„Eine Art Airbnb für Strom“ – Die Sharing-Economy erreicht bald auch die Energiebranche

Noch regieren in der Energieindustrie große Konzerne wie E.on oder RWE. Der Ökostromanbieter Lichtblick arbeitet aber an einem Geschäftsmodell nach Vorbild der Sharing-Economy, mit dem er die Branche so ähnlich wie Airbnb revolutionieren möchte. Dabei soll eine digitale Communityplattform kleinen Haushalten die Möglichkeit geben, ihren selbstproduzierten Strom an Bedürftige zu verkaufen.

Airbnb hat das Übernachtungsgewerbe grundlegend verändert und viele traditionelle Mitspieler wie Hotels, Pensionen oder Hostels in Bedrängnis gebracht. Mit dem Markteintritt des Sharing-Economy-Pioniers aus San Francisco verlieren sie fortlaufend an Macht und fürchten um ihre Geschäftsgrundlage. Zu einem ähnlichen Szenario könnte es bald auch in der Energiebranche kommen, wo Konzerne wie E.on oder RWE noch den Ton angeben. Schon heute sollen 890.000 Haushalte eine Solaranlage besitzen. 35.000 von ihnen verfügen darüber hinaus über eine Batterie und sind somit imstande, den Überschuss an Strom zu speichern und ihn später zu verwenden, sobald wieder Bedarf besteht. Sie könnten ihn aber auch anderen Haushalten zur Verfügung stellen, ob nun als Spende oder zu einem niedrigen Preis. Der Weg zu einer Revolution in der Energiebranche scheint daher gar nicht so weit zu sein. Was fehlt, ist die entsprechende Plattform, über die das Strom-Sharing organisiert und koordiniert wird. An ihr arbeitet derzeit der in Deutschland größte Ökostromanbieter Lichtblick, dessen Geschäftsführer Heiko von Tschischwitz bereits von „einer Art Airbnb für Strom“ spricht.

„Eine Art Airbnb für Strom“ – Die Sharing-Economy erreicht bald auch die Energiebranche
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Strom verkaufen per App

Für dieses Geschäftsmodell legte das Hamburger Unternehmen schon vor mehreren Jahren die nötigen Weichen. 2009 baute es zum Beispiel in Kooperation mit Volkswagen kleine Blockheizkraftwerke in die Keller einiger Wohnhäuser ein und ermächtigte dadurch die betroffenen Haushalte, selber Strom für Wasser und Heizung zu produzieren. Die Überschüsse können sie mit dem Gerät dann auch noch ins Netz einspeisen. Eine andere Lösung fand Lichtblick 2015, als es die Software „Schwarmdirigent“ entwickelte und mit ihrer Hilfe Elektroautos dazu brachte, Strom zu speichern und diesen dann vom Parkplatz aus ins Netz zu befördern. Die technischen Möglichkeiten für die Selbstproduktion sind mittlerweile reichlich gegeben, sodass in Zukunft immer mehr Haushalte nicht nur über die entsprechenden Geräte, sondern auch über mehr Strom verfügen werden, als sie tatsächlich brauchen. Deswegen arbeitet Lichtblick derzeit an einem Geschäftskonzept, wie es einen Markt für Strom-Sharing erzeugen und daran verdienen kann. Dabei soll der Schwarmdirigent eine entscheidende Rolle spielen und die Haushalte mit den entsprechenden Geräten und Anlagen so vernetzen, dass sie sich gegenseitig Strom verkaufen können. Die Transaktionswünsche brauchen sie dann nur noch in eine App einzugeben und den Rest Lichtblick überlassen, das für Vermittlung und Koordination kleine Gebühren kassiert.

Lichtblicks Konkurrenten

Mit diesem Geschäftsmodell beschäftigt sich nicht nur Lichtblick. Auch das Berliner Unternehmen Beegy und das Start-up Buzzn aus München schaffen derzeit die nötigen Grundlagen, um später mit dem Management des kleinen Stromhandels Geld zu verdienen. Genauso wie der Hamburger Ökostromanbieter haben auch die beiden anderen Unternehmen in ihren Regionen mehrere Haushalte mit Solaranlagen und Speicherbatterien ausgestattet und sie dadurch miteinander technisch verbunden. Die Entwicklung einer leistungsfähigen Vermittlungs- und Kommunikationsplattform stellt dann den nächsten Schritt dar. Um das Geschäftskonzept umzusetzen, fehlen derzeit aber die nötigen politischen Bedingungen. Hinderlich ist vor allem die Ökostromumlage. Sie müssen Haushalte dann zahlen, wenn sie überschüssigen Sonnen- oder Windstrom speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in das Netz speisen. Beim Verbrauch wird sie dann noch einmal fällig, sodass die gegenwärtige Gesetzeslage den kleinen Stromhandel unrentabel macht. Allerdings soll die Regierung im Sommer die doppelte Umlage abschaffen, weshalb das Airbnb für Strom möglicherweise schon bald Realität werden könnte.

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