Nach erfolglosen Streiks in Deutschland möchte Verdi nun in Polen und Tschechien mobilmachen

Die Gewerkschaften beschäftigen sich weiter mit der Konfrontation um Arbeitsbedingungen und Tarifverträge bei Amazon. ver.di empfindet die Pläne von Amazon zu  den neuen Verteilzentren in Polen und Tschechien als Mahnung für die Standorte in Deutschland. „Die Ankündigung wird als Drohung verstanden, nach Osten abzuwandern“, erklärte ver.di-Sekretär Thomas Schneider.

Schneider weiter: Proteste gegen schlechte Arbeitsbedingungen werde man möglicherweise zusammen mit den Kollegen in diesen beiden Nationen führen. ver.di hatte sich in Dresden schon mit der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc und der tschechischen Handelsgewerkschaft OSPO getroffen. Dabei wurde über eine gemeinsame Taktik im Vorgehen gegen Amazon diskutiert. Es solle dadurch verhindert werden, dass Amazon verschiedene Logistikzentren gegeneinander ausspiele, so der Vertreter von Solidarnosc Boguslaw Wojtas.

In Tschechien sind zwei Zentren in der Nähe des Prager Flughafens und bei Brno beabsichtigt. Dort sollen jeweils 5.000 Menschen arbeiten, darunter 2.000 als Festangestellte. Prinzipiell heiße man es für gut, dass Amazon bei wachsender Arbeitslosigkeit  Stellen schaffen wolle. Man wisse jedoch auch um die „schlechten Arbeitsbedingungen“, hob die Sprecherin der Gewerkschaft OSPO, Aneta Bednárová hervor.

Ebenfalls zwei Versandzentren sind in Polen geplant. Eines im Bereich von Breslau und eines bei Poznan. Verträge sind jedoch noch nicht unterzeichnet. Polen locke mit „Sonderwirtschaftszonen“. Unternehmen hätten damit zehn Jahre lang keine Grundsteuer zu bezahlen.

Der ver.di-Chef für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Thomas Voß meint, dass man nichts dagegen habe, wenn Amazon neue Standorte entwickle. Doch arbeite das Unternehmen mit einer „gewerkschaftsfeindlichen Strategie“ und wolle keine Tarifverträge abschließen. Amazon habe klargestellt, dass Tarifverträge keine Frage des Geldes seien, sondern des Prinzips, so ver.di-Sekretär Schneider. Noch für das laufende Weihnachtsgeschäft kündigte ver.di weitere Arbeitsniederlegungen für Leipzig und Bad Hersfeld an.

Der schwellende Tarifstreit zwischen Amazon und ver.di und die für die  Weihnachtszeit angekündigten Streiks scheinen Amazon-Deutschlandchef Ralf Kleber allerdings keine Sorgen zu bereiten. Kleber fürchtet eher Wetterkapriolen. Bis dato hätten die Streiks keinen Einfluss auf Amazons Zustellversprechen gehabt. Größere Schwierigkeiten im Weihnachtsbusiness habe Amazon Deutschland, wenn es Glatteis in den Kasseler Bergen oder Schnee in Deutschland gebe. Das rufe Sorgenfalten hervor.

Für Amazon sei die Adventszeit „absoluter Saisonhöhepunkt“. In diesem Zeitraum arbeiten in der Bundesrepublik 14.000 Arbeitskräfte,  wohingegen es sonst 9.000  Mitarbeiter sind.

ver.di fordert von Amazon wie schon mehrfach berichtet, tarifliche Regelungen, wie sie im Einzel- und Versandhandel üblich sind. Amazon jedoch nimmt die Logistikbranche als Richtschnur. Hier werden niedrigere Löhne gezahlt. Ralf Kleber begründet das damit, dass Amazon ein Logistikunternehmen sei: „Da kommen LKW an, die werden ausgeladen, Waren ein- und wieder ausgelagert. Dann fahren die LKW wieder ab“. Aus diesem Grund werde der in dieser Branche übliche Tarif gezahlt. Mit einem Einstiegsgehalt von 9,55 Euro pro Stunde läge man definitiv am oberen Ende und weit weg vom Mindestlohn.

Kleber weiter: „Amazon ist ein fairer Arbeitgeber. Das ist nicht mein Konflikt. Ich arbeite mit den Mitarbeitern über die Betriebsräte zusammen.“ Aktuell gibt es in acht der neun Logistikzentren von Amazon einen Betriebsrat.

Im gerade eröffneten Zentrum in Brieselang wird gegenwärtig ein weiterer Betriebsrat gebildet. Ralf Kleber, der zuvor schon für Kaufhof und Escada gearbeitet hat, unterstrich, dass nur eine Minderzahl der Amazon-Mitarbeiter sich an den Arbeitsniederlegungen beteilige.