Temu forciert US-Expansion jetzt mit ehemaligen Amazon- und Walmart-Mitarbeitern

Der chinesische Online-Marktplatz Temu expandiert aggressiv in den USA und setzt dabei auf lokale Verkäufer. Das Unternehmen hat in kurzer Zeit enorme Popularität gewonnen und will nun mit erfahrenen Branchentalenten aus den USA seine Marktposition stärken. Temu rekrutiert gezielt ehemalige Amazon– und Walmart-Mitarbeiter, um eine „Armee“ von US-Verkäufern aufzubauen und sich gegen die etablierte Konkurrenz im Onlinehandel zu behaupten​.

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US-Expansion mit ehemaligen Amazon- und Walmart-Mitarbeitern

Welche Ziele verfolgt Temu mit der US-Expansion?

Temu – ein rasant wachsender chinesischer Online-Marktplatz und Ableger von Pinduoduo – hat klare Ziele für seine Expansion in die USA. Zum einen möchte das Unternehmen seine Präsenz im wichtigsten Auslandsmarkt ausbauen, da die USA bereits der größte Markt ist. Seit März 2024 können nun auch US-ansässige Händler offiziell Produkte auf Temu anbieten​. Diese Öffnung des Marktplatzes für lokale Verkäufer ermöglicht es dem Unternehmen, Lieferzeiten zu verkürzen und Kunden ein breiteres Sortiment zu bieten, da Händler mit US-Lagern die Zustellung selbst abwickeln können. Damit verbessert der chinesische Online-Marktplatz das Kundenerlebnis durch schnellere Lieferungen und lokale Verfügbarkeit.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Absicherung gegen regulatorische Risiken im Importgeschäft. Bisher versendete Temu viele Waren direkt aus China an US-Kunden und profitierte dabei von der sogenannten De-minimis-Regel: Zollfreie Einfuhren bis zu $800 (rund 736 €) Warenwert​. Da die US-Politik jedoch erwägt, diese Grenze abzuschaffen und zuletzt sogar pauschale Strafzölle von 20 % auf bestimmte chinesische Importe eingeführt hat​, muss der chinesische Marktplatz sein Geschäftsmodell anpassen.

Durch den Aufbau eines lokalen Verkäufernetzwerks kann Temu mögliche Zollerhöhungen umgehen – Artikel, die aus US-Lagern versendet werden, unterliegen nicht den direkten Importzöllen​. Gleichzeitig können so politische Vorbehalte entschärft werden, denn Kritiker monieren, dass die bisherige Zollfreigrenze amerikanische Hersteller benachteilige​. Das Unternehmen verfolgt mit der Expansion in die USA also das Ziel, kostenkritische Hürden zu reduzieren und die Lieferkette zu lokalisieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nicht zuletzt geht es darum, Marktanteile zu erobern und mit Platzhirschen wie Amazon oder Walmart zu konkurrieren. Die App verzeichnete 2023 weltweit rund 337 Millionen Downloads, fast 80 % mehr als Amazons Shopping-App im selben Zeitraum​. Millionen US-Verbraucher nutzen Temu bereits als günstige Einkaufsalternative, was den Druck auf etablierte Anbieter erhöht​. Damit diese Wachstumskurve anhält, muss das Unternehmen jedoch genügend lokale Verkäufer gewinnen – denn ohne ein breites Verkäufernetz in den USA liefe Temu Gefahr, seine größte Kundengruppe nicht nachhaltig bedienen zu können.

Experten betonen, wie essenziell der Aufbau des US-Marktplatzes ist: „Die USA sind Temus größter Markt, folglich besteht ein hohes Risiko, wenn die Anwerbung von Verkäufern hier scheitert“​, warnt Rick Watson, CEO eines E-Commerce-Beratungsunternehmens. Kurz gesagt: Die US-Expansion soll Marktanteile sichern, das Geschäftsmodell gegen Zolländerungen wappnen und den Grundstein für weiteres Wachstum im Wettbewerb mit den Branchenriesen legen.

Welche Rolle spielen ehemalige Amazon- und Walmart-Mitarbeiter?

Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, setzt der Onlinehändler auf die Expertise ehemaliger Mitarbeiter von Amazon und Walmart. In den vergangenen sechs Monaten hat Temu mindestens ein Dutzend Manager von Amazon sowie mehrere von Walmart und sogar TikTok abgeworben​. Diese erfahrenen Kräfte übernehmen Schlüsselpositionen im Bereich Business Development – also der Händlerakquise und -betreuung.

Ihre Erfahrung bei den E-Commerce-Platzhirschen ist Gold wert: „Es erfordert Erfahrung zu verstehen, wie und wo man Verkäufer rekrutiert, daher ist es üblich, dass solche Experten von einem Unternehmen zum nächsten wechseln“, erklärt Watson. Indem das Unternehmen ehemalige Insider von Amazon und Walmart einstellt, holt es sich wertvolles Know-how ins Haus, wie man erfolgreich einen Marktplatz betreibt und Händler für sich gewinnt.

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Die Aufgaben dieser neuen Mitarbeiter umfassen vor allem die Gewinnung und Betreuung von Verkäufern. Temu hat bekanntgegeben, dass es sein Team an Business-Development-Managern massiv ausbaut​. Laut Stellenbeschreibungen besteht deren Rolle darin, neue Marken und Hersteller für die Plattform zu gewinnen und ihnen beim Aufbau einer erfolgreichen Präsenz auf dem chinesischen Online-Marktplatz zu helfen​.

Konkret bedeutet das: Die Manager sprechen potenzielle Anbieter aktiv an, präsentieren ihnen die Vorteile eines Verkaufs auf Temu und begleiten neue Verkäufer anschließend bei der Produktplanung, beim Marketing und in operativen Fragen​. Hier zahlt sich die Erfahrung der Ex-Amazon- und Ex-Walmart-Leute direkt aus – sie kennen die Bedürfnisse und Sorgen der Händler aus erster Hand und können effektive Verkaufsstrategien entwickeln.

Das Unternehmen selbst bestätigt, dass man gezielt erfahrene Profis eingestellt hat, „um die Chancen lokaler Verkäufer zu erweitern und den lokalen Vertrieb zu stärken“​. Die ehemaligen Mitarbeiter der US-Riesen agieren also als Bindeglied zwischen Temu und den amerikanischen Händlern: Sie bringen wertvolle Branchenkontakte mit, verstehen die Mechanismen der Konkurrenz und helfen das Verkäufernetzwerk professionell aufzubauen. Dies ist ein entscheidender Faktor, damit Temu in den USA Fuß fasst und Vertrauen bei lokalen Anbietern schafft.

Wie will Temu US-Händler für sich gewinnen?

Um möglichst viele US-Händler von der eigenen Plattform zu überzeugen, kombiniert Temu mehrere Strategien. Zunächst setzt das Unternehmen auf aktive Ansprache und Präsenz in der Händler-Community. Die neu eingestellten Business-Development-Manager sind auf Branchenveranstaltungen unterwegs – sie nehmen an E-Commerce-Konferenzen teil, die bei Amazon-Verkäufern beliebt sind, wie etwa der Prosper Show​. Vor Ort knüpfen sie Kontakte und werben Händler persönlich an. In Präsentationen und Gesprächen betonen sie vor allem das rasante Wachstum und die enorme Produktvielfalt auf dem Marktplatz​. Diese Argumente sollen zeigen, dass Temu bereits über eine große Käuferreichweite verfügt und sich ein Einstieg für Verkäufer lohnen kann.

Tatsächlich untermauern die Zahlen die Attraktivität der Plattform: Der chinesische Marktplatz zählte im Jahr 2023 in den USA so viele Neukunden, dass die App mittlerweile häufiger heruntergeladen wurde als die von Amazon​. Für Händler bedeutet das Zugang zu einer rasant wachsenden Kundenbasis. Darüber hinaus wird mit attraktiven Konditionen geworben.

Ein Sprecher des Unternehmens sagte, man biete Verkäufern eine kostengünstige Möglichkeit, ihr Geschäft zu vergrößern​. Das deutet auf vergleichsweise geringe Gebühren und einen einfachen Onboarding-Prozess hin. Im Gegensatz zu Amazon, wo Händler etwa 15 % Verkaufsprovision und weitere Kosten tragen müssen, verzichtet Temu Berichten zufolge zumindest zeitweise auf Verkaufsgebühren für bestimmte Verkäufer, um diese an Bord zu holen​.

Zwar bestätigt das Unternehmen solche Details nicht offiziell, doch das Versprechen, geringere Kosten und mehr Unterstützung zu bieten, ist ein zentrales Verkaufsargument. Neue Händler können sich unkompliziert registrieren – seit Ende 2024 hat Temu seinen Marktplatz für alle US-Verkäufer (und EU-Verkäufer) geöffnet und bietet eine schnelle Zulassung​. Das Unternehmen unterstützt sie dann bei Bedarf mit Beratung in Bereichen wie Marketing oder Logistik, was insbesondere kleineren Unternehmen den Einstieg erleichtert.
Zusammengefasst soll es für US-Händler attraktiv sein weil sie dort:

    • Eine große, wachsende Käufergemeinschaft erreichen (auch außerhalb der etablierten Amazon-Welt)​.
    • Niedrigere Gebühren und Einstiegshürden vorfinden, was ihre Marge erhöht.
    • Aktive Unterstützung durch Temus Expertenteam erhalten, etwa durch gemeinsame Planung von Verkaufsaktionen oder Tipps zur Optimierung von Angeboten​.

Zudem profitieren Verkäufer davon, dass Temu verstärkt auf lokale Lagerhaltung setzt – Produkte, die bereits in den USA liegen, können schneller zum Kunden gelangen, was die Zufriedenheit und damit den Absatz steigert​.

Temu scheint also bewusst den Ruf aufzubauen, ein partnerfreundlicher Marktplatz zu sein. Indem es erfolgreiche Amazon-Händler anspricht und ihnen bessere Konditionen in Aussicht stellt, hofft Temu, diese für seine Plattform zu gewinnen. Langfristig will das Unternehmen so eine kritische Masse an Anbietern und Artikeln erreichen, um als Einkaufsziel noch attraktiver zu werden. Für die US-Händler wiederum bietet Temu die Chance, von Anfang an bei einem aufstrebenden Marktplatz dabei zu sein – mit weniger Wettbewerb unter Verkäufern und großzügigen Anreizen in der Aufbauphase.

Mögliche Auswirkungen auf den Wettbewerb im Onlinehandel

Temus aggressive Expansion und die Rekrutierung amerikanischer Verkäufer dürfte den Wettbewerb im Onlinehandel spürbar beeinflussen. Zum einen erhöht sich der Druck auf Marktführer wie Amazon, aber auch auf andere Plattformen wie eBay oder Walmart.com. Amazon dominierte lange den Markt und wickelt in den USA über 40 % des E-Commerce-Umsatzes ab​. Doch mit Newcomern wie Temu und auch Shein (einem ebenfalls aus China stammenden Mode-Marktplatz) entstehen neue Konkurrenten, die den etablierten Anbietern Kunden und Verkäufer streitig machen. Beide Herausforderer setzen auf extrem günstige Preise und nutzen zunehmend Lager in den USA, um schneller liefern zu können​.

Dadurch nähern sie sich im Service-Level den Erwartungen der Verbraucher an, die Amazon mit seinem Prime-Versand geprägt hat. Zwar verfügt Amazon weiterhin über eine unerreichte Logistikinfrastruktur und lieferte 2024 über 9 Milliarden Pakete teils am selben oder nächsten Tag aus​. Doch Temu und Co. schließen die Lücke: Durch lokale Warenlager und Kooperation mit US-Händlern verkürzen sie Lieferzeiten und umgehen Zollhürden, was ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigert​.

Für Amazon bedeutet die Abwanderung oder Doppelpräsenz seiner Händler auf Temu potenziell kleinere Sortimentsteile und Preisdruck. Einige Amazon-Händler könnten Temu nutzen, um Lagerüberbestände abzuverkaufen oder um generell die Abhängigkeit von Amazon zu verringern. Amazon beobachtet diese Entwicklung genau – der E-Commerce-Riese hat sogar eine eigene Discount-Plattform namens Amazon Haul gestartet, um Temu im Niedrigpreis-Segment Paroli zu bieten​. Allerdings fiel der Start von Haul bislang verhalten aus; laut Analysen blieb die Kundenresonanz schwach im Vergleich zu Temu und Shein​.

Dies unterstreicht, dass Neueinsteiger wie Temu mit innovativen Ansätzen selbst einem Giganten wie Amazon Kunden abspenstig machen können. Auf längere Sicht könnte Temus Erfolg Amazon dazu zwingen, seine Gebührenpolitik oder Services anzupassen, um Verkäufer und Käufer bei der Stange zu halten. Auch Walmart spürt den Konkurrenzdruck: Walmart hat zwar einen eigenen Online-Marktplatz mit Drittanbietern, doch Temus Fokus auf ultra-günstige Alltagsprodukte trifft einen ähnlichen Kundenkreis. Sollte Temu weiter an Beliebtheit gewinnen, müsste Walmart noch stärker mit Preisaktionen und Online-Angeboten reagieren, um seine Kundschaft zu binden.

Für die Verbraucher bringt Temus Vorstoß vor allem mehr Auswahl und potenziell niedrigere Preise. Wenn mehrere Anbieter um die Gunst der Online-Shopper buhlen, entstehen Wettbewerbsvorteile wie häufigere Rabatte, vielfältigere Produkte und innovative Einkaufsfunktionen. Käufer in den USA können inzwischen auf Temu Artikel finden, die teils deutlich günstiger sind als auf anderen Plattformen – oft ermöglicht durch den direkten Einkauf bei Herstellern in China. Gleichzeitig achten Unternehmen wie Temu und Shein darauf, ihr Image zu verbessern, indem sie hochwertigere Waren und bekannte Marken ins Sortiment nehmen​. Die Konkurrenz belebt also das Geschäft und zwingt alle Player, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Natürlich bleibt abzuwarten, wie dauerhaft Temus Geschäftsmodell trägt. Der harte Preiskampf könnte die Margen belasten, und die etablierten Konzerne haben ihrerseits immense Ressourcen, um Gegenstrategien zu fahren. Doch die derzeitigen Entwicklungen – Temus gezieltes Abwerben von Top-Leuten der Konkurrenz und der schnelle Ausbau eines lokalen Verkäufer-Netzwerks – deuten darauf hin, dass sich die Karten im Onlinehandel neu mischen. Sollte Temu mit seiner Strategie erfolgreich sein, könnten amerikanische Online-Shopper schon bald von einem genauso breit aufgestellten Angebot wie bei Amazon profitieren, allerdings häufig zu niedrigeren Preisen. Für Amazon, Walmart und Co. heißt es daher: Schritt halten und den eigenen Plattformen attraktive Bedingungen für Händler und Kunden bieten, um in diesem Wettbewerbsrennen nicht an Boden zu verlieren.

Frank