Plattformhaftung bei Amazon: Wettbewerbszentrale klagt erneut
Die Wettbewerbszentrale hat vor dem Landgericht Frankfurt am Main Klage gegen Amazon eingereicht. Im Kern geht es um die Frage, ob Amazon verpflichtet ist, nach Hinweisen auf Wettbewerbsverstöße künftig gleichartige Rechtsverletzungen proaktiv zu verhindern. Der Fall zur Plattformhaftung bei Amazon könnte weitreichende Folgen für die Plattformhaftung im E-Commerce haben.
Plattformhaftung bei Amazon – Hintergrund des Verfahrens
Inhaltsverzeichnis
Auslöser der Klage sind wettbewerbswidrige Angebote auf dem Amazon Marketplace. Drittanbieter, teils aus dem Ausland, hatten Produkte mit irreführenden Angaben beworben – etwa mit der veralteten Energieeffizienzklasse „A++“ oder der fälschlichen Kennzeichnung als „wasserdicht“, obwohl lediglich Spritzwasserschutz bestand. Nach Hinweisen der Wettbewerbszentrale entfernte Amazon die beanstandeten Angebote.
Kurze Zeit später tauchten jedoch erneut gleichartige Verstöße auf. Nach Ansicht der Wettbewerbszentrale hätte Amazon nicht nur die ursprünglichen Inhalte löschen („Notice and Take Down“), sondern auch zukünftige Wiederholungen verhindern müssen („Notice and Stay Down“).
Notice and Stay Down: Streit um Plattformpflichten
Das sogenannte „Notice and Stay Down“-Prinzip stellt eine Weiterentwicklung des bekannten „Notice and Take Down“-Verfahrens dar. Während letzteres lediglich die Entfernung gemeldeter Inhalte verlangt, fordert „Stay Down“ von Plattformbetreibern zusätzlich, vergleichbare Verstöße künftig eigenständig zu unterbinden.
Die Wettbewerbszentrale argumentiert, dass nur auf diesem Weg fairer Wettbewerb im digitalen Handel gewährleistet werden könne. Angesichts zahlreicher internationaler Anbieter auf Plattformen wie Amazon sei es für rechtskonforme Unternehmen unzumutbar, immer wieder auf dieselben Verstöße hinzuweisen.
Vorangegangene Rechtsprechung stärkt Position
Bereits Ende 2023 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt im Rahmen eines ähnlichen Verfahrens zur Plattformhaftung bei Amazon eine erweiterte Prüfpflicht von Amazon bejaht. Nach Auffassung des Gerichts sei Amazon verpflichtet, wettbewerbsrechtswidrige Inhalte nicht nur nach Meldung zu entfernen, sondern auch proaktiv gleichartige Verstöße zu verhindern (Az. 6 U 154/22).
Allerdings kam es nicht zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den Bundesgerichtshof (BGH), weil Amazon vor Abschluss des Revisionsverfahrens seine Unternehmensstruktur änderte. Die Frage der endgültigen rechtlichen Einordnung blieb somit offen.
Bedeutung für den E-Commerce
Die aktuelle Klage der Wettbewerbszentrale könnte ein Grundsatzurteil zur Plattformhaftung im E-Commerce herbeiführen. Sollte das Landgericht Frankfurt die Prüfpflichten von Plattformbetreibern erweitern, müssten Marktplätze wie Amazon technische und organisatorische Maßnahmen einführen, um Wiederholungen identischer Rechtsverstöße zu unterbinden.
Für Händler auf Amazon hätte dies unmittelbare Auswirkungen: Plattformen könnten strengere Kontrollen und automatisierte Filtersysteme einsetzen, um irreführende Produktangaben zu verhindern. Auch eine verstärkte Verantwortung für Produktdaten und Angebotsprüfungen wäre denkbar.
Herausforderungen bei internationalen Anbietern
Besonders problematisch ist die Situation bei Drittanbietern aus dem Ausland. Diese treten häufig ohne feste juristische Präsenz im europäischen Rechtsraum auf, wodurch Durchsetzungsmaßnahmen erschwert werden. Plattformen geraten deshalb zunehmend in die Pflicht, wettbewerbskonforme Strukturen sicherzustellen.
Die Wettbewerbszentrale betont, dass ohne klare Plattformhaftung ein ungleiches Spielfeld entstehe: Während einheimische Händler streng reguliert werden, können ausländische Anbieter durch irreführende Angaben Wettbewerbsvorteile erzielen.
Signalwirkung über Amazon hinaus
Der Ausgang des Verfahrens zur Plattformhaftung bei Amazon wird über das Unternehmen hinaus Wirkung entfalten. Auch andere Plattformen wie eBay, Temu oder Shein könnten künftig verpflichtet werden, nicht nur auf Meldungen zu reagieren, sondern Wiederholungsfälle präventiv zu unterbinden. Ein mögliches Urteil könnte die Rahmenbedingungen des Onlinehandels nachhaltig verändern.
Eine Entscheidung des LG Frankfurt wird im Laufe des Jahres 2025 erwartet. Bei weiterem Streitpotenzial ist nicht ausgeschlossen, dass der Fall erneut vor höhere Instanzen getragen wird – möglicherweise bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), wenn unionsrechtliche Fragen zur Digital Services Regulation (DSA) betroffen sind.
Faktenbox
| Plattformhaftung bei Amazon | |
|---|---|
| Verfahrensbeteiligter | Wettbewerbszentrale vs. Amazon |
| Gericht | Landgericht Frankfurt a.M. |
| Kernfrage | Pflicht zum „Notice and Stay Down“ |
| Rechtsgrundlage | UWG, Plattformhaftung |
| Vorinstanzliche Haltung | OLG Frankfurt bejahte Prüfpflicht (2023) |