendbarkeit und Wiederverwertbarkeit ihrer Verpackungen achten.

Es ist unrealistisch zu glauben, dass allein die Automatisierung die Komplexität der entsprechenden Betriebsabläufe verringern könnte. Um die Effizienz der gesamten Operation verstehen zu können, müssen Sie zunächst zur Seite treten.

Es sind die Menschen, Prozesse und Systeme, die große Ergebnisse schaffen. Es ist ein teurer Fehler, allein auf die Maschinen und Anlagen zu schauen. Sie sollten dafür sorgen, dass all diese Elemente so zusammenfließen müssen, dass sie im Ergebnis Produktivität, Effizienz und eine großartige Kundenerfahrung schaffen. Sobald das Unternehmen sich einen umfassenden Überblick über seine Lieferoperationen verschafft hat, sollte es sich um die Verbesserung der Erfüllungsraten und Verringerung der Versandkosten durch automatisierte Größenanpassung kümmern.

Andere Möglichkeiten der Kostensenkung sind z.B. der Umbau der Ladenversandstationen zur Maximierung der Effizienz und zur Reduzierung von Abfällen und Schäden.  Die Verwendung innovativer Schutzverpackungslösungen für weniger Abfall, weniger Materialverschwendung und geringere Lager-, Bearbeitungs- und Versandkosten ist eine weitere Möglichkeit.

So etwas wie „kostenlosen Versand“ gibt es nicht, jedoch intelligenteren, schnelleren und nachhaltigeren Versand. Das ist sehr, sehr real.

Frank