Messenger- und Video-Dienste: Bundeskartellamt zu Datenschutz, Transparenz und Interoperabilität

Das Bundeskartellamt hat heute den Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zu Messenger- und Video-Diensten vorgelegt.

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Messenger- und Video-Dienste: Bundeskartellamt zu Datenschutz, Transparenz und Interoperabilität. ©Depositphotos

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Messenger- und Video-Dienste sind für die meisten von uns ein alltägliches Kommunikationsmittel geworden. Den Nutzerinnen und Nutzern ist dabei oft nicht bewusst, dass der Schutz ihrer persönlichen Daten nicht bei allen Diensten gleichermaßen gewährleistet ist. Die rechtlichen Regelungen und die technischen Grundlagen der Datensicherheit sind komplex, vielschichtig und schwer zu durchschauen. Klare Maßgaben, Aufklärung und mehr Transparenz könnten dafür sorgen, dass das Thema Datenschutz eine größere Bedeutung bei der Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher für oder gegen den einen oder anderen Messenger-Dienst bekommt. In der Folge wäre wiederum der Anreiz für die Diensteanbieter größer, ein hohes Datenschutzniveau zu gewährleisten.“

Die Untersuchung des Bundeskartellamtes befasst sich ausführlich mit den technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Messenger- und Video-Dienste. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Datenschutz- und Datensicherheitsfragen.

Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass einige Dienste bei Funktionen, die für die Nutzerinnen und Nutzer besonders wichtig sind, gegen verbraucherrechtliche Vorgaben verstoßen dürften:

  • Wenn das Kontaktverzeichnis synchronisiert wird, werden auch die Daten derjenigen Kontaktpersonen erfasst, die bisher nicht bei dem jeweiligen Dienst registriert sind. Nach Ansicht des Bundeskartellamtes liegen hier Verstöße gegen die DSGVO nahe, wenn dies dauerhaft erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn die Telefonnummern verschlüsselt dargestellt werden.
  • Einige Messenger- und Video-Dienste verhalten sich auch beim Transfer und der Speicherung von Daten nicht rechtskonform. Persönliche Daten deutscher und europäischer Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen nur in Länder transferiert und gespeichert werden, wo ein der europäischen DSGVO vergleichbares Datenschutzniveau gilt. Insb. der Transfer und die Speicherung der Daten in den USA ist bei derzeitiger Rechtslage nicht zulässig.
  • Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen außerdem gemäß dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wahrheitsgemäß darüber informiert werden, wie die Sicherheit ihrer Kommunikation, z. B. durch die Verschlüsselung der Daten, gewährleistet wird. Die aktuelle Praxis vieler Dienste sollte nach Einschätzung des Bundeskartellamtes verbessert werden.

Checkliste

Die Verschlüsselung ist nur eines von mehreren Kriterien, die zusammen die Datensicherheit eines Dienstes ausmachen. Die Ermittlungen haben hervorgebracht, dass auch im Bereich Datensicherheit noch erheblicher Nachholbedarf besteht. Das Bundeskartellamt hat in Abstimmung mit dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Checkliste der wesentlichen Kriterien erstellt, die Datensicherheit und Rechtskonformität gewährleisten.

Interoperabilität

Im Zwischenbericht vom 4. November 2021 zu der Untersuchung der Messenger- und Video-Dienste hat das Bundeskartellamt die Komplexität des Themas Interoperabilität bereits ausführlich beleuchtet. Aufgrund des zwischenzeitlich im November 2022 in Kraft getretenen Europäischen Digital Markets Act werden künftig bestimmte große Internetplattformen (sog. designierte Gatekeeper) dazu verpflichtet sein, Interoperabilität mit anderen Messenger-Diensten zu ermöglichen.

Damit verbunden ist u.a. die Erwartung, dass Interoperabilität den Wechsel zwischen verschiedenen Anbietern erleichtert und zu besseren Chancen für Neueinsteiger führt, die Zugang zu den etablierten Systemen benötigen. Die Untersuchung des Bundeskartellamtes macht deutlich, dass bei diesem Prozess auch berücksichtigt werden muss, dass Standardisierungen, die für die Herstellung der Interoperabilität notwendig sein werden, auch negative Auswirkungen auf die Innovationsbereitschaft und damit den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Anbietern haben können. Es entstehen zudem – je nachdem wie intensiv die Regelung in Anspruch genommen wird – neue Risiken durch technische Herausforderungen bei der Datensicherheit, insb. bei der Verschlüsselung sowie bei der Datenüberwachung und -verantwortung. Die Transparenz über den Grad der Datensicherheit auf den verschiedenen Diensten könnte in der Folge für die Nutzerinnen und Nutzer weiter sinken.

Hintergrund

Das Bundeskartellamt hat die Sektoruntersuchung Messenger- und Video-Dienste im November 2020 eingeleitet. Grundlagen des vorliegenden Abschlussberichts sind insb. die Ergebnisse einer ausführlichen Befragung von mehr als 40 in Deutschland verfügbaren Diensten, zahlreiche Expertengespräche sowie die Auswertung verschiedener Studien. Der vollständige Bericht ist hier abrufbar.

Das Bundeskartellamt kann im Bereich des Verbraucherschutzes Untersuchungen durchführen und so Defizite identifizieren. Im Gegensatz zu seinen kartellrechtlichen Zuständigkeiten, hat das Bundeskartellamt hier jedoch nicht die Möglichkeit, etwaige Rechtsverstöße auch behördlicherseits abzustellen oder zu sanktionieren.

Bei der Sektoruntersuchung Messenger- und Video-Dienste handelt sich bereits um die fünfte Untersuchung des Bundeskartellamtes im Bereich Verbraucherschutz seit Übertragung dieser Zuständigkeit im Jahr 2017. Die bereits abgeschlossenen Untersuchungen betrafen die Themen Vergleichsportale (2019), Nutzerbewertungen (2020), Smart-TVs (2020) und Mobile Apps (2021). Eine weitere Untersuchung zum Thema Scoring beim Online-Shopping läuft derzeit noch.

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