Strengere Regeln für Plattformen und Händler aus Drittstaaten: Verbände fordern konsequente Durchsetzung europäischer Standards

Die zunehmende Dominanz von Plattformen und Händlern aus Drittstaaten stellt den europäischen Binnenmarkt vor enorme Herausforderungen. Insbesondere Plattformen wie Temu und Shein profitieren von unzureichenden Kontrollen, während sie mit problematischen Geschäftsmodellen die Einhaltung europäischer Standards umgehen. Gemeinsam haben der Handelsverband Deutschland (HDE), die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein umfassendes Positionspapier vorgelegt, das auf notwendige Reformen hinweist, um Verbraucher zu schützen und fairen Wettbewerb sicherzustellen.

Strengere Regeln für Plattformen und Händler aus Drittstaaten: Verbände fordern konsequente Durchsetzung europäischer StandardsAI generated picture by ©onlinemarktplatz.de
Strengere Regeln für Plattformen und Händler aus Drittstaaten: Verbände fordern konsequente Durchsetzung europäischer Standards

Die Problematik: Steigende Paketflut und mangelnde Kontrollen

2024 wurden rund vier Milliarden Pakete aus Drittstaaten in die EU geliefert, darunter allein 400.000 Sendungen täglich von Plattformen wie Temu und Shein nach Deutschland. Untersuchungen zeigen, dass ein Großteil der Produkte nicht den EU-Vorschriften entspricht. Produkte wie Elektrogeräte, Spielzeuge oder chemische Artikel bergen Sicherheitsrisiken und stellen eine Gefahr für Verbraucher dar. Eine Untersuchung der Bundesnetzagentur ergab, dass 92 % der kontrollierten Produkte aus Drittstaaten in der EU nicht verkehrsfähig waren.

Besonders problematisch ist, dass viele Händler und Plattformen aus Drittstaaten die Zoll- und Steuerregeln umgehen. Häufig erfolgt dies durch Unterdeklarationen, Aufsplittung größerer Sendungen oder die falsche Nutzung von IOSS-Identifikationsnummern.

Forderungen im Detail: Maßnahmen auf mehreren Ebenen

Die Verbände HDE, DSTG und vzbv fordern eine konsequente Regulierung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Die Maßnahmen sind in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Lösungen unterteilt.

Kurzfristige Maßnahmen

    1. Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro
      Die derzeitige Zollfreigrenze wird systematisch ausgenutzt, um Zollgebühren zu umgehen. Durch falsche Deklarationen entgehen dem Fiskus erhebliche Einnahmen, während europäische Händler benachteiligt werden.
    2. Stärkung der Marktüberwachungsbehörden
      Die Marktüberwachungsbehörden in Deutschland und anderen EU-Ländern sollen personell und digital besser ausgestattet werden. Dies ermöglicht effizientere Kontrollen von Produkten aus Drittstaaten, die nicht den EU-Standards entsprechen.
    3. Strengere Anforderungen an gesetzliche Vertreter
      Online-Marktplätze sollen verpflichtet werden, einen physischen, in der EU ansässigen Vertreter zu benennen, der für die Einhaltung von Verbraucher- und Produktsicherheitsstandards haftet.

Mittelfristige Lösungen

    1. Einführung des „fiktiven Einführers“
      Plattformen und Händler aus Drittstaaten sollen künftig als „fiktive Einführer“ gelten und für alle Zoll- und Steuerpflichten verantwortlich sein. Dies umfasst auch die Übermittlung korrekter Daten an die Zollbehörden.
    2. Verpflichtende Nutzung des Import-One-Stop-Shop (IOSS)
      Die Abwicklung der Einfuhrumsatzsteuer über den IOSS soll verpflichtend werden, um Missbrauch zu verhindern und Transparenz zu erhöhen. Derzeit ist die Nutzung freiwillig, was Kontrollmöglichkeiten stark einschränkt.
    3. Verstärkte Kontrollmöglichkeiten für Zollbehörden
      Die Zollbehörden sollen mehr Befugnisse erhalten, um die Einhaltung von Zoll- und Steuerregeln zu überprüfen. Dies umfasst beispielsweise die Einführung digitaler Systeme zur Nachverfolgung von Sendungen.

Langfristige Maßnahmen

    1. Beschleunigte Reform des EU-Zollkodex
      Die geplante Reform des EU-Zollkodex soll schneller umgesetzt werden, um moderne Lösungen für die Herausforderungen des internationalen Handels zu schaffen. Dies umfasst unter anderem die Verknüpfung von Daten zwischen Plattformen und Zollbehörden.
    2. Harmonisierung der Regeln innerhalb der EU
      Einheitliche Vorschriften und deren konsequente Anwendung sollen sicherstellen, dass alle Marktteilnehmer gleiche Wettbewerbsbedingungen vorfinden.
    3. Stärkung der EU-Zollbehörden
      Angesichts der wachsenden Anzahl an Sendungen aus Drittstaaten sollen die Zollbehörden europaweit gestärkt und technologisch modernisiert werden.

Verbraucher- und Händlerschutz im Fokus

Die Verbände betonen die Notwendigkeit, Verbraucher besser zu schützen und gleichzeitig einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Produkte, die in der EU verkauft werden, müssen den hohen Standards der EU in den Bereichen Produktsicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz entsprechen. Plattformen wie Temu und Shein gefährden diese Standards und schaffen Wettbewerbsnachteile für europäische Händler.

Appell an Politik und Institutionen

Mit ihrem Positionspapier richten sich HDE, DSTG und vzbv an Entscheidungsträger wie Bundeskanzler Olaf Scholz, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Ziel ist es, klare Regelungen zu schaffen und deren Durchsetzung sicherzustellen.

Frank