Retouren sind im Internet-Handel zum Normalfall geworden

Täglich erhalten Online-Händler wie Amazon, Zalando oder Otto Tausende Retouren. Um die Pakete kümmern sich die Mitarbeiter in den Rücksende-Zentren. Da es Kunden gibt, die versuchen zu betrügen, müssen diese Mitarbeiter äußerst detektivisch vorgehen.

Einer der Mitarbeiter ist Georgios Titokis. Er untersucht ein ferngesteuertes Auto und schaut, ob alle Teile vorhanden sind. Er testet den Batterieantrieb und sucht nach Gebrauchsspuren an dem Modellauto. Der Kunde, der das Spielzeugauto zurückgesandt hat, behauptet, dass sich in der Verpackung, in der ein Polizeiwagen hätte sein sollen, stattdessen der Strandbuggy befand. Titokis ist misstrauisch. Vielleicht hat der Besteller ein gebrauchtes Fahrzeug zurück gesandt, um so kostenlos an ein neuwertiges Spielzeug zu kommen.

Titokis arbeitet seit 1991 bei Hermes und bearbeitet jeden Tag Hunderte Retouren: Online-Bestellungen, die der Kunde nicht haben will oder die beschädigt sind. Über 50 Millionen zurückgesandte Artikel gehen auch 2014 durch seine und die Hände seiner Kollegen.

Retouren sind im Internet-Handel zum Normalfall geworden. Drei Größen ordern und zwei zurückschicken, das ist das Minimum. Der schwächelnde Einzelhandel in Deutschland will seine Online-Kunden auf keinen Fall verärgern.

Im vergangenen Jahr ist der Internethandel nach Schätzungen des Branchenverbandes um 22% auf einen Bestellumsatz von 33,5 Milliarden Euro gewachsen. Geschäftsmodelle wie das des Online-Modehändlers Zalando basieren darauf, dass von fünf Schuhkartons vier zurück geschickt werden.

Die Otto-Tochter Hermes schätzt die durchschnittliche Retourenquote im Onlinehandel auf 50%. Bei Textilien sind es auch einmal zwei Drittel, bei Möbeln dagegen weniger als 10%. Die Aufgabe der Retouren-Industrie ist es, jeden Tag Massen von Retouren abzuarbeiten und die Produkte so schnell wie möglich wieder in die Lagerregale zu räumen.

Manche Artikel brauchen jedoch etwas an Zeit, bis sie wieder in den Verkauf kommen. Beispielsweise ein Super-Girl-Kostüm, das im Originalkarton im Hamburger Retouren-Zentrum ankommt. Auf dem beiliegenden Zettel mit den vorgeschriebenen Gründen hat die Käuferin „gefällt nicht“ angekreuzt. Tatsache aber ist: Das Kostüm zeigt deutliche Spuren einer Partynacht und das wird zu Nachfragen führen. Bestätigt sich der Verdacht, bekommt die Kundin den Karton samt Inhalt zurück – einschließlich einer Rechnung. Manchmal allerdings lässt sich schwer beurteilen, ob es sich um Tragespuren oder lediglich um eine Anprobe handelt.

Bei Schmuck oder Uhren, die oft sehr teuer sind, ist es besonders wichtig, die Ware schnell wieder in den Verkauf zu bringen. Dennoch dauert die Bearbeitung bei den Versendern der Otto-Group und der Retouren-Tochter Hermes. Durchschnittlich 15 Kalendertage vergehen von dem Moment, in dem der Kunde die Bestellung im Internet abgegeben hat, und der Stunde, ab der der Artikel wieder im Web-Shop zu haben ist.

Sechs Tage ist die Ware im Schnitt beim Kunden, der Rest entfällt auf den Weg an seine Adresse, die Rücksendung zum Retourenlager, die Bearbeitung vor Ort und schließlich den Transport zum Lager.

Das Ziel ist es, so viel Ware wie möglich wieder ins Sortiment aufzunehmen. Textilien schaffen diesen Weg angeblich zu 98%. Ist bei einem Kleidungsstück aber nichts mehr zu machen, geht es in den sogenannten Drittverkauf. Das kann ein weiterer Web-Shop sein oder ein Wochenmarkt im Ausland. Was genau mit einem Artikel passiert, legt der Internet-Händler vorab fest.

Retouren seien nichts Schlechtes sondern Teil des Geschäftes mit dem man Geld verdiene, so Dieter Urbanke, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hermes Fulfillment. Das Unternehmen arbeitet für Versandhäuser aus der Otto-Group, 20% der Aufträge kommen von anderen Internethändlern. Es ist eine Gratwanderung: Nach außen hin werben die Händler mit dem Rückgaberecht, intern wollen sie die kostspieligen Rücksendungen aber gerne reduzieren.

Doch immerhin: Der Anteil steigt nicht mehr so schnell. In den letzten Jahren hätten sich die Quoten jedoch kaum noch verändert, so Urbanke. Ab Juni 2014 könnte den Internet-Händlern überdies eine neue EU-Verbraucherrechts-Richtlinie weiterhelfen. Die Regelung gestattet den Händlern Rücksendungen prinzipiell kostenpflichtig zu machen. Bisher können Versandhändler nur dann Geld verlangen, wenn der Einkauf des Kunden maximal 40 Euro kostet.

Bislang plant kein großer Internethändler eine Kostenpflicht bei Rücksendungen. Bei Amazon zum Beispiel heißt es, es seien keine Änderungen an den Bestimmungen zur Retoure geplant. Ähnlich lautet die Auskunft bei Zalando und der Otto Group.

Trotzdem wird es wahrscheinlich Händler geben, die für Rücksendungen Geld verlangen werden, sagt Jean-Marc Noël, Gründer der Firma Trusted Shops. Bestimmte Branchen wie Schmuckhändler, die teure Waren verschickten oder Händler aus dem Mittelstand, werden in seinen Augen eine Kostenpflicht einführen. Gerade die kleineren Händler brauchen dieses Geld.