Amazon Deutschland schraubt an den Versandkosten mit neuem Plus-Programm

Benjamin Böge studiert E-Commerce im 1. Mastersemester an der FH Wedel. Schon während des Studiums hat er in einem längeren Praktikum Erfahrungen im E-Commerce-Bereich gesammelt. In Zukunft möchte er die Branche mit neuen Ideen voranbringen und Web-Shops noch mehr auf die Bedürfnisse der Kunden ausrichten.

Und Böge scheint sich wirklich auszukennen. In einem guten Beitrag in seinem Blog webzapper.de hat er bereits vor einer Woche Amazons heimlich still und leise eingeführtes Plus-Programm vorgestellt.

Amazon Deutschland schraubt an den Versandkosten mit neuem Plus-Programm
Amazon Deutschland schraubt an den Versandkosten mit neuem Plus-Programm 1

Doch der Reihe nach

Regelmäßige Amazon-Kunden kennen mit ziemlicher Sicherheit Amazons Prime Programm, das auch von Amazon immer wieder beworben wird. Zu diesem Programm, wo auch jeder über Prime lieferbare Artikel mit einem entsprechenden Icon verziert ist, kann man sich kostenpflichtig anmelden (29,00 Euro Jahresgebühr). In den USA wird das Prime Programm seit kurzem auch monatlich angeboten.

Die Vorteile von Amazon Prime:

  • kostenloser Standard- und Premiumversand
  • Vergünstigung auf den Express-Versand

Für Besteller bedeutet das: Die 20-Euro-Grenze für den Gratisversand fällt weg, sodass man als Amazon Prime Mitglied schon ab einem 1-Cent-Bestellwert keine Lieferkosten zahlt. Ferner wird die Zustellung am folgenden Werktag garantiert, was auch in den meisten Fällen funktioniert.

Für den Händler kann Amazon Prime durchaus zum Minusgeschäft werden. Vor allen dann, wenn Käufer nur einen preiswerten Artikel (geringer als 5,00 Euro) bestellen. Amazon hatte bislang damit wohl kein Problem. Vielleicht auch deshalb, weil mit der Jahresgebühr von 29,00 Euro und der Eventualität, dass Kunden im Prime Programm auch teurere Waren bestellen, die Kosten abgedeckt sind.

Aber etwas muss sich geändert haben im Denken von Amazon. Denn Benjamin Böge entdeckte bei seinen Weihnachtsbestellungen ein Plus-Produkt Symbol neben dem Verkaufspreis (4,98 Euro) eines Artikels, der über Amazon angeboten wurde. Was aber ist das Plus Programm? Und warum hat Amazon sein neu eingeführtes Programm nicht wie sonst üblich bei Neueinführungen intensiv beworben?

Das wird ganz schnell klar, wenn man die Hilfeseite durchliest: Alle als „Plus Produkte” markierten Artikel müssen einem Mindestbestellwert von 20,00 Euro aufweisen. Ein solcher Artikel kann also erst dann geordert werden, wenn der Kunde schon Artikel im Gesamtwert von mindestens 20,00 Euro in seinem Warenkorb hinterlegt hat. Ausgenommen sind Marketplace-Waren, sofern sie nicht über „Versand durch Amazon“ angeboten werden.

Amazon Deutschland schraubt an den Versandkosten mit neuem Plus-Programm
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Doch Vorsicht

Diese Beschränkung darf nicht mit der Versandkostenfreiheit ab 20,00 Euro verwechselt werden! „Normale“ Produkte können ja auch schon bei einem geringen Wert einzeln geordert werden, allerdings kommen dann zum Verkaufspreis noch die Lieferkosten hinzu. Das gibt es bei den Plus Produkten nicht.

Welche Artikel von Amazon zum Plus Produkt deklariert werden, ist noch nicht klar. Doch hat Böge im Sellerforum die Klage einer Marktplatz-Anbieterin gefunden, die sich darüber ärgert, dass eines ihrer Produkte von Amazon automatisch zum Plus Produkt gemacht wird, wenn der Preis unter 5,00 Euro liegt.

Was jedoch noch viel unerfreulicher war: Ein Mitbewerber konnte den Artikel weiterhin ohne das Plus Programm zu einem Preis von 3,95 Euro offerieren. Beide Verkäufer nutzen den Amazon Logistikservice Fulfillment by Amazon (FBA) und sowohl die Produktmaße als auch das Gewicht der beiden Artikel waren ein und dasselbe.

Willkür? Oder hat Amazon gerade erst damit begonnen, sein Plus Programm einzuführen? Scheinbar gibt es Amazon Plus auch nur auf der deutschen Plattform, denn sowohl auf der Amazon.com Webseite als auch in den Helppages findet sich noch kein solches Programm.

Alle Amazon Prime Mitglieder, die vielleicht demnächst auch auf das Plus Programm stoßen, diesen Einzelversand bisher jedoch gratis erhielten und den Artikel nun nicht mal mehr durch Zahlung einer Versandgebühr bekommen können, werden sich wohl überlegen, ob sie im kommenden eine solche Jahresmitgliedschaft wieder abschließen!

Auch wenn Amazon bisher keine Werbung für sein neues Programm gemacht hat, werden die Gründe für das Plus Programm auf den Produktseiten direkt weitergegeben: „ … ein Einzelversand wäre sonst nicht wirtschaftlich“.