Verordnete Informationsflut im Netz: Verbraucher und Onlinehändler sind überfordert
Angesichts der Veröffentlichung der Ergebnisse einer EU-weiten rechtlichen Prüfung von Online-Shops durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und die EU-Kommission kritisiert der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) die ständig zunehmende Komplexität im Onlinehandel. Die gesetzlichen Verbraucherinformationen müssen dringend auf ein sinnvolles Maß reduziert werden, damit sie den Kunden wirklich nützen.
„Der Aufbau eines Onlineshops ohne rechtliche Beratung ist aufgrund der Vielzahl von Pflichtinformationen heute nicht mehr möglich.“ stellt bevh-Justiziarin Stephanie Schmidt fest und fügt hinzu: „Die immense Anzahl von Pflichtinformationen im Internet ist für einen Onlinehändler nicht mehr überschaubar und führt zunehmend auch bei den Kunden zur Verwirrung.“
Doch anstatt die Energien auf eine Prüfung der bestehenden Informationspflichten auf ihren Sinn und Nutzen zu investieren, haben die EU-Kommission und das Bundesjustizministerium nun EU-weit Onlineshops auf rechtliche Fehler geprüft und korrigiert. Insgesamt 743 Webseiten wurden auf diese Weise kontrolliert, davon enthielten 63 % rechtliche Fehler. Der „Sweep“ wird jährlich von der EU-Kommission organisiert und durch die Behörden in den Mitgliedsstaaten durchgeführt.
Tatsächlich geprüft im Rahmen des „Sweep“ wurde dabei nur ein verschwindend geringer Anteil der in der EU aktiven Onlineshops: Allein in Deutschland waren 2015 im Interaktiven Handel 25.200 Unternehmen aktiv (gemeinsame Studie bevh/Boniversum: „Die Wirtschaftslage im deutschen Interaktiven Handel 2015/16“). Geprüft wurden davon laut dem BMJV im Rahmen des „Sweep“ jedoch nur 32.
Als ein wichtiges Beispiel für eine häufige rechtliche Unstimmigkeit der Onlineshops nennt die EU-Kommission das Fehlen des gesetzlichen Musterwiderrufsformulars. Dieses wurde durch die Verbraucherrechterichtlinie eingeführt und muss seitdem vom Händler dem Verbraucher beim Kauf zur Verfügung gestellt werden. In der Praxis – so zeigen Umfragen bei zahlreichen Onlinehändlern – wird dieses von den Kunden jedoch kaum verwendet. Die Kunden nutzen vielmehr weiterhin die im geltenden Recht eigentlich nicht mehr vorgesehene Möglichkeit, den Kaufvertrag durch die einfache Rücksendung der Ware zu widerrufen. Das neue Formular sorgt sogar für Verwirrung: Einige Kunden schickten es gar gemeinsam mit der Bestellung an den Händler, da sie es für eine Ergänzung zum Bestellschein hielten.
„Es muss unbedingt ein Umdenken erfolgen, was die gesetzlichen Pflichtinformationen im Onlinehandel angeht.“ fordert bevh-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer und ergänzt: „Der aktuelle Formalismus im Verbraucherrecht macht es den Onlinehändlern nahezu unmöglich, ihre Kunden so zu informieren, dass diese sie auch verstehen.“
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