Koalitionsvertrag 2025 im Check: Auswirkungen auf Einzel-, Groß- und Onlinehandel

Der Koalitionsvertrag 2025 der neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD enthält zahlreiche Vorhaben, die direkte oder indirekte Auswirkungen auf den stationären Einzelhandel, den Großhandel sowie den Onlinehandel in Deutschland haben können. Von Maßnahmen zur Stärkung der Innenstädte über Bürokratieabbau bis hin zu internationalen Freihandelsabkommen spannt sich ein breites Spektrum an Plänen. Nachfolgend werden die wichtigsten vorgesehenen Änderungen vorgestellt und die ersten Reaktionen der Handels- und Wirtschaftsverbände vom 9. und 10. April 2025 zusammengefasst.

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Koalitionsvertrag 2025: Weichenstellungen für Einzelhandel, Großhandel und Onlinehandel

Stationärer Einzelhandel im Fokus der Politik

Der Koalitionsvertrag erkennt die zentrale Bedeutung des stationären Einzelhandels für lebendige Innenstädte ausdrücklich an. Wörtlich heißt es: „Wir brauchen den stationären Einzelhandel für lebendige Innenstädte, wirtschaftliche Stabilität und soziale Teilhabe. Der Handel braucht faire Wettbewerbsbedingungen.“. Um Innenstädte vor „zunehmenden Leerständen“ zu bewahren, will die Regierung unter anderem auf europäischer Ebene eine Fortführung der Städtebauförderung erreichen. Geplant ist etwa, erfolgreiche Programme wie „Resiliente Innenstädte“ und „Perspektive Innenstadt!“ mit Hilfe von EU-Fördermitteln weiterzuführen, um Innenstädte zu revitalisieren und Leerstand zu bekämpfen.

Ein zentrales Anliegen im Koalitionsvertrag ist zudem der Schutz des heimischen Einzelhandels vor unfairer Konkurrenz durch extrem billige Importwaren. Im Koalitionsvertrag wird versprochen, den Einzelhandel „vor unlauterem Wettbewerb aufgrund der Flutung durch billige Konsumgüter aus Fernost“ zu schützen. Dazu will die Regierung ein „level playing field“ durchsetzen, bei dem alle Marktakteure – auch außerhalb der EU – die gleichen hohen Standards einhalten müssen.

Gerade Plattformen aus Drittstaaten sollen stärker in die Pflicht genommen werden: Bei der anstehenden Reform der EU-Zollunion sollen Vorschläge für den E-Commerce bevorzugt behandelt werden. Erfüllen internationale Online-Händler dabei ihre Pflichten (z.B. bei Zoll und Steuern) nicht, „werden die Accounts ihrer Onlinehandelsplattformen gesperrt.“ Diese klare Ansage zielt darauf ab, unlautere Praktiken auf Online-Marktplätzen zu unterbinden und den Wettbewerb zwischen Online- und Offline-Handel fairer zu gestalten.

Entlastungen bei Steuern und Bürokratie

Handelsunternehmen – ob groß oder klein – sollen von verschiedenen steuerlichen und bürokratischen Erleichterungen profitieren. Eine wichtige Maßnahme im Koalitionsvertrag ist die geplante Umstellung der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell: „Um Unternehmen von Bürokratie zu entlasten, werden wir gemeinsam mit den Ländern die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell umstellen.“ Das bedeutet, dass Importeure (etwa Großhändler oder Onlinehändler) die fällige Umsatzsteuer auf Einfuhren künftig nicht mehr sofort zahlen müssen, sondern verrechnen können – was die Liquidität und den Aufwand deutlich verbessert.

Auch Dokumentationspflichten und Berichtspflichten für Unternehmen will die Koalition laut Koalitionsvertrag rigoros reduzieren. „Wir werden Dokumentationspflichten insbesondere für Handwerk, Einzelhandel, Landwirtschaft, Gastronomie und Hotellerie abbauen.“, heißt es im Vertrag. Künftig soll weniger regelmäßig nachgewiesen werden müssen; stattdessen setzt man stärker auf das Sanktionieren tatsächlicher Verstöße, anstatt alle Betriebe mit ständigen Meldungen und Statistiken zu belasten. Doppelstrukturen in der Bürokratie – zum Beispiel bei Statistikämtern – sollen abgebaut werden, um den Unternehmen Zeit und Kosten zu sparen.

Im Bereich Arbeitsrecht plant die Koalition mehr Flexibilität zugunsten der Unternehmen: Man will „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen“. Gleichzeitig soll die Vertrauensarbeitszeit ohne verpflichtende Arbeitszeiterfassung erhalten bleiben. Dieses Zugeständnis ermöglicht es insbesondere dem Handel mit seinen schwankenden Kundenfrequenzen, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten.

Steuerlich profitieren soll die Wirtschaft von der angekündigten Senkung der Körperschaftsteuer sowie der Einführung zusätzlicher Abschreibungsmöglichkeiten, die Investitionen ankurbeln sollen. Allerdings weist der Koalitionsvertrag auch erst ab 2028 eine umfassendere Unternehmensteuerreform aus – ein Punkt, der in der Wirtschaft als zu spät kritisiert wird (dazu unten mehr). Positiv hervorgehoben wird die Absenkung von Energiekosten, z.B. durch eine Reduzierung der Stromsteuer, was insbesondere energieintensiven Handelsbereichen zugutekommt).

Großhandel und Außenhandel: Freihandel als Strategie

Der Großhandel und der Außenhandel stehen in dem Regierungsprogramm ebenfalls im Fokus. Die Regierung betont eine „pragmatische und regelbasierte Handelspolitik“ auf EU-Ebene und will neue internationale Abkommen vorantreiben. Konkret strebt Deutschland an, mehrere Freihandels- und Investitionsabkommen rasch abzuschließen bzw. zu ratifizieren. Dazu zählen etwa das bereits unterzeichnete EU-Rahmenabkommen mit Chile, die Freihandelsabkommen mit dem Mercosur-Bündnis in Südamerika sowie mit Mexiko. Auch die laufenden Verhandlungen über Freihandelsverträge mit Indien, Australien und den ASEAN-Staaten sollen aktiv unterstützt und zum Abschluss gebracht werden. Mittelfristig steht sogar wieder ein Freihandelsabkommen mit den USA auf der Agenda; kurzfristig setzt man hier zunächst auf gegenseitige Zollsenkungen, um Konflikte zu vermeiden.

Parallel dazu bekennt sich die Koalition zum WTO-Handelssystem und verlangt Reformen, um global fairen Wettbewerb (Stichwort „level playing field“) herzustellen. Der deutsche Groß- und Außenhandel soll durch diese internationalen Öffnungsschritte profitieren, indem neue Absatzmärkte erschlossen und bestehende Handelshemmnisse abgebaut werden. Für Importeure sind – neben der erwähnten Änderung bei der Einfuhrumsatzsteuer – auch strengere Kontrollen geplant, damit alle im Ausland ansässigen Online-Händler die EU-Vorschriften etwa bei Produktstandards, Zöllen und Steuern einhalten. Damit reagiert der Vertrag auf Beschwerden, dass manche Billiganbieter bisher Schlupflöcher ausnutzen.

Reaktionen aus Handel und Wirtschaft

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Koalitionsvertrag 2025 im Check: Auswirkungen auf Einzel-, Groß- und Onlinehandel

Handelsverband Deutschland (HDE)

Die ersten Reaktionen der Branchen- und Wirtschaftsverbände auf den Koalitionsvertrag fielen gemischt aus – es gab Lob für wichtige Impulse, aber auch Kritik an versäumten Chancen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) spricht von Licht und Schatten aus Sicht des Einzelhandels. HDE-Präsident Alexander von Preen lobte insbesondere den Bürokratieabbau und das erkennbare Bewusstsein für unlauteren Wettbewerb durch internationale Plattformen: „Der Koalitionsvertrag beinhaltet viele richtige und wichtige Dinge. Der Bürokratieabbau beispielsweise muss im Fokus der kommenden Bundesregierung stehen. Klar erkannt ist auch der unfaire Wettbewerb mit Blick auf Plattformen wie Temu aus Drittstaaten außerhalb der EU, da müssen wir aber rasch in die Umsetzung von Gegenmaßnahmen kommen. Und auch bei den Stromkosten tut sich mit der Reduzierung der Stromsteuer endlich etwas.“

Gleichzeitig monierte der HDE fehlende konkrete Hilfen für die kriselnden Innenstädte und kritisierte die politische Vorgabe eines Mindestlohns von 15 Euro ab 2026. Eine solch starre Lohnuntergrenze sieht der Verband als Eingriff in die Tarifautonomie und warnt vor negativen Folgen: „Staatliche Einmischungen beim Mindestlohn produzieren nur Verlierer: Die Wirtschaft, weil sie weiter an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt und die Menschen in unserem Land, die mit höheren Preisen und wachsender Arbeitsplatzunsicherheit leben müssen“, so von Preen.

Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen

Auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) begrüßt viele Passagen des Koalitionsvertrags, mahnt aber schnelle Umsetzung an. „Dieser Koalitionsvertrag ist ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten. Deutschland braucht eine handlungsfähige und handlungswillige Bundesregierung, jetzt mehr denn je.“ erklärte BGA-Präsident Dr. Dirk Jandura am 09.04.2025. Ausdrücklich lobte der BGA die geplante Senkung der Unternehmenssteuern und Energiekosten sowie die beschleunigten Genehmigungsverfahren bei Infrastrukturprojekten. Besonders erleichtert zeigte sich der Großhandelsverband über die sofortige Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, die im Koalitionsvertrag angekündigt wird: „Die sofortige Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ist wirklich ein Lichtblick.

Der Abbau von bürokratischen Hemmnissen steht ganz oben auf unserer Forderungsliste.“. Kritisch sieht der BGA jedoch – ähnlich wie der HDE – die im Vertrag erwähnte Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, was Jandura als „erneuten Eingriff in die Tarifautonomie“ ablehnt. Insgesamt fehle im arbeits- und sozialpolitischen Kapitel „der unbedingte Reformwille“, so Jandura, etwa bei der Senkung hoher Sozialabgaben oder der dringenden Stabilisierung der Rente. Mit Blick auf die angekündigten US-Strafzölle (Stichwort Handelskrieg) fordert der BGA-Präsident überdies schnelles Handeln der Regierung: Die Entlastungen für Unternehmen müssten „möglichst schnell umgesetzt“ werden und zusätzliche Freihandelsabkommen mit Nachdruck verfolgt werden.

Industrieverband BDI

Von den allgemeinen Wirtschaftsverbänden kamen ebenfalls gemischte Bewertungen zum Koalitionsvertrag. Der Industrieverband BDI sprach von wichtigen Ansätzen für Investitionen und Wachstum, merkte aber an, dass die steuerliche Entlastung der Unternehmen „deutlich später als notwendig“ komme. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner lobte den zügigen Abschluss der Verhandlungen als richtiges Signal, betonte aber, dass jetzt eine rasche und entschlossene Umsetzung folgen müsse.

Deutsche Industrie- und Handelskammer

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht im Koalitionsvertrag zwar „viele richtige Maßnahmen“, jedoch habe die Koalition „nicht konsequent die Stärkung der Wirtschaft zum Maßstab gemacht“. DIHK-Präsident Peter Adrian begrüßte insbesondere die Vorhaben zum Bürokratieabbau und die Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit, ebenso Entlastungen bei den Energiekosten und neue Abschreibungsmöglichkeiten.

Diese Punkte seien „richtig“ gesetzt. Allerdings kritisierte Adrian, dass der Einstieg in eine Unternehmenssteuerreform erst 2028 vorgesehen ist und der Solidaritätszuschlag (Soli) offenbar weiterlaufen soll – „das kommt zu spät“. Zudem fehlten nachhaltige Konzepte, um die explodierenden Sozialversicherungsbeiträge in den Griff zu bekommen. Sein Fazit fiel verhalten aus: „Insgesamt reicht das vorliegende Paket allein nicht, um eine echte Trendwende zu schaffen.“. Die neue Regierung müsse daher spätestens bis zur Sommerpause weitere Weichen stellen, vor allem bei Bürokratieabbau, Investitionsanreizen, sinkenden Energiekosten und schnelleren Genehmigungen, um ein Aufbruchssignal an die Wirtschaft zu senden.

Verbände der digitalen und Online-Branche

Auch Verbände der digitalen und Online-Branche äußerten sich. Der Digitalverband Bitkom feierte die geplante Schaffung eines eigenständigen Digitalisierungsministeriums als „Meilenstein“ und wichtiges Aufbruchsignal. Aus Sicht des E-Commerce-Sektors wird begrüßt, dass die Politik Digitalisierung und Onlinehandel als Wachstumstreiber anerkennt. Allerdings mahnt der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) zugleich, den boomenden Onlinehandel nicht durch übereilte Regulierungen auszubremsen.

BEHV-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer betonte bereits im Vorfeld, man begrüße „das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zu Digitalisierung und zum E-Commerce in Deutschland … sehr“ – wichtig sei nun, „die Entwicklung unserer Branche nicht durch einseitige Belastungen … unangemessen einzuschränken“. Diese Sicht unterstreicht, dass neben Schutzmaßnahmen für den stationären Handel auch die Innovationskraft des Onlinehandels im Blick behalten werden muss.

Frank