Haftung sozialer Netzwerke für rechtswidrige Inhalte: Verhandlung vor dem BGH

Am 18. Februar 2025 verhandelt der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) über die Frage, inwieweit Betreiber sozialer Netzwerke für von Nutzern verbreitete rechtswidrige Inhalte haften. Der Fall betrifft eine Bundestagsabgeordnete, die sich gegen die Verbreitung eines Falschzitats auf Facebook wehrt.

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Haftung sozialer Netzwerke für rechtswidrige Inhalte: Verhandlung vor dem BGH

Hintergrund des Falls

Die Klägerin ist Politikerin und Mitglied des Bundestags. Auf Facebook wurde ein Meme verbreitet, das sie mit einem Zitat zeigt, das sie nie getätigt hat: „Integration fängt damit an, dass sie als Deutscher mal türkisch lernen.“ Dieses Meme wurde von verschiedenen Nutzern hochgeladen und weiterverbreitet. Zudem existieren verschiedene Variationen des Bildes mit ähnlichem Inhalt sowie Nutzerkommentare, die teilweise beleidigend sind.

Reaktion der Klägerin und Maßnahmen der Beklagten

Die Klägerin informierte Facebook über die konkreten URLs, unter denen das ursprüngliche Meme sowie acht sinngleiche Versionen gespeichert waren. Das Unternehmen entfernte diese Inhalte nach und nach. Allerdings fordert die Klägerin eine generelle Unterlassung aller identischen oder „kerngleichen“ Memes, ohne dass sie diese einzeln melden muss. Zudem verlangt sie Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 Euro.

Die Beklagte argumentiert, dass sie nur für konkret benannte Beiträge hafte. Eine weitergehende Überprüfung sei ihr nicht zumutbar, insbesondere da bei variierenden Inhalten eine manuelle Prüfung erforderlich wäre.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Landgericht (Entscheidung vom 8. April 2022 – 2-03 O 188/21) gab der Klägerin weitgehend recht. In der Berufung änderte das Oberlandesgericht (Entscheidung vom 25. Januar 2024 – 16 U 65/22) das Urteil insoweit ab, als es den Anspruch auf Schmerzensgeld verneinte, jedoch die Unterlassungsverpflichtung bestätigte.

Revision vor dem BGH

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision das Ziel, die Klage vollständig abzuweisen. Die Klägerin hingegen will mit einer Anschlussrevision die ursprüngliche Entscheidung des Landgerichts wiederherstellen und auch Schmerzensgeld zugesprochen bekommen.

Der BGH prüft nun, ob neben den deutschen Vorschriften aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 und § 823 Abs. 1 BGB auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie der Digital Services Act (DSA) eine Rolle spielen. Insbesondere geht es um Art. 17 und 82 DSGVO sowie um Art. 6 Abs. 4 und Art. 8 DSA, die Pflichten von Plattformbetreibern bei der Entfernung rechtswidriger Inhalte regeln.

Relevanz des EuGH-Urteils von 2019

Bereits 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem ähnlichen Fall (C-18/18), dass Plattformbetreiber möglicherweise verpflichtet sein können, wort- oder sinngleiche Inhalte zu löschen, wenn ein ursprünglicher Beitrag bereits als rechtswidrig eingestuft wurde. Dieses Urteil erging jedoch noch vor dem Inkrafttreten des Digital Services Act, sodass der BGH nun klären muss, ob sich aus den neuen Regelungen eine andere Rechtslage ergibt.

Das Urteil des BGH könnte weitreichende Folgen für die Haftung sozialer Netzwerke haben. Es stellt sich die Frage, inwieweit Plattformbetreiber für Falschzitate und andere rechtswidrige Inhalte verantwortlich gemacht werden können – auch ohne konkrete Meldung durch Betroffene.

Frank