Brexit: Britische Handelskammer in Deutschland fordert Verhandlungen mit Weitsicht, Besonnenheit und Pragmatismus

erste negative wirtschaftliche Folgen des Brexit zeichnen sich bereits jetzt ab, denn die Verflechtung der Wirtschaftskraft von Großbritannien und Deutschland ist ausgesprochen intensiv: Geschätzt haben etwa 2.400 deutsche Unternehmen Betriebsstätten mit knapp 400.000 Beschäftigten in Großbritannien. Umgekehrt sind etwa 1.200 britische Unternehmen mit 220.000 Beschäftigten in Deutschland ansässig. Die Britische Handelskammer in Deutschland (BCCG) fordert deshalb alle aktiv beteiligten Personen und Institutionen auf, bei den laufenden Verhandlungen Weitsicht, Besonnenheit und Pragmatismus walten zu lassen. Die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über die Modalitäten des Austritts und der Beziehungen sollten wegweisend wirken. Sie dienen dazu, die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen auch nach dem Brexit möglichst ungehindert fortzusetzen. Denn es geht um Arbeitsplätze und Handel. Dies ist besonders im Interesse der Deutschen, der Briten und eben aller Europäer.

Die Menschen in Großbritannien und in Europa müssen wieder Vertrauen in die Politik finden, gerade auch durch Verhandlungen mit Augenmaß. „Es geht nicht alleine nur darum, negative wirtschaftliche Auswirkungen zu vermeiden. Es geht um nicht weniger als das Vertrauen der Bürger in Politik und ihre Institutionen zurückzugewinnen und nicht nur einen Riss durch die angelsächsische Gesellschaft zu verhindern, sondern eine Spaltung Europas“, sagt Andreas Meyer-Schwickerath, Geschäftsführer der BCCG.

Brexit: Britische Handelskammer in Deutschland fordert Verhandlungen mit Weitsicht, Besonnenheit und Pragmatismus
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Die Bedeutung Großbritanniens für den deutschen Im-und Export:

  • Großbritannien ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU mit einem Bruttosozialprodukt von 2,5 Billionen Euro.
  • Für Deutschland ist Großbritannien das drittgrößte Exportland nach USA und den Niederlanden
  • der bilaterale Handel inkl. Dienstleistungen betrug 2015 insgesamt 183 Mrd. Euro – ein Anstieg von ca. 7% gegenüber 2014.
  • Der Warenverkehr betrug insgesamt 136 Mrd. €
    • Die britischen Exporte nach Deutschland liegen bei etwa 41 Mrd. €,
    • Die deutschen Exporte nach Großbritannien liegen bei ca. 95 Mrd. €.
  • Der Austausch an Dienstleistungen betrug insgesamt 47 Mrd. €
    • Britische Dienstleistungen nach Deutschland 23 Mrd. €,
    • deutsche nach Großbritannien 24 Mrd. € betrugen.
  • Insgesamt gehen über 50 Prozent des Exportes aus Großbritannien in die EU
  • Deutschland ist das wichtigste Land für die Exporte aus Großbritannien.

Brexit ist ein Warnschuss für die EU – weitermachen wie bisher ist keine Option

Der Brexit spaltet das Vereinigte Königreich in mehrfacher Hinsicht. Dabei ist das knappe Votum mit 52% für und 48% gegen den Austritt nur eine Betrachtungsweise. „Viel gravierender sind die Wahlergebnisse bei geographischer als auch bei der Betrachtung der unterschiedlichen Altersgruppen. Großbritannien steht vor der Mammutaufgabe die entstandenen Gräben wieder zuzuschütten“, sagt Andreas Meyer-Schwickerath. Gleiches gilt für die EU, denn weitermachen wie bisher wird keine Option sein.

Es besteht die Gefahr, dass die politisch zentrifugalen Kräfte in den anderen Mitgliedsländern, u.a. auch in Frankreich und Deutschland, zunehmen. Die Hauptargumente der britischen Pro-Brexit-Kampagne werden auch dort thematisiert: Unruhe wegen hoher Immigration und geringem Wachstum, der Wunsch nach größerer politischer Eigenverantwortung, und die weitverbreitete Auffassung, dass die Eliten sich von den Wählern entfernt haben.

„Wir hoffen daher auf notwendige Weitsicht sowohl bei den anstehenden Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien als auch bei den notwendigen Reformen der EU. Es steht viel auf dem Spiel, diesseits und jenseits des Kanals, aber es ist machbar“, sagt Andreas Meyer-Schwickerath.

Der überwiegende Anteil der BCCG-Mitglieder teilt die Auffassung, dass sich die vielfältigen globalen Herausforderungen nur multilateral lösen lassen. Entsprechend fördert  die BCCG den multilateralen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch, um so einen Beitrag zur Lösung zu leisten. „Entsprechend gelingt es der Politik derzeit nicht, die breite Masse der Gesellschaft abzuholen. Weder in Großbritannien noch innerhalb der Mitgliedstaaten der EU. Das muss sich ändern. Andernfalls steht die europäische Einigung als Ganzes zur Disposition“, sagt Andreas Meyer-Schwickerath, Geschäftsführer der BCCG.

Reformen sind notwendig, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in diese Institution wiederzubeleben. Nur so hat die EU eine langfristige Perspektive. Nur so lassen sich gemeinsam die globalen Herausforderungen meistern. Das belegt auch eine repräsentative Umfrage die die BCCG bei FORSA Ende 2015 in Auftrag gegeben hat. Demnach spricht sich eine Mehrheit der Deutschen sowohl für Reformen als auch für Referenden aus.

Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage im Auftrag der BCCG

  • 64% der Befragten befürworten Vetorechte für  nationale Parlamente. Sie sollten das Recht haben, Gesetze  und Verordnungen der EU zu stoppen, wenn eine bestimmte Anzahl von Volksvertretungen der Mitgliedsstaaten diese ablehnt.
  • 54% der Deutschen forderten, dass wieder mehr Rechte und Zuständigkeiten von der EU an die einzelnen Mitgliedsstaaten übertragen werden sollten.
  • Mit 69 Prozent besonders klar votierten die Befragten für das Recht von  EU-Mitgliedsstaaten, den Zugang von EU-Ausländern zu Sozialleistungen an vorherige Beitragszahlungen in die Sozialkassen binden zu dürfen.
  • Die Mehrheit der Deutschen (55%) bedauert den Austritt Großbritanniens aus der EU, und so auch die weit überwiegende Zahl der Mitglieder der BCCG (89%).
Frank