Rezeptfreie Medikamente: Wenn der Online-Kauf problematisch wird

Während der Corona-Pandemie haben viele Menschen rezeptfreie Medikamente online bestellt. Statt zum Arzt zu gehen, nutzen viele die Versandapotheken als Informationsquelle Nummer eins für den Medikamentenkauf. Auch das Vertrauen in diese kommerziellen Webseiten ist hoch, zeigt ein aktueller Marktcheck der Verbraucherzentralen. Und das, obwohl dort neben wichtigen Produktinformationen viel Werbung ausgespielt wird.

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Rezeptfreie Medikamente: Wenn der Online-Kauf problematisch wird. ©Depositphotos

„Nasenspray gegen Corona“, „Homöopathie 4 Kids“ oder Grünlippmuschelkonzentrat zur Prävention von Alzheimer: Diese Werbeversprechen von Versandapotheken zeigen, dass Verbraucher:innen bei der Online-Bestellung von Arzneimitteln mitunter bedenklichen Gesundheitsinformationen ausgesetzt sind. Dennoch informieren sich 89 Prozent der Online-Besteller:innen beim Medikamenten-Kauf auf deren Webseiten. Damit sind Versandapotheken die Online-Informationsquelle Nummer eins. Das zeigt der neue Marktcheck „Selbstmedikation in Corona-Zeiten: Rezeptfreie Medikamente im Netz“.

Die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben in ihrem Projekt „Faktencheck Gesundheitswerbung“ das Medikamenten-Kaufverhalten von Verbraucher:innen während der Corona-Pandemie in Deutschland untersucht. Dabei ging es um die Frage, was die Kaufentscheidung im Internet beeinflusst, wenn Menschen auf Selbstmedikation setzen: Wo informieren sie sich online über rezeptfreie Medikamente? Welche Empfehlungen und Faktoren wie Preis, Bequemlichkeit oder ähnliches spielen beim Kauf eine Rolle? Grundlage ist eine repräsentative Befragung von 1.786 Verbraucher:innen.

Defizite bei Gesundheitskompetenz, mangelhafte Informationen

Während der Corona-Pandemie haben 41 Prozent der Verbraucher:innen rezeptfreie Medikamente im Internet gekauft, ohne vorher ärztlichen Rat einzuholen. Zwei von fünf Deutschen „verordnen“ sich also selbst Schmerzmittel, Erkältungsmedizin und andere Arzneien. Und das bei einer zum Teil geringen Gesundheitskompetenz: 31 Prozent aller Befragten fühlen sich eher unsicher, was Informationen zu Medikamenten und Wirkstoffen angeht. 39 Prozent kennen sich nach eigener Einschätzung im medizinischen Bereich tendenziell nicht gut aus. „Würden die Verbraucher:innen bei der Selbstmedikation im Netz direkt auf zuverlässige Informationsquellen stoßen, wäre das weniger problematisch”, so Ann-Katrin Ortmüller, Mitarbeiterin des Projekts „Faktencheck Gesundheitswerbung“. „Aber Webseiten von Behörden oder wissenschaftlichen Einrichtungen werden deutlich seltener genutzt als die Seiten von Versandapotheken oder Internetforen.“ Beliebt bei jüngeren Online-Besteller:innen bis 29 Jahre sind auch Influencer:innen (32 Prozent) sowie soziale Netzwerke allgemein (47 Prozent), um sich über Anwendungen und Nebenwirkungen der rezeptfreien Medikamente zu informieren.

Am mangelnden Vertrauen in öffentliche Online-Informationsangebote liegt es offenbar nicht: Verbraucher:innen vertrauen den Webseiten von Behörden und wissenschaftlichen Einrichtungen am meisten (70 von 100 Vertrauenspunkten) – wiederum dicht gefolgt von den Versandapotheken, deren Online-Angebote deutlich mehr genutzt werden.

Nicht immer ist Werbung auf den Webseiten dabei eindeutig als solche zu erkennen. Bei Versandapotheken gab es Fälle, in denen homöopathische Arzneimittel in Kundenrezensionen mit Wirkungen beworben wurden, die nicht belegt sind. Dabei dürfen registrierte homöopathische Arzneimittel nach dem Heilmittelwerbegesetz gar nicht mit Anwendungsgebieten beworben werden. „Solche beschönigenden oder falschen Kundenbewertungen sind problematisch“, so Ann-Katrin Ortmüller. Denn 73 Prozent der Online-Besteller:innen nutzen laut Marktcheck die Kundenrezensionen als Kompass beim Medikamentenkauf im Netz. Daneben spielen die eigenen Erfahrungen, der Preis und die Bequemlichkeit eine große Rolle.

Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V.
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