One-Stop-Shop Verfahren: Deutsche Online-Händler erhalten EU-Steuermahnungen

Immer mehr deutsche Online-Händler:innen und ihre Steuerberater:innen erhalten Mahnungen aus verschiedenen europäischen Ländern, weil sie die Umsatzsteuer (One-Stop-Shop) nicht bezahlt haben sollen. Dies stellt für betroffene Unternehmen nicht nur eine schwerwiegende Belastung dar, sondern wirft auch die Frage auf, ob das 2021 in Kraft getretene One-Stop-Shop Verfahren (OSS) den Anforderungen des grenzüberschreitenden elektronischen Handels innerhalb der EU gerecht wird.

One-Stop-Shop Verfahren: Deutsche Online-Händler erhalten EU-Steuermahnungen
One-Stop-Shop Verfahren: Deutsche Online-Händler erhalten EU-Steuermahnungen. AI generated picture by ©onlinemarktplatz.de

fynax, die digitale Marke der ETL-Gruppe für Steuerberatung und Finanzbuchhaltung im E-Commerce, zeigt durch Austausch mit mehreren Steuerberater:innen aus dem internationalen fynax- und ETL-Netzwerkes ein strukturelles Digitalisierungsdefizit insbesondere in Deutschland auf und erklärt, was Betroffene jetzt tun können.

Das One-Stop-Shop Verfahren

Das One-Stop-Shop Verfahren wurde im Zuge des Mehrwertsteuer-Digitalpakets der Europäischen Union im Juli 2021 erlassen, mit dem Ziel, den grenzüberschreitenden elektronischen Handel innerhalb der EU zu erleichtern. Doch die Realität ist ernüchternd: Viele deutsche Online-Händler:innen kämpfen seit Inkrafttreten der Umsatzsteuerreform mit den bürokratischen Herausforderungen und administrativen Hürden, wie die Ergebnisse der fynax-Trendstudie 2023 „Keine Entlastung für Händler:innen bei der Umsatzsteuer in Sicht“ zeigte. So schätzen rund 73 Prozent der befragten Online-Händler:innen den Aufwand ihrer steuerlichen Meldepflichten höher ein als vor der Umstellung. Zudem ergab die Studie, dass 27 Prozent Zahlungserinnerungen aus anderen EU-Staaten erhielten, die dortige Umsatzsteuer nicht bezahlt zu haben.

„Die Gründe liegen insbesondere darin, dass die Zahlungen, die über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) an die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden, für das dritte Quartal 2021 nicht rechtzeitig erfolgt sind“, erklärt Jens Bosch, Steuerberater und Experte im Bereich E-Commerce. „Dies führt zu einer zeitlichen Verzögerung bei der Weiterleitung der Zahlungen an die entsprechenden EU-Mitgliedstaaten.“ Dies liegt laut dem Bundesrechnungshof insbesondere an mangelnder IT-Unterstützung.

In keinem anderen europäischen Land sind bislang vergleichbare Situationen aufgetreten, in denen E-Commerce-Unternehmen Steuermahnungen von ausländischen Finanzbehörden erhalten haben. Das gaben mehrere Steuerberater:innen aus anderen EU-Staaten, darunter beispielsweise Spanien und Schweden, in einer nicht repräsentativen Umfrage an, die alle Teil des ETL- und fynax-Netzwerks sind. So lassen sich die auftretenden Mahnungen weniger auf ein grundsätzliches Strukturproblem des One-Stop-Shop Verfahrens an sich – sondern ein deutliches Digitalisierungsdefizit in Deutschland zurückführen. „Trotz erkennbarem Willen zur Digitalisierung in Deutschland stoßen die Bemühungen aufgrund mangelnder Infrastruktur auf Hindernisse“, betont Nadja Müller, Steuerberaterin und fynax-Leiterin.

Betroffenen rät die fynax-Steuerexpertin folgendes: „Zur Überprüfung der Authentizität von OSS-Mahnungen den Rat eines Steuerberaters einzuholen. Danach kann die Mahnung meist ganz unkompliziert angegangen werden. Ist die Zahlung an das BZSt fristgerecht erfolgt, so kann dies durch einfache Kommunikation mit der zuständigen ausländischen Behörde und Vorlage des Zahlungsnachweises, beispielsweise durch einen Kontoauszug oder Überweisungsnachweis, nachgewiesen werden“, erklärt Müller.

ETL-Gruppe