Der Versuch der Gemeinden das langsame Sterben ihrer Innenstädte zu bekämpfen

Der Versuch der Gemeinden das langsame Sterben ihrer Innenstädte zu bekämpfen
Der Versuch der Gemeinden das langsame Sterben ihrer Innenstädte zu bekämpfen 1

Vor allem in kleineren und mittleren Städten bedroht der boomende Internet-Handel immer stärker traditionelle Ladengeschäfte. Viele Gemeinden wollen hier nicht mehr tatenlos zuschauen. Bei einer aktuellen Erhebung des Bundesverbandes der Deutschen Textilwirtschaft (BTE) im mittelständischen Modefachhandel bezeichneten 69% der befragten Händler die zurückgehende Kundenfrequenz als ihre größte Furcht. Nach einer Schätzung des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln droht rund 45.000 Sportartikelhändlern, Spielwarenläden, Boutiquen sowie Elektronikgeschäften in Deutschland bis 2020 das Ende.

Immer mehr Gemeinden aber versuchen das langsame Sterben ihrer Innenstädte zu bekämpfen und das Internet mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Pionier war Wuppertal, das den lokalen Händlern mit dem Projekt „onlineCity Wuppertal“ (OCW) bereits seit 2014 die Chance bietet, durch einen gemeinsamen Internetauftritt Käufer anzulocken. Es ist eine Art örtliche Einkaufsstraße im World Wide Web.

Das niedersächsische Wolfenbüttel, Attendorn in Nordrhein-Westfalen und das baden-württembergische Göppingen tun es mittlerweile Wuppertal gleich. Dortmund und Heilbronn wollen bald ebenfalls eine virtuelle Einkaufsstraße für lokale Händler eröffnen, so Roman Heimbold vom Start-up Atalanda, das die Marktplätze im Hintergrund organisiert.

Die Erfolgschancen dieser Online-Marktplätze sind dagegen diskutabel

Gerrit Heinemann, E-Commerce-Fachmann von der Hochschule Niederrhein zweifelt: „Der Versuch, durch lokale Online-Marktplätze die Innenstädte zu beleben, wird nicht funktionieren.“ Stadtväter, die das glaubten, hätten eine rosarote Brille auf und sähen der Wahrheit nicht ins Auge. Das Angebot auf den lokalen Seiten sei dafür zu klein und zu wenig anziehend, so Heinemann. Für die dominierende Mehrheit sei die Aktion kein Thema.

Ziel von Internet-Projekten müsse es vor allem sein, die örtlichen Händler an das Internet heranzuziehen. Man müsse ihnen so die Möglichkeit geben, ein Stück vom Online-Business zu erhalten. Ob die Bestellungen aus der Heimatstadt oder dem Ausland kämen sei hierbei gleichgültig. Aussichtsreicher sei daher eher eine Kooperation mit einem der populären Internet-Giganten.

Mit seinem Institut eWeb Research Center ist Heinemann tonangebend am Pilotprojekt „Mönchengladbach bei eBay“ beteiligt, das im Oktober 2015 ins Leben gerufen wurde. Schon in den ersten 100 Tagen hätten die 70 teilnehmenden Händler über 32.000 Artikel veräußert und einen Umsatz von mehr als einer Million Euro generiert.

In Wuppertal hingegen gingen bei den 60 teilnehmenden Händlern im Dezember 2015 trotz Weihnachtssaison lediglich 39 Online-Bestellungen ein, wie OCW-Projektleiterin Christiane ten Eicken erklärt. Doch für ten Eicken ist die Anzahl der Bestellungen nicht das A und O. Es gehe auch darum, den Kunden darzulegen, dass in der eigenen Stadt ein breites Angebot verfügbar sei, das mit Amazon konkurrieren könne.

Der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH), Kai Hudetz, sieht das ähnlich. Ein lokaler Online-Marktplatz sei kein Selbstläufer, doch könne dieser die Läden vor Ort dabei unterstützen, mit Informationen zur Warenverfügbarkeit und Reservierungsmöglichkeiten ihre Sichtbarkeit und ihre Anziehungskraft zu steigern sowie zusätzliche Kunden in die Läden zu locken. Die Hindernisse jedoch seien hoch. Vor Ort sei dann nämlich auch ein richtig gutes Einkaufserlebnis notwendig. Hudetz: „Jedes Konzept, das nicht brutal an den Bedürfnissen des Kunden orientiert ist, wird nicht funktionieren.“