Finanzierung und Liquidität im Onlinehandel – Herausforderungen und Lösungen

Finanzierung und Liquidität sind für Onlinehändler – von kleinen Webshops bis zu großen Marktplatzhändlern – derzeit ein zentrales Thema. Nach dem Boom der Pandemie sind die Umsätze im E-Commerce teilweise rückläufig, während Kosten und Zinsen steigen. Onlinehändler stehen vor der Herausforderung, hohe Lagerbestände zu finanzieren, lange Zahlungsziele von Geschäftskunden zu überbrücken und steigende Finanzierungskosten zu bewältigen. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die aktuellen Entwicklungen und gibt sachliche, nicht-verkaufsfördernde Handlungsempfehlungen, um die Liquidität zu verbessern und die Finanzierung solide zu gestalten.

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Finanzierung und Liquidität im Onlinehandel – Herausforderungen und Lösungen

Aktuelle Herausforderungen für Finanzierung und Liquidität

Viele Onlinehändler spüren eine Abkühlung der Nachfrage. Hohe Inflation und verändertes Konsumverhalten haben dazu geführt, dass Verbraucher weniger ausgeben – im Jahr 2023 gingen die Umsätze im deutschen Internet- und Versandhandel preisbereinigt um 3,9 % zurück. Dieser Nachfragerückgang trifft Online-Shops besonders hart, da viele während der Pandemie stark gewachsen sind. Nun stehen sie vor vollen Lagern und niedrigerem Absatz. Gleichzeitig steigt der Druck durch höhere Kosten: Rezession und Zinswende nehmen die Unternehmen von mehreren Seiten in die Zange – die Geschäfte laufen schlechter, gleichzeitig erhöhen sich die Kosten. Im Folgenden die wichtigsten Problemfelder im Überblick.

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Hohe Lagerbestände binden Kapital

In den letzten Jahren haben viele Händler ihre Lager kräftig aufgestockt – oft zu hohen Einkaufspreisen während gestörter Lieferketten. Nun ist die Nachfrage gesunken, und in den vollen Lagern steckt viel gebundenes Kapital. Volle Lagerbestände binden Kapital, das dann nicht für andere Investitionen zur Verfügung steht.

Ein Brancheninsider fasst die Lage so zusammen: „Die Lager wurden zu hohen Preisen gefüllt, aber die Nachfrage ist gesunken. Zusätzlicher Druck kommt von den gestiegenen Zinsen.“. Für Händler bedeutet das eine doppelte Belastung – neben dem Wertverlust der Ware durch notwendigen Abverkauf zu Rabatten steigen auch die Zinskosten für das in Warenbeständen gebundene Kapital. Hohe Lagerkosten wirken sich direkt negativ auf die Liquidität aus, da Geld im Vorrat steckt statt auf dem Konto verfügbar zu sein.

Lange Zahlungsziele und Zahlungsverzug

Viele Onlinehändler verkaufen nicht nur an Endkunden, sondern auch an Geschäftskunden (B2B) oder Marktplätze, wo längere Zahlungsziele üblich sind. Aktuelle Daten zeigen, dass Unternehmen ihren Kunden zuletzt wieder längere Zahlungsfristen einräumen mussten – im 2. Halbjahr 2023 durchschnittlich 32,05 Tage Zahlungsziel (nach 29,93 Tagen im 1. Halbjahr). Für Lieferanten bedeutet das: offene Forderungen stehen länger aus, was die eigene Liquidität belastet.

Zusätzlich hat sich die Zahlungsmoral verschlechtert. Die Verzugsdauer überfälliger Rechnungen lag Anfang 2023 bei durchschnittlich 10,8 Tagen und ist damit gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Mit anderen Worten: Kunden zahlen ihre Rechnungen nicht nur später, sie überschreiten auch häufiger die vereinbarten Zahlungsziele. Dieser Trend stellt besonders kleinere Händler vor Liquiditätsengpässe, wenn zahlungsunwillige Kunden das Betriebsvermögen als kostenlosen Kredit nutzen. Zahlungsausfälle oder sehr spät eintreffende Zahlungen können schnell die eigene Zahlungsfähigkeit gefährden, da Ausgaben wie Wareneinkauf, Gehälter oder Miete weiterlaufen.

Steigende Finanzierungskosten durch Zinsanstieg

Nach Jahren extrem niedriger Zinsen hat sich das Finanzierungsumfeld grundlegend geändert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat seit Juli 2022 den Leitzins zehnmal angehoben – von 0 auf 4,5 %. Diese historische Zinswende verteuert Kredite und Kontokorrentlinien erheblich. Für Onlinehändler bedeutet das: laufende Kredite werden teurer, neue Darlehen für Betriebsmittel oder Wachstum sind kostspieliger und schwerer zu erhalten. Die Zinswende im Euroraum hat 2023 die Finanzierungskosten deutscher Unternehmen deutlich erhöht, was den Spielraum für Investitionen und Wareneinkauf einschränkt. Viele Händler reagieren bereits – laut Bundesbank sank 2023 der Anteil der Firmen, die Kredite nachfragen, deutlich, da die hohen Zinsen abschrecken.

Neben Kreditzinsen sind auch andere Finanzierungskosten gestiegen: z.B. Factoring-Gebühren oder Gebühren für Zahlungsdienstleister, die sich an den Zinsniveaus orientieren. Steigende Finanzierungskosten belasten die Gewinnmargen und verschlechtern wichtige Kennzahlen (wie Zinsdeckungsgrad), was wiederum die Bonität beeinträchtigen kann. Insgesamt bringen hohe Zinsen Unternehmen in eine schwierige Lage, da Umsätze stagnieren, aber die Kosten steigen.

Finanzierung und Liquidität sichern – Handlungsempfehlungen für Onlinehändler

Angesichts dieser Herausforderungen sollten Onlinehändler aktiv ihr Liquiditätsmanagement betreiben und ihre Finanzierungsstruktur anpassen. Folgende Maßnahmen und Tipps helfen, Finanzierung und Liquidität nachhaltig zu verbessern.

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Bestandsmanagement optimieren

Überprüfen Sie Ihre Lagerbestände kritisch. Reduzieren Sie Überbestände durch Abverkaufsaktionen oder Rabatte, auch wenn dies kurzfristig Marge kostet – wichtiger ist, gebundenes Kapital freizusetzen. Ein schlankes Lager erhöht die Liquidität, da weniger Kapital in Waren steckt. Setzen Sie auf bedarfsgerechte Disposition: Passen Sie Nachbestellungen an die aktuelle Nachfragesituation an, um kein neues Überlager aufzubauen. Durch eine sorgfältige Planung der Lagerhaltung lässt sich die Liquidität erheblich verbessern. Nutzen Sie ggf. Drop-Shipping oder Just-in-Time-Lieferungen durch Lieferanten, um Lagerkosten zu senken.

Forderungsmanagement verbessern

Stellen Sie sicher, dass Rechnungen zeitnah gestellt werden und überwachen Sie systematisch alle offenen Forderungen. Nutzen Sie Skonto als Anreiz für schnellere Zahlungen Ihrer Kunden – ein kleiner Rabatt für Zahlung innerhalb von z.B. 10 Tagen kann die Zahlungseingänge beschleunigen. Richten Sie ein automatisiertes Mahnwesen ein, um säumige Zahler sofort zu erinnern.

Bei B2B-Kunden lohnt es sich, Bonitätsprüfungen durchzuführen und individuelle Kreditlimits zu setzen, um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Factoring kann eine Option sein: Dabei verkaufen Sie offene Forderungen an einen Dienstleister (z. B. eine Bank oder Factor-Gesellschaft) und erhalten sofort Liquidität. Zwar kostet Factoring eine Gebühr, aber es verbessert unmittelbar den Cashflow und schützt vor Ausfallrisiken. Wichtig ist, die Kosten-Nutzen abzuwägen und Factoring nur gezielt für längerfristige Forderungen oder größere Abnehmer einzusetzen.

Kreditorenmanagement ausreizen

Nutzen Sie auf der Einkaufsseite gezielt die Zahlungsfristen Ihrer Lieferanten aus. Zahlen Sie Rechnungen fristgerecht, aber nicht zu früh – jeder Tag länger, den das Geld auf Ihrem Konto bleibt, verbessert die Liquidität. Verhandeln Sie wo möglich längere Zahlungsziele mit Lieferanten, insbesondere wenn Ihr Unternehmen bisher verlässlich gezahlt hat. Lieferanten sind in schwierigen Zeiten oft bereit, entgegenzukommen, um Geschäftsbeziehungen zu halten.

Allerdings sollte man die eigenen Partner nicht überfordern: Eine offene Kommunikation über beidseitige Bedürfnisse (Skonto vs. längeres Ziel) kann Win-Win-Lösungen ergeben. Prüfen Sie zudem Einkaufsfinanzierungen oder Finetrading-Angebote: Hier übernimmt ein Finanzierer Ihre Lieferantenzahlung und Sie zahlen ihm später, was den Warenzukauf trotz knappem Betriebskapital ermöglicht (gegen Zinsaufschlag).

Kosten überwachen und variabilisieren

Gerade in Zeiten steigender Preise lohnt ein strenger Blick auf alle Kostenblöcke. Fixkosten (Miete, Personal, Infrastruktur) sollten auf Einsparpotenziale geprüft werden – z.B. Lagerfläche verkleinern, wenn Überbestand abgebaut wurde, oder logistische Abläufe optimieren. Wo möglich, Kosten variabilisieren: etwa mehr auf erfolgsabhängige Marketingausgaben setzen statt fixe Budgets, oder Leasing/ Mieten von Ausstattung statt Kauf, um die Liquidität zu schonen. Senken Sie laufende Ausgaben, die nicht unmittelbar wertschöpfend sind. Jede Kostenreduktion verbessert direkt den Liquiditätssaldo.

Finanzierungsstruktur anpassen

Überprüfen Sie bestehende Kredite und Finanzierungsinstrumente. Bei variabel verzinsten Darlehen kann sich eine Umschuldung auf Fixzinskredite lohnen, um Planungssicherheit zu bekommen – auch wenn die festen Zinsen aktuell hoch sind, schützt dies vor weiteren Zinssteigerungen. Nutzen Sie ggf. öffentliche Förderkredite oder Liquiditätshilfen: Zum Beispiel bieten Förderbanken wie KfW oder L-Bank spezielle Liquiditätskredite für Mittelständler an, um kurzfristigen Finanzierungsbedarf zu decken. Solche Darlehen haben oft günstigere Konditionen oder tilgungsfreie Anlaufzeiten.

Kontokorrent-Kreditlinien (Überziehungslinien) sollten Sie nur für sehr kurzfristigen Bedarf nutzen und so klein wie möglich halten, da hier die höchsten Zinsen anfallen. Stattdessen kann ein zeitlich begrenzter Betriebsmittelkredit sinnvoller sein. Ziehen Sie außerdem alternative Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht: Beteiligungskapital (Investoren), Mezzanine-Kapital oder umsatzbasierte Finanzierungen können je nach Geschäftsmodell helfen, ohne die Liquidität sofort zu belasten. Wichtig ist, eine gesunde Mischung aus Eigenkapital und Fremdfinanzierung zu wahren, um finanziell flexibel zu bleiben.

Liquiditätsplanung und -reserven

Führen Sie eine laufende Liquiditätsplanung ein, wenn noch nicht geschehen. Planen Sie Ihre erwarteten Zahlungsströme (Ein- und Ausgänge) mindestens auf Monatsbasis im Voraus und aktualisieren Sie diese Planung regelmäßig. So erkennen Sie frühzeitig, wann Engpässe drohen, und können gegensteuern. Berücksichtigen Sie Saisonschwankungen (z. B. Weihnachtsgeschäft, Sommerflaute) und legen Sie aus guten Monaten finanzielle Polster für schwächere Perioden zurück.

Eine eiserne Regel: Halten Sie stets einen Liquiditätspuffer für ein paar Monatsausgaben bereit, um unvorhergesehene Ereignisse (wie plötzliche Großreparaturen, Ausfall eines wichtigen Kunden etc.) zu überstehen. Sollte es trotzdem zu einem kurzfristigen Liquiditätsengpass kommen, zögern Sie nicht, frühzeitig mit Ihrer Bank oder Investoren zu sprechen – oft lässt sich durch Stundungen oder eine Zwischenfinanzierung Schlimmeres abwenden. Keine Scheu bei Liquiditätsengpässen: Es ist besser, proaktiv nach Lösungen zu suchen, als abzuwarten.

Anspruchsvolle Rahmenbedingungen für Finanzierung und Liquidität

Onlinehändler müssen sich 2025 auf anspruchsvolle Rahmenbedingungen einstellen: Hohe Lagerbestände, längere Zahlungsziele und steigende Finanzierungskosten erfordern umsichtiges Handeln. Indem Sie Ihre Finanzierung und Liquidität aktiv managen – durch schlankere Lager, straffes Forderungsmanagement, Kostenkontrolle und passende Finanzierungsmix – können Sie die Liquiditätslage stabilisieren. Wichtig ist ein professioneller, vorausschauender Umgang mit den Finanzen: Wer Trends wie Zinsänderungen und Konsumklima im Blick behält und flexibel reagiert, sichert die Zukunft seines Online-Geschäfts auch in herausfordernden Zeiten. Mit solider Liquidität im Rücken lässt sich selbst in einem schwierigeren Marktumfeld handlungsfähig bleiben.

Frank