Wir sind Europameister: Deutschland die Rücksenderepublik

Nachdem onlinemarktplatz.de sich in letzter Zeit häufiger mit dem Thema Retouren befasst hat, beschreibt ein Artikel der wiwo.de die Probleme, die durch das Widerrufsrecht entstehen können. Es geht um Deutschland als Rücksenderepublik und darum, dass es den Händlern wohl langsam etwas zu viel wird und womit die Kunden zukünftig rechnen müssen.

Die Logistik-Tochter des Otto-Konzerns Hermes, Europas größter Retouren-Betrieb, hat derzeit mehr Arbeit als während der gesamten Weihnachtszeit. 50 Millionen Rücksendungen werden pro Jahr in der Nähe von Hamburg sowohl für den Otto-Versand, als auch für externe Web-Shops bewerkstelligt. Von über 1.000 Mitarbeitern werden die zurückgesandten Waren auf Mängel untersucht, gereinigt und neu verpackt, bevor der Großteil der Gegenstände wieder in den Verkauf geht.

Wir sind Europameister: Deutschland die Rücksenderepublik
Wir sind Europameister: Deutschland die Rücksenderepublik 1

Mittlerweile ist die Abwicklung von Retouren in Deutschland ein blühender Geschäftszweig. Nirgendwo sonst in Europa werden so viele Bestellungen zurückgesandt wie hierzulande. Im Jahr 2011 wurden geschätzte 247 Millionen Pakete an die Verkäufer retourniert. Die Händler sind darüber verärgert und wollen den Kunden, die ständig Waren zurücksenden den Kampf ansagen.

Aber nicht nur nach den Weihnachtstagen gibt es massenhaft Rücksendungen, sondern auch während des gesamten Jahres. Werden nach Weihnachten in der Hauptsache nicht gewünschte Geschenke retourniert, nehmen unter dem Jahr vor allem auch Rücksendungen zu, bei denen die Kunden ihre bestellten Artikel bereits benutzt haben und danach wieder an den Händler zurückgeben. So landen die getragenen Oktoberfest-Dirndl wieder beim Händler, ist die Wiesn-Zeit zu Ende. Und viel Mühe geben sich die Retournierer auch nicht, wenn sie Sachen zurücksenden, denn die Hosentaschen der zurückgesandten Smokings enthalten oft noch Eintrittskarten von Veranstaltungen. Aber nicht nur Bekleidung bekommt der Händler wieder. Neue Großbildfernseher werden gerne nach Ende großer Sport-Events wieder zum Händler zurückgeschickt. Und das sind nur einige wenige Beispiele mit denen sich die Branche herumschlagen muss. Die sogenannten „Zalando-Partys“, bei denen Provinz-Teenies massenhaft Kleider und Schuhe bei Zalando bestellen, um sich ein wenig verkleiden zu können und dann alles wieder kostenfrei zurücksenden, ist ein anderes Beispiel.

Möglich gemacht wird dieses exzessive Rücksenden durch das deutsche Widerrufsrecht. Darin ist verankert, dass der Käufer ohne Angabe von Gründen, 14 Tage nach Erhalt der Ware, die Sachen wieder zurücksenden darf und sein Geld innerhalb von 30 Tagen zurückerhält.

Für den Händler bedeutet das ein enormes Maß an Mehrarbeit und zusätzlichen Kosten. Eine normale Retouren-Abwicklung kostet den Händler im Schnitt 7,93 Euro, der Wertverlust der Ware wurde hierbei noch nicht eingerechnet. Das ergab eine Studie der der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg. Fast 70% dieser Kosten entfallen auf Bearbeitung und Neueinlagerung, nur 30% sind Portokosten. Die Experten der Uni Bamberg merkten zudem noch an, dass der Aufwand bei ungerechtfertigten Retouren noch deutlich höher ist.

Der Anteil an ungerechtfertigten Retouren, wie ihn die Shopbetreiber sehen:

  • Verbraucherelektronik 25,7%
  • Spielwaren   25,3%
  • Tierbedarf 24,6%
  • Bekleidung 20,5%
  • Auto/ Motorrad 20,4%
  • Freizeit 18,0%

Um spätere Rücksendungen zu vermeiden, muss der Händler bereits bei der Präsentation seiner Waren detailliert über seine Artikel informieren. Allerdings muss der potentielle Käufer sich diese Informationen auch genau anschauen. Fotos und detaillierte Produktbeschreibungen sind ein Muss, Zoom-Möglichkeiten, Kundenkommentare oder Produktvideos gehören zu den Standards.

Der Bekleidungs- oder Schuhkauf im Internet ist ein ganz heißes Eisen, denn alleine schon durch die unterschiedliche Ausprägung der verschiedenen Größen kann es hier zu enormen Retouren kommen. Zudem müssen die Anbieter auch noch intensiv an der Visualisierung arbeiten. Oft erscheinen auch die Farben eines Bekleidungsstücks auf dem Computer- oder Tablet- Bildschirm ganz anders als sie dann in Wirklichkeit aussehen.

Dem amerikanischen Patentamt wurde bereits im Jahr 2010 ein Patent von Amazon CEO Jeff Bezos vorgelegt. Der Inhalt des Patentes, das aus dem Jahr 2006 datiert: Ein computergestütztes Datensystem, das einen Speicher besitzt, um bei Amazon bestellte Geschenke noch vor dem Erhalt umtauschen zu können. Jeder Amazon-Kunde könnte über einen Filter festlegen, dass alle Geschenke von einer bestimmten Person nicht ausgeliefert, sondern automatisch in Geschenkgutscheine verwandelt werden. Kein ungewolltes Präsent erreicht den Empfänger – keine Retoure den Händler. Aktiviert wurde das Datensystem von Amazon bislang jedoch noch nicht.

Auch gibt es Online-Händler, wie beispielsweise BestSecret.com die auf ihrer Webseite darauf aufmerksam machen, dass bei einer niedrigen Retourenquote des Kunden (< 10%) der Versand kostenfrei ist.

Zalando hatte im vergangenen Jahr Dauerretournierer via E-Mail darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Rücksendequote überdurchschnittlich hoch sei. Das führte dazu, dass die empfindlichen Kunden sich ärgerten und in Internet-Foren ihrem Ärger Luft machten. Folge: Zalando beendete mittlerweile dies Aktion wieder. Wobei gerade bei Zalando vermutet wird, dass die besonders hohe Rücksendequote dazu führt, dass der Internet-Anbieter aus den roten Zahlen nur schwer herauskommt.

Das neue EU-Recht, das Ende 2013 in Kraft treten soll gibt den Händlern die Möglichkeit, die Kosten der Warenrücksendung künftig auf den Kunden zu übertragen, indem sie eine Rücksendegebühr erheben. Das jedoch wird wohl an der Retourenquote wenig ändern. Dieter Urbanke, Vorsitzender der Geschäftsführung Hermes Fulfillment meint, dass trotzdem alles beim Alten bleiben wird: „Wer will als Händler schon Kunden an die Konkurrenz verlieren. Die Rentabilität „steht und fällt mit dem Retourenmanagement“.

„Retouren gehören zum Geschäft“, sagt Christoph Wenk-Fischer, Chef des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels (BVH). „Wenn wir uns nicht so kulant verhielten, würde es nicht so boomen.“