Chinesische Händler bekommen jetzt eigene Sektion für billige, markenlose Artikel bei Amazon

Amazon plant eine signifikante Erweiterung seines Angebots. In naher Zukunft wird das Unternehmen eine neue Sektion auf seiner Hauptwebseite einführen, die sich an chinesische Händler richtet. Diese neue Sektion soll günstige, markenlose Produkte zu Preisen unter 20 US-Dollar (rund 19 Euro) anbieten und direkt aus China in die USA verschickt werden. Dieser Schritt markiert eine bedeutende Veränderung in Amazons Strategie, um mit der zunehmenden Konkurrenz durch chinesische Plattformen wie Temu und Shein Schritt zu halten, die in den letzten Jahren durch aggressive Preispolitik und eine riesige Auswahl an günstigen Produkten den Markt erobert haben.

Chinesische Händler bekommen jetzt eigene Sektion für billige, markenlose Artikel bei Amazon
Chinesische Händler bekommen jetzt eigene Sektion für billige, markenlose Artikel bei Amazon. AI generated picture by ©onlinemarktplatz.de

Hintergrund: Wettbewerb mit chinesischen Plattformen

Die Konkurrenz aus China hat in den letzten Jahren massiv an Boden gewonnen, vor allem durch Plattformen wie Temu und Shein, die mit extrem niedrigen Preisen und einer breiten Produktpalette westliche Märkte, insbesondere die USA, überschwemmt haben. Temu und Shein konnten sich durch ihren direkten Zugang zu chinesischen Herstellern und eine effiziente Produktionskette stark positionieren. Amazon hingegen stand lange Zeit für schnelle Lieferung und hohe Qualität, musste aber erkennen, dass viele preisbewusste Konsumenten bereit sind, auf schnelle Lieferzeiten zu verzichten, wenn die Preise dafür deutlich niedriger sind.

Amazon, das sich in der Vergangenheit von Vergleichen mit diesen Plattformen distanzierte, sieht sich nun gezwungen, auf diese Konkurrenz zu reagieren. Die neue Niedrigpreis-Sektion ist ein klarer Versuch, die Vorteile des niedrigen Preisniveaus chinesischer Anbieter für die eigenen Kunden nutzbar zu machen.

Chinesische Händler im Fokus

Um das neue Programm zu starten, hat Amazon kürzlich mehrere Sitzungen mit chinesischen Händlern in Shenzhen, einer der bedeutendsten Technologie- und Handelszentren Chinas, abgehalten. Diese Region spielt eine zentrale Rolle im grenzüberschreitenden E-Commerce und ist für etwa 60 % des Exports von Produkten nach Europa und in die USA verantwortlich. Hunderte Händler nahmen an diesen Treffen teil und wurden über die neuen Möglichkeiten informiert, die Amazon ihnen bietet. Zukünftig wird es diesen Anbietern ermöglicht, ihre Produkte direkt aus chinesischen Amazon-Lagern an US-amerikanische Kunden zu versenden, was die Logistikprozesse deutlich vereinfacht und Kosten spart.

Die neue Sektion bietet den Verkäufern dabei im Gegensatz zu Temu deutlich mehr Freiheiten. Während Temu strenge Preiskontrollen durchführt und von den Händlern regelmäßige Preissenkungen verlangt, können die Verkäufer auf Amazon die Preise und Kategorien ihrer Produkte selbst bestimmen. Dies stellt eine deutlich attraktivere Option für viele Händler dar, die sich bei Temu zunehmend unter Druck gesetzt fühlen, die Qualität ihrer Produkte zugunsten niedriger Preise zu verringern. Einige dieser Händler haben sich in der Vergangenheit sogar gegen die als unfair empfundene Preisstruktur von Temu gewehrt.

Was bietet die neue Niedrigpreis-Sektion?

Die Produkte, die über Amazons neue Niedrigpreis-Sektion verkauft werden, werden markenlos und unter dem Label „Generic“ angeboten. Das bedeutet, dass keine spezifischen Markennamen verwendet werden, wie es bei vielen chinesischen Produkten auf Amazon bislang der Fall war. Stattdessen wird das einfache Versprechen abgegeben: „Ich habe es auf Amazon gekauft.“

Die Sektion wird eine Vielzahl von Produkten abdecken, jedoch gibt es strenge Vorgaben hinsichtlich Größe und Gewicht. Alle Artikel müssen weniger als 1 Pfund (etwa 0,45 Kilogramm) wiegen und dürfen bestimmte Maße nicht überschreiten. Zusätzlich sind Produkte, die Batterien enthalten, als Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden können oder die auf die Haut aufgetragen werden, nicht zugelassen. Ebenfalls ausgeschlossen sind Baby- und Kinderprodukte sowie Haustierartikel, die einer besonderen Prüfung unterliegen.

Auch preislich gibt es klare Grenzen. So dürfen die Artikel in den meisten Kategorien nicht mehr als 20 US-Dollar (ca. 19 Euro) kosten, wobei die Preisobergrenzen je nach Produktart variieren. Zum Beispiel dürfen Shorts höchstens 14 US-Dollar (ca. 13 Euro), Haarschneider 12 US-Dollar (ca. 11 Euro) und Zahnbürstenhalter 7 US-Dollar (ca. 6,60 Euro) kosten. Produkte, die diese Preisobergrenzen überschreiten, werden automatisch von der Plattform entfernt.

Logistik und Versand

Ein weiterer zentraler Aspekt von Amazons neuer Niedrigpreis-Sektion ist die Art der Abwicklung. Bislang mussten chinesische Verkäufer ihre Produkte an Amazon-Lager in den USA senden, von wo aus sie dann an Kunden versandt wurden. Dies führte oft zu längeren Lieferzeiten und höheren Kosten. Nun jedoch wird Amazon die Produkte direkt aus seinen Lagern in China versenden, was nicht nur die Logistikprozesse verkürzt, sondern auch die Versandkosten senkt.

Die Lieferzeiten sollen zwischen 9 und 11 Tagen liegen. Im Gegensatz zu Amazons Prime-Angebot, das oft eine Lieferung innerhalb von 1 bis 2 Tagen verspricht, akzeptiert das Unternehmen in diesem Fall längere Lieferzeiten, um den Kunden niedrigere Preise bieten zu können. Ein weiterer Vorteil für Amazon ist, dass viele dieser Sendungen aufgrund der sogenannten „de minimis“-Regelung zollfrei in die USA eingeführt werden können. Diese Regel besagt, dass Sendungen im Wert von unter 800 US-Dollar (ca. 759 Euro) von Zöllen und Importabgaben befreit sind, was Amazons Niedrigpreis-Sektion noch attraktiver macht.

Rückgabebedingungen und Herausforderungen

Ein wesentlicher Punkt des neuen Programms ist auch die Handhabung von Rücksendungen. Amazon wird die Rückgabefrist für Produkte in der Niedrigpreis-Sektion auf 15 Tage ab Lieferung beschränken. Produkte, die weniger als 3 US-Dollar (ca. 2,85 Euro) kosten, sind jedoch grundsätzlich von Rücksendungen ausgeschlossen. Sollte ein Kunde dennoch ein Produkt zurückgeben wollen, wird Amazon dieses nicht an den Verkäufer zurückschicken. Stattdessen werden die zurückgesendeten Artikel entweder liquidiert oder gespendet.

Langfristig könnten auch regulatorische Herausforderungen für Amazon entstehen, insbesondere wenn es um den Zoll und den Import geht. In den USA gibt es zunehmend Bestrebungen, die „de minimis“-Regelung zu überarbeiten, da viele Stimmen behaupten, dass Plattformen wie Temu und Shein diese Regelung missbrauchen, um Zölle zu umgehen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich diese Diskussionen auf Amazons neues Programm auswirken werden.

Amazon passt sich dem Markt an

Mit der Einführung der Niedrigpreis-Sektion zeigt Amazon einmal mehr seine Fähigkeit, sich schnell an Marktveränderungen anzupassen. In einem Umfeld, in dem chinesische Plattformen durch niedrige Preise und eine immense Produktvielfalt immer größere Marktanteile gewinnen, setzt Amazon auf eine neue Strategie, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei nutzt das Unternehmen seine globalen Logistik- und Datenkapazitäten, um Kunden in den USA günstige Produkte direkt aus China zu bieten – eine Mischung aus günstigen Preisen, akzeptablen Lieferzeiten und Amazons bewährtem Kundenservice.

Frank