Deutsche Telekom: Bundesnetzagentur soll Geschäftspraktiken wegen möglicher Netzneutralitätsverstöße prüfen
Ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen, darunter epicenter.works, die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sowie die Juraprofessorin Barbara van Schewick von der Stanford University, hat eine Beschwerde bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Ziel ist es, mögliche Verstöße, die die Deutsche Telekom gegen das europäische Gesetz zur Netzneutralität begangen haben soll, zu untersuchen und für Abhilfe zu sorgen.
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Vorwurf: künstliche Engpässe und bezahlte Überholspuren
Dem Bündnis zufolge schafft die Deutsche Telekom bewusst Engpässe am Eingang ihres Netzes. Diese Engpässe würden genutzt, um von Online-Diensten Zahlungen zu verlangen, damit deren Inhalte schnell und zuverlässig zu den Kunden der Telekom gelangen. Finanzstarke Anbieter können sich diesen bevorzugten Zugang leisten, kleinere Unternehmen und Start-ups hingegen nicht. Dies führe zu einer Zweiklassengesellschaft im Internet und beeinträchtige die Wahlfreiheit der Nutzer.
Auswirkungen auf die Telekom-Kunden
Berichten zufolge kommt es bei zahlreichen Kunden der Deutschen Telekom zu erheblichen Qualitätseinbußen beim Internetzugang. Betroffen sind insbesondere Streaming-Plattformen, berufliche Cloud-Dienste, E-Learning-Angebote, Online-Gaming sowie Videoanrufe. Seiten laden langsam oder bleiben gänzlich unzugänglich. Dies widerspricht dem Versprechen eines diskriminierungsfreien Internetzugangs, für den Kunden bereits durch ihre Verträge zahlen.
Verstoß gegen das europäische Netzneutralitätsgesetz
Nach Ansicht der Beschwerdeführer verletzt die Deutsche Telekom das Verbot bezahlter Überholspuren sowie das Recht der Nutzer, Inhalte und Dienste frei wählen zu können. Während andere Anbieter in Deutschland auftretende Netzengpässe durch Ausbau beseitigen, nutzt die Telekom diese Engpässe gezielt für zusätzliche Einnahmen. Dabei verlangt sie Zahlungen sowohl von ihren eigenen Kunden als auch von den Online-Diensten.
Internationale und europäische Regulierung als Grundlage
Die Beschwerde stützt sich auf geltendes europäisches Recht zur Netzneutralität, das auch in Deutschland unmittelbar gilt. Ergänzend berufen sich die Initiatoren auf den Bericht des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (BEREC) aus Dezember 2024. Darin wurden Praktiken wie die der Deutschen Telekom als mögliche Verstöße eingestuft. Auch die schweizerische Telekom-Aufsicht ComCom lehnte im Dezember 2024 das Modell der doppelten Abkassierung ab und untersagte die Erhebung von Gebühren von Inhaltsanbietern.
Forderungen an die Bundesnetzagentur
Das Bündnis fordert von der Bundesnetzagentur, die Geschäftspraktiken der Deutschen Telekom umfassend zu untersuchen und gegebenenfalls zu unterbinden. Ziel ist es, einen diskriminierungsfreien Zugang zum gesamten Internet sicherzustellen und die freie Informations- und Meinungsäußerung im digitalen Raum zu gewährleisten.
Bedeutung der Netzneutralität für die digitale Gesellschaft
Netzneutralität bildet die Grundlage für ein freies und offenes Internet. Nur wenn Inhalte unabhängig von finanziellen Interessen gleichberechtigt zugänglich sind, kann die digitale Meinungsvielfalt erhalten bleiben. Eingriffe wie bezahlte Überholspuren gefährden Innovation, Wettbewerb und demokratische Grundrechte. Eine Einschränkung der Netzneutralität durch die Deutsche Telekom könnte langfristig zu höheren Kosten für Nutzer und einem eingeschränkten digitalen Angebot führen.