Produktpiraterie: Plagiate werden immer häufiger im Internet gekauft

Gefälschte Waren haben gerade zur Ferienzeit Hochsaison: Produktpiraterie ist ein milliardenschweres Problem für Staat und Wirtschaft – und oft auch eine Gesundheitsgefahr für die Käufer der meist minderwertigen Produkte. Vor allem dann, wenn Kopien nicht als solche zu erkennen sind. Mehr als jeder dritte Konsument in Deutschland (38 Prozent) hat schon einmal bei Plagiaten von Schmuck, Bekleidung oder Technik zugegriffen, knapp die Hälfte von ihnen war sich dabei bewusst, eine Fälschung zu erwerben.

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Produktpiraterie: Plagiate werden immer häufiger im Internet gekauft. ©Depositphotos

Männer kaufen deutlich häufiger gefälschte Produkte: 44 Prozent sagen, dass sie schon mindestens einmal eine Kopie gekauft haben – bei den Frauen sind es dagegen nur 32 Prozent. Das Motiv für den Kauf von Fälschungen: Vor allem der niedrigere Preis. Dies nennen 72 Prozent als Grund für den Erwerb – ein leichter Rückgang gegenüber 2015, da waren es noch 84 Prozent. Der einfache Zugang zu den Fälschungen nahm hingegen als Faktor zu: Etwas mehr als jeder Vierte führte dies an (27 Prozent), knapp doppelt so viele wie vor sieben Jahren (13 Prozent).

Das sind die Ergebnisse der aktuellen Studie „Produktpiraterie“ von EY. Für die repräsentative Umfrage wurden 1.004 volljährige Konsumenten in Deutschland befragt.

„Der vermeintlich niedrige Preis, den die Kunden für Plagiate bezahlen, kommt andere teuer zu stehen: die Unternehmen, die ihre Marke und ihre Reputation zum Teil jahrzehntelang aufgebaut haben. Mitarbeitende, die Tag für Tag daran arbeiten, vorhandene Produkte zu verbessern oder neue zu entwickeln. Das kostet neben dem Einsatz und der Energie jedes Einzelnen vor allem auch Geld. Es sind Milliarden, die die Unternehmen und ihre Mitarbeitenden jedes Jahr durch Produktfälschungen verlieren“, sagt Michael Renz, Leiter des Bereichs Konsumgüter und Handel bei EY Deutschland und Autor der Studie.

Dass sie Schäden beim geistigen Eigentümer des Originals verursachen, wissen die Käufer von Fälschungen – und shoppen trotzdem fremd. Vor allem beim Umsatz (68 Prozent), beim Image der Marke (54 Prozent) und bei Arbeitsplätzen (51 Prozent) sehen die Befragten die Konsequenzen durch den Kauf von Fälschungen. Und: Mehr als ein Drittel (39 Prozent) sieht ein großes Problem für die deutsche Volkswirtschaft durch Produktpiraterie – zusammen mit den Befragten, die die Gefahr mittelgroß einschätzen sind es sogar fast neun von zehn Studienteilnehmern (86 Prozent).

„Das Geld, das den Unternehmen durch Produktpiraterie verloren geht, fehlt dann natürlich, um den Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft sichern zu können. Geringere Umsätze der Unternehmen bedeuten letzten Endes auch niedrigere Steuereinahmen – was dann auch für die Bürger Folgen hat“, so Alexander Meinrad, Senior Manager Forensic & Integrity Services bei EY und Co-Autor der Studie.

Immer mehr Fälschungen werden im Internet gekauft

Gerade im Internet boomt der Markt für gefälschte Uhren, Trikots und Kopfhörer: 28 Prozent gaben an, schon einmal nachgemachte Markenartikel im Netz bestellt zu haben. In den vergangenen sieben Jahren hat sich der Kauf von Plagiaten damit hier mehr als verdoppelt.

Meinrad: „Der Fälschungsmarkt ist gerade im Internet in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Mit wenigen Klicks lassen sich alle möglichen Plagiate von überall auf der Welt bestellen. Es ist sehr wichtig, dass Unternehmen reagieren, sobald sie Kenntnis von einem Shop oder einer Seite haben, die mit Kopien ihrer Ware handelt. Und zwar so schnell wie möglich. Den Markt beobachten, Beweise sammeln, Behörden informieren – das ist für Firmen unerlässlich, um gegen Produktpiraterie vorzugehen.“

Zur Seite steht Unternehmen dabei unter anderem der deutsche Zoll: Er zieht im Internet bestellte Plagiate aus dem Verkehr. 25.000-mal passierte das im vergangenen Jahr: 2021 beschlagnahmten die Grenzbeamten laut der offiziellen Jahresbilanz des Zoll gefälschte Ware im Wert von 315 Millionen Euro. Doch nicht nur das gekaufte Plagiat des Kunden ist damit weg. Darüber hinaus können die Hersteller des Originalprodukts auch noch Schadensersatzforderungen beim Käufer geltend machen.

„Noch immer halten viele Kunden den Kauf von gefälschter Ware für ein Kavaliersdelikt – doch das ist es beileibe nicht. Wer erwischt wird, dem drohen ernste Konsequenzen. Nicht nur durch den Zoll“, sagt Renz.

Zwei Drittel der Plagiate werden im Ausland gekauft

Zum Großteil werden Fälschungen aber weiter direkt im Ausland gekauft: 68 Prozent der Befragten geben dies an. Fast jeder Zweite (47 Prozent) schlug bei einem „fliegenden Händler“ oder auf einem Markt zu. Auch hier drohen Strafen: Bei allen Waren, die Reisende im Urlaub erwerben, liegt die Wert-Obergrenze in Summe bei Flügen oder Schiffsreisen bei 430 Euro pro Person. Bei Auto- und Zugreisen sind es 300 Euro. Ab einem Wert von 700 Euro nimmt der deutsche Zoll, der den Wert der Ware einschätzt, dafür Einfuhrumsatzsteuer – und etwaige Plagiate zieht er sogar ein.

Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Gefahr für die Gesundheit: Brennende Akkus, schlecht verarbeitete und ungeprüfte Technik, billige Ersatzmaterialien bei imitiertem Schmuck oder aggressive Chemikalien in der Kleidung – all das kann Käufer von Plagiaten verletzen oder krank machen. Das wissen die Befragten, mehr als vier von fünf der Studienteilnehmer nennen Gesundheitsgefahren (84 Prozent) als größtes Risiko beim Kauf von Plagiaten. Trotzdem nehmen viele Konsumenten die Gefahr billigend in Kauf.

„Dies hängt natürlich auch damit zusammen, dass nahezu alle Bundesbürger aktuell weniger Geld im Portemonnaie haben und die Inflation von einem Höchststand zum nächsten rast. Verbraucher werden sich zukünftig eher zwei oder drei Mal überlegen, welche Produkte sie sich wirklich leisten können. Dabei darf der Blick aber nicht zu illegalen Alternativen wandern, die wirtschaftlichen Schaden anrichten und zudem noch eine Gefahr für die eigene Gesundheit sind“, sagt Renz.