Die E-Commerce-Branche wird als Arbeitgeber attraktiver – aber die Investitionen in Recruiting und Arbeitskultur steigen massiv

E-Commerce ist der Taktgeber des deutschen Handels und verzeichnet überproportional steigendes Wachstum. Doch der Arbeitsmarkt hält nicht mit: Schon Positionen im unteren und mittleren Management lassen sich heute nur mithilfe von Personalberatern besetzen. Trotz wachsender Attraktivität des Interaktiven Handels geht gut jeder zweite professionelle Recruiter davon aus, dass die Unternehmen künftig auch international suchen müssen, um Fach- und Führungskräfte zu finden. Der Boom im Onlinehandel treibt so die Personalkosten – und hat Auswirkungen auf die Arbeitskultur bei den Onlinehändlern. Das ergibt eine aktuelle Befragung unter spezialisierten Personalberatern durch den Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) zusammen mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU). Sie wurde aktuell anlässlich des 1. bevh-Fachkräftetags in Berlin erstmals vorgestellt und steht nun der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Stellen im unteren und mittleren Management ab 40.000 Euro müssen heute mithilfe professioneller Personalberater besetzt werden. Der überwiegende Anteil der Recruiter wird inzwischen schon für Positionen ab einem Jahresgehalt von 60.000 Euro eingeschaltet. Zwar erwarten fast zwei Drittel der Personalberater, dass sich künftig mehr Bewerber dafür interessieren, im Online- und Multichannel-Handel zu arbeiten. Dennoch meinen nur 46 Prozent der Befragten, dass der Mittelstand künftig seinen Fachkräftebedarf im Inland decken kann, und nur 24 Prozent sehen die generellen Aussichten, in den kommenden fünf Jahren die offenen Fach- und Führungspositionen im E-Commerce zu besetzen, als „gut“ oder „befriedigend“ an.

Gehalt ist nach dem dominierenden Faktor „Standort des Unternehmens“ heute zwar noch entscheidend für die Arbeitsplatzwahl, die Entlohnung wird aber zukünftig graduell an Bedeutung verlieren. Jeder vierte befragte Personalberater sieht künftig das Gehalt als „nicht so wichtig“ für die finale Entscheidung des Kandidaten an. Drei von vier Beratern bezeichnen das Arbeitsumfeld, flache Hierarchien und Eigenverantwortung als fast so wichtig wie die finanziellen Komponenten, dicht gefolgt von der Gestaltung des Arbeitsplatzes nach eigenen Bedürfnissen und den Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Klassische Incentives wie Dienstwagen (4 Prozent), betriebliche Altersvorsorge (16 Prozent) oder die wahrgenommene „Sicherheit des Arbeitsplatzes“ (28 Prozent) sind nach Ansicht der Recruiter für die neuen Manager weit weniger relevant als beispielsweise Familienfreundlichkeit (56 Prozent).

„Getrieben von der digitalen Transformation stellen sich auch die Unternehmen des Online- und Versandhandels heute neu auf. Sie werden mutiger und gehen neue Wege. In den nächsten Jahren wird sich die Art, wie wir arbeiten und unsere Arbeit wahrnehmen, drastisch verändern“, so Christoph Wenk-Fischer, bevh-Hauptgeschäftsführer. Kai  Haake, Geschäftsführer Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), ergänzt: „Speziell Unternehmen ohne starkes Markenimage müssen deutlich mehr in Employer Branding-Maßnahmen investieren. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um geeignete Kandidaten auch für eine Tätigkeit in weniger interessanten Regionen gewinnen zu können. Erfahrene und qualifizierte Personalberater können bei den notwendigen Konzepten und Maßnahmen wertvolle Unterstützung leisten.“

Immerhin fast zwei Drittel der Unternehmensberater gehen davon aus, dass allein das Wachstum des Sektors E-Commerce zu einem Zuwachs an Bewerbern für Fach- und Führungskräfte führen wird. Da dies jedoch nicht zur Befriedigung der Nachfrage genügen wird, sind parallel Qualifizierungsmaßnahmen und Investitionen in die Ausbildung notwendig. Voraussichtlich ab dem Jahr 2018 wird der vom bevh initiierte neue Ausbildungsberuf der „E-Commerce-Kaufleute“ eine neue Generation von Händlern zur Reife führen.

Typen gebraucht, aber Arbeitnehmer gesucht

Vergleicht man das definierte Profil eines Bewerbers mit den tatsächlichen Besetzungen, dann zeigt sich, dass sowohl die Fachkompetenz als auch die Persönlichkeit ausschlaggebend sind. Dies zeigt auch das Anforderungsprofil der Unternehmen an die zu besetzenden Positionen. Die Top Five Anforderungen sind für 88 Prozent der Berater die Berufserfahrung, für 80 Prozent der Berater die Führungs- und Projekterfahrung, für 56 Prozent der Berater die Leistungsbereitschaft, für 40 Prozent der Berater die Sozialkompetenz und gleichauf der geforderte Gehaltsrahmen.

Befragt man Personalberatungen ob es den Kandidaten eher an Fach- oder Führungskompetenz fehlt, lautet die Antwort: sowohl als auch. Wobei 62 Prozent der Beratungen angeben, dass bei der Besetzung von Führungspositionen die größeren Fehler gemacht werden. Eine nicht vorhandene Führungskompetenz ist bei Einstellungen häufig schwerer zu beurteilen als die Fachkompetenz.

„Die Ergebnisse der gemeinsamen Umfrage mit dem BDU brachten bereits erste fundierte Erkenntnisse, wie sich Arbeit 4.0 auf unsere Branche auswirken wird. Diese werden wir nutzen, um mit Branchenpartnern und unserem bevh-Round Table Forschung und Lehre dem Thema Fachkräfte sowie Aus- und Weiterbildung im E-Commerce noch mehr Gehör zu verschaffen“, resümiert Christoph Wenk-Fischer, bevh-Hauptgeschäftsführer.

Die Ergebnisse der Umfrage „Besetzung von Fach- und Führungspositionen im E-Commerce“ sind auf der Seite des bevh.org/fachkräftetag abrufbar.

Frank