Das Luxemburg-Geflecht von Amazon – alles Trickserei so ein US-Senator

Seit einiger Zeit schon sind eBay, Amazon und andere große internationale Unternehmen im Visier der Steuerbehörden. eBay und Amazon versuchen Steuern zu sparen, indem sie unter anderem Niederlassungen in Luxemburg eröffnen.

Amazon zog im Jahr 2005 nach Luxemburg. Der Grund: Steuerersparnis. Und tatsächlich konnte der Internetriese etwa 2 Milliarden Dollar in den letzten Jahren steuerfrei ansparen. Geld, das in den Ausbau des Unternehmens investiert wird. Wie das System Amazon arbeitet, zeigen Nachforschungen der Nachrichtenagentur Reuters in 6 Nationen.

Andere weltweit agierende Konzerne nutzen ebenfalls steuerliche Auswege in Europa. Doch mittlerweile ärgern sich nicht nur die Europäer über das Finanzverhalten der amerikanischen Firmen, auch in den USA macht sich Unmut breit. Der demokratische US-Senator Carl Levin spricht sogar ganz offen von „Tricksereien“.

Möchte man das System Amazon begreifen ist es notwendig, in das Jahr 1998 zurückzugehen. In diesem Jahr übernahm der Konzern Internet-Geschäfte in Deutschland und Großbritannien. Frankreich kam im Jahr 2000 hinzu. Erst einmal wurde wenig dafür getan, die neuen Niederlassungen in das Unternehmen einzubinden.

Selbst der Einkauf wurde in den verschiedenen Ländern individuell organisiert. Ende 1999 wurde dann der Geschäftszweck der britischen Tochter von „Vermarktung und Verkauf von Büchern über das Internet“ in „Bereitstellung von Dienstleistungen für andere Unternehmungen der Gruppe“ geändert. Das bedeutete: Wer nun auf „Amazon.co.uk“ Artikel erwarb, machte Geschäfte mit der US-Tochter mit Sitz in Delaware. Ähnlich lief es im deutschen Business Amazon.de. Die schnell wachsenden europäischen Tochterunternehmen wurden damit zu reinen Verrichtungshelfern. Das heißt, sie waren jetzt zuständig für den Päckchen-Versand und den Kundendienst.

Die vorgenommene Strukturänderung half Amazon allerdings ein Problem zu lösen, das man in den Vereinigten Staaten hatte: Eindämmung der Verluste. 1995 wurde Amazon gegründet und bis zum Jahr 2003 schrieb das Unternehmen in jedem Jahr rote Zahlen. Das war zu der damaligen Zeit, in der die Dotcom-Euphorie herrschte nicht unbedingt untypisch. Damals wurden verstärkt der Aktienkurs sowie das Potential und nicht der Gewinn ins Auge gefasst.

Allerdings stieg bei Amazon der Verlust Ende des Jahres 1999 auf über eine Milliarde US-Dollar an und die Zweifel mehrten sich, ob  es jemals möglich sein würde, diese hohe Summe steuermindernd einsetzen können.

Durch die Neustrukturierung der Amazon-Töchter in Europa konnte man die Verluste in den USA jedoch mit den Übersee-Gewinnen verrechnen. Amazon musste auf seine Auslandserlöse in den USA keine Steuern bezahlen, so der US-Steuerrechtsexperte Stephen Shay.

Im Jahr 2003, als Amazon in den USA beachtliche Gewinne generierte, änderte sich die Situation. Es bestand jetzt die Gefahr, dass die Auslandserträge die weltweite Steuerrechnung der Gruppe nach oben anschwellen lassen würden, so Shay weiter. Denn die Steuersätze auf Unternehmensgewinne seien in den USA höher gewesen als in anderen Ländern wie beispielsweise in Großbritannien. Für diese Angelegenheit musste rasch eine Lösung gefunden werden. Luxemburg bot sich an.

Unternehmensgewinne werden dort zwar mit 29% belastet, doch unter bestimmten Umständen werden Einkünfte, die mit geistigem Eigentum erzielt werden, bis zu 80% von der Bemessung des zu versteuernden Gewinns ausgenommen, erklärt ein Regierungssprecher. Die effektive steuerliche Belastung kann hierdurch unter 6% sinken. Steuerexperten erklären, dass sogar knapp 0% möglich seien, wenn weitere Methoden zur Steueroptimierung ergriffen würden.

Im Juni 2003 meldete Amazon im Großherzogtum die „Amazon Services Europe SARL“ an. Vier Wochen später wurden in Großbritannien die Geschäftsbedingungen geändert: Verträge mit Dritt-Anbietern, die Amazon zur Abwicklung ihrer Transaktionen nutzten, wurden nun über Luxemburg und nicht mehr über die USA abgewickelt.

Im Juni 2004 wurde in Luxemburg ein weiteres Unternehmen ins Leben gerufen: Die „Amazon Europe Holding Technologies“ mit dem Geschäftszweck, Anteile von Amazon-Töchtern zu halten und den Gebrauch von geistigem Eigentum wie Patenten und Lizenzen zu regulieren. Wie ein Luxemburger Regierungssprecher mitteilte, wurde die Firma als „Société en Commandite Simple“ (SCS) gegründet, eine Gesellschaftsform, die von der Einkommensteuer befreit ist. Angestellte waren in Luxemburg nicht vor Ort. Es gab nur eine Adresse in einem Wohngebiet.

Im Juli 2004 dann die Gründung einer 3. Firma, die „Amazon EU SARL“, mit dem Hauptzweck: „Verkauf, Versteigerung, Verpachtung oder sonstiger Vertrieb von Produkten aller Art“. Ein Problem gab es allerdings: Die „Amazon Europe Holding Technologies“ besaß zum damaligen Zeitpunkt keine Technologie, die man hätte lizenzieren können. Die Amazon-Patente, darunter die Marke selbst und ihre „1-Click“-Bestellsoftware, lagen bei Amazon Technologies Inc., einer Tochter, die im US-Bundesstaat Nevada erfasst war.

Anfang 2005 wurde zur Lösung des Hindernisses ein firmeninternes Geschäft ausgeführt. Einzelheiten hierzu wurden nie öffentlich. Man erfuhr nur in einer Analysten-Telefonkonferenz von Amazons CFO Tom Szkutak, dass beim Aufbau der Aktivitäten in Luxemburg „gewisse Teile des Betriebsvermögens“ verschoben worden sind. Das würde zwar  die Steuerrechnung des Unternehmens um 58 Millionen US-Dollar erhöhen, auf lange Sicht aber zu Ersparnissen führen. Im Resultat hat das Luxemburg-Geflecht dazu beigesteuert, dass Amazon in den vergangenen 5 Jahren in den USA durchschnittlich 5,3% Steuern auf seine Auslandsgewinne bezahlt hat, was einem Viertel weniger als der normalen Belastung auf den wichtigsten Auslandsmärkten entspricht.

Die Bilanzen zeigen, dass die Amazon Europe Holding Technologies an die Amazon Technologies Inc. in Nevada ab dem Jahr 2005 jährlich 300 Millionen Dollar abgeführt hat. In der gleichen Periode nahm Amazon Europe Technologies pro Jahr bis zu 583 Millionen Euro von den europäischen Töchtern des Konzerns ein. Hätte Amazon das Geld in die USA transferiert und die US-amerikanische Unternehmenssteuer abgeführt, dann wären es 700 Millionen Dollar an steuerlicher Belastung gewesen. Der Differenzbetrag jedoch blieb in Luxemburg zurück und über die Zeit hat Amazon damit dort steuerfrei über 2 Milliarden Dollar angespart.

Amazon musste indes aus seiner Briefkastenfirma, der „Amazon Europe Holding Technologies“, ein wirkliches Unternehmen machen.

Ende 2005 hatte der Konzern lediglich ein Dutzend Mitarbeiter vor Ort. Im Februar 2006 wurde das Eigentum an den Geschäften in Großbritannien, Deutschland und Frankreich auf die Amazon EU SARL übertragen. Die Rechte an den Internet-Domänen in Großbritannien und Frankreich auf die Amazon Europe Holding Technologies. Ferner wurden leitende Angestellte aus den USA nach Luxemburg versetzt, mehr inländische Mitarbeiter eingestellt und intern fing man damit an, von der Europa-Zentrale zu sprechen.

Mit dem Anwachsen der Geldmittel der Amazon Europe Holding Technologies fing man jetzt an, Gelder an die Amazon EU SARL zu verleihen. Damit wurden Erweiterungspläne bezuschusst und ab 2005 bis zu 45 Millionen Euro jährlich an Zinsen vereinnahmt, steuerfrei versteht sich. Aktuell beschäftigt Amazon in Luxemburg 300 Mitarbeiter und mehrere 10.000 Angestellte verteilt über ganz Europa. Im Oktober 2012 zog man in ein neues Gebäude um.

Im Jahr 2011 teilte Amazon mit, dass die US-amerikanische Bundessteuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) eine Nachzahlung von 1,5 Milliarden Dollar fordert. Eine Erklärung zu den Angelegenheiten lehnte Amazon USA ab. Schriftlich erläuterte ein Sprecher nur: „Amazon bezahlt alle anfallenden Steuern in allen Ländern, in denen wir aktiv sind.“ Ein ähnliches Statement gab es unlängst auch von eBay.

Alle strategischen Funktionen für unser europäisches Business sind in Luxemburg beheimatet, so Amazon’s head of public policy, Andrew Cecil im November 2012.

Zu Hause in den USA ist das IRS, die Bundessteuerbehörde, allerdings weniger überzeugt davon.