Eigenmarken: Wird Amazons Einstieg in den Fashion-Bereich den Markt umkrempeln?

Wie onlinemarktplatz.de bereits im Oktober 2015 berichtete, möchte Amazon seinen schnell wachsenden Fashionbereich mit eigenen Marken weiter ausbauen. Im Februar 2015 gab es Gerüchte um den Einstieg in den Luxus-Modemarkt, diese Pläne wurden anscheinend jedoch nicht weiterverfolgt. Das Unternehmen macht schon jetzt beachtenswerte Umsätze mit Mode: bereits jeder 7. Amazon Kunde bestellt Mode über die Webseite und etwa 6% des Handelsvolumens bei Amazon soll auf Bekleidung entfallen. Nach Schätzungen der Handelsberatung Oliver Wyman verkauft Amazon Fashion in Europa jährlich rund 150 Millionen Bekleidungsartikel bei einem Umsatz von 200 bis 400 Millionen Euro pro Jahr.

Doch Amazon will nicht mehr nur bereits etablierte Mode-Marken verkaufen, sondern verstärkt in das Geschäft mit Eigenmarken einsteigen, was deutlich höhere Margen garantiert. Amazon hat seine Pläne hierzu noch nicht offengelegt, doch WWD berichtet von Stellenanzeigen in den USA, in denen unter anderem Marketing Manager und Senior Brand Manager für das Amazon Fashion Private-Label gesucht werden. Eine der Private-Label-Stellenausschreibungen der vergangenen Woche beschrieb, dass der ideale Kandidat „eine Leidenschaft für das Verständnis der unerfüllten Bedürfnisse der Kunden“ haben sollte.

Wenn Amazon Private-Label-Markenrechte erhält – und das Wenn ist zugegebenermaßen ein ziemlich großes Wenn – könnte Amazon nicht nur die eigenen Gewinnspannen maximieren, sondern würde andere Marken und Händler, die bereits jetzt zu kämpfen haben, weiter belasten. Experten sehen Amazons Vorstoß in das Private-Label-Business als klugen Schachzug an. Nach KeyBanc Capital Analyst Ed Yruma, soll der Amazon-Eigenmarkenstart im Frühjahr 2017 beginnen. „Es scheint für Amazon sehr vorrangig zu sein“, so der Analyst.

Die Motivationen für Amazon eine eigene Modemarke zu schaffen sind vielfältig:

  • Durch die revolutionären Datenerfassungsmöglichkeiten könnte Amazon unmittelbar die Verbrauchertrends lesen und Produkte anbieten, die auf diese Bedürfnisse zugeschnitten sind.
  • Lücken im Sortiment, die führende Marken nicht schließen können, gebe es nicht mehr.
  • Und, was vielleicht am Wichtigsten ist: Amazon könnte den stattfindenden Gezeitenwechsel im Einzelhandel und dem Modebereich in Richtung „jetzt sehen, jetzt kaufen, jetzt tragen“ mühelos gewinnen.

Diese Faktoren, kombiniert mit den relativ hohen Margen in der Bekleidungskategorie, sind gleichzusetzen mit einem kräftigen Gewinn, den Amazon derzeit zum Großteil aus seinen Cloud-Computing-Diensten und nicht aus dem Retailgeschäft erwirtschaftet.

Eigenmarken sind generell keine Neuheit für Amazon, es gibt bereits eine Vielzahl, die bei den Suchen nicht offensichtlich prominenter präsentiert werden als Konkurrenzprodukte. Hier einige Beispiele:

  • AmazonBasics (seit 2009, Elektronikzubehör)
  • Amazon Kindle (seit 2007, E-Book Reader, Tablets)
  • Amazon Elements (seit 2014, Lebensmittel und Haushaltsprodukte)
  • Strathwood (seit 2004, Gartenmöbel und dekorative Outdoor-Artikel)
  • Pinzon  (seit 2005,  Bett- und Badwäsche, Küchenutensilien, Möbel)
  • Pike Street (seit 2004, Produkte im Bereich Bett und Bad)
  • Denali (seit 2006, Werkzeuge und Werkbänke)
  • und einige mehr.

Im Modebereich ist Amazon mit Lark & Ro im Bereich Damenmode und Scout + Ro auf der amerikanischen Seite am Start. Die Eigenmarken James & Erin, Franklin Tailored, North Eleven, Concrete New York, Society New York und Thirty Five Kent sollen in Planung sein, denn für sie wurde bereits Markenschutz angemeldet.

Und auch wenn Verbraucher bekannte Modelabels lieben, so meint Amazon Fashion Vice President Jeff Yurcisin:

… wenn ein bestimmtes Unternehmen sein Produkt nicht auf Amazon anbieten möchte, dann ist der Kunde immer noch auf der Suche nach einem ähnlichen Produkt. …

Doch es liegt noch viel Arbeit vor Amazon, denn obwohl Amazon die Met Gala im Costume Institute im Jahr 2012 sponsorte, Shopbop besitzt, Vogue Online-Redakteurin Caroline Palmer 2015 als Direktor für redaktionelle Inhalte einstellte, Fashion Blogger Chiara Ferragni als seinen europäischen Botschafter benannte, wird Amazon noch immer nicht als besonderes Einkaufsziel für stylische Mode gesehen. Amazon sei derzeit auf den Kleidungbereich fokussiert, so Analyst Yruma. Die Aktivität mit der Fashion-Community sei beeindruckend und Amazon versuche, mehr Vertrauenswürdigkeit aufzubauen.

Private-Label-Bekleidung könnte zudem ein weiterer Weg sein, noch mehr Prime Kunden zu gewinnen und zufriedenzustellen. Amazon wird versuchen den breitflächigsten Teil des Marktes zu erreichen und ein Produkt zu schaffen, dass alles bietet, was Verbraucher sich wünschen. Dadurch könnte der Konzern eine noch größere Bedrohung für Target, JC Penney oder Wal-Mart Stores werden, so Growth Partners Präsident Craig Johnson.

In einer Telefonkonferenz mit Investoren im vergangenen Monat, erwähnte Finanzchef Amazon Brian Olsavsky zum einen die Bedeutung des Prime-Programms und zum anderen die Befriedigung fehlender Bedürfnisse der Kunden:

… Wir sind unseren Kunden dankbar und arbeiten fest daran, ein noch besseres Kundenerlebnis zu schaffen. Wir glauben, dass die einzige zuverlässige Möglichkeit darin besteht, unsere Kunden an die erste Stelle zu setzen, was langfristig auch einen Mehrwert für die Investoren bedeutet. …

Diese Aussage könnte ein Hinweis auf Amazons Ambitionen sein, den Fast-Fashion-Markt zu erobern. Ein Markt, der vom schnellen Kopieren von Laufstegmodellen und Modetrends lebt. Dieses Modell hat im vergangenen Jahrzehnt bereits Milliarden von Dollar an Marktanteil gewonnen und entspricht eher der hyperschnellen Herangehensweise Amazons an Produkte und Services im Dienste der Verbraucher.

Forresters bekanntester Analyst Adam Silverman ist der Ansicht, dass der „Fast-Fashion-Markt“ für Amazon auch eine Möglichkeit darstelle, sogenannte „Millennial Shoppers“ anzusprechen, also Käufer die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden. Hier habe Amazon durch seine Lieferketten-Erfahrung einen großen Vorteil und könne durchaus Marktführer werden. Von Nützlichkeit sei in diesem Fall, der hervorragende Service und ein guter Preis, was Amazon beides bieten könne. Es sei ferner wertvoll Trends richtig, rechtzeitig und schnell zu erkennen. Unabhängig von der Marke müsse man das schnell liefern, was angesagt ist. Ein bisschen spiele die Marke eine Rolle und Amazon müsse dem Käufer beweisen, dass Amazon cool sein kann, aber bereits jetzt schätzen jüngere Käufer den Service, den Amazon bietet.

Es gebe wenig negative Aspekte in Amazons Fashion-Plänen, vor allem im Hinblick auf Fast-Fashion, die mehr auf Trends als auf Marken basiert, so Analyst Silverman. Wenn Amazon mit dem Trend richtig umgehe und schnell liefere, dann werde Amazon Anerkennung sammeln. Vielleicht wird die Mode-Einzelhandelslandschaft dann durch Amazon in der gleichen Art und Weise neugestaltet, wie es das Unternehmen schon mit den Büchern getan hat.