EU-Umsatzsteuerreform: Mehr Fluch als Segen für den E-Commerce?

Die EU-weite Umsatzsteuerreform im Juli 2021 soll für Onlinehändler die Abwicklung ihrer international anfallenden Umsatzsteuer erleichtern. Doch hat sich das rückblickend gelohnt? Gut neun Monate nach der Reform ist klar: Die neuen Regularien waren zwar gut gemeint, bringen an manchen Stellen Erleichterung, wurden jedoch nicht konsequent bis zu Ende gedacht. Für viele Händler brachte die Reform Mehraufwand und zusätzliche Hürden mit sich. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich durchgeführte Händlerbefragung durch  Taxdoo, dem Financial Operating System im E-Commerce, in Zusammenarbeit mit dem IFH Köln. Befragt wurden 260 Händler zum Thema “Internationalisierung und Einfluss von Regularien auf den E-Commerce”. Aus Sicht von Taxdoo hinkte die Reform bereits mit ihrem Inkrafttreten den Anforderungen des modernen E-Commerce hinterher.

Taxdoo-Studie deckt “Pain Points” der Händler beim Thema OSS auf

Rund 70 Prozent der Händler gaben dabei an, den Mehraufwand seit der Einführung der Umsatzsteuerreform mit dem sogenannten One-Stop-Shop  (OSS) als zentralem Element als größer oder sogar erheblich größer zu empfinden. Lediglich 3,5 Prozent sagten, der Aufwand sei kleiner geworden.

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©Taxdoo 2022

Dr. Roger Gothmann, Co-CEO und Co-Founder von Taxdoo erklärt: “Die Umsatzsteuerreform ist inhaltlich unausgegoren und nicht auf dem Stand der aktuellen Technologien. Sie wurde in der Theorie auf dem Reißbrett entworfen, ohne sich die realen Gegebenheiten und potenziellen Hürden für die Händler genauer anzusehen. Aufgrund zahlreicher Ausnahmen und Sonderregelungen besteht nach wie vor ein hohes Risiko für falsche Steuerangaben. Gleichzeitig war es bis Dezember 2021 nicht möglich, die Umsatzsteuererklärungen beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern online einfach  hochzuladen. Man musste vielmehr alle relevanten Umsatzdaten Zeile für Zeile per Hand eingeben. Darüber hinaus enthielt der OSS zahlreiche Bugs, die zu kryptischen Fehlermeldungen führten. Das sorgte und sorgt noch immer für sehr viel Verunsicherung bei den Händlern.”

Die Ergebnisse der Händlerbefragung bestätigen diese Aussage. Rund 81 Prozent der Händler, die ihre Steuerangelegenheiten bisher selbst erledigt haben, gaben an, künftig die Umsatzsteuerabwicklung einem Profi überlassen zu wollen. Dadurch reduzieren sich zwar Mehraufwand und Risiken, die Kosten steigen jedoch und dies geht am Ende entweder zu Lasten der Marge oder zu Lasten der Kunden.

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Gothmann erklärt weiter: “Technologie und Automatisierung sind die Schlüssel zu einer wesentlich einfacheren Handhabung der neuen Vorschriften. Doch müssen dafür auch die technologischen Voraussetzungen bei den zuständigen Behörden, in diesem Falle das Bundeszentralamt für Steuern, gegeben sein.”

Regulatorische Hürden erschweren auch das Thema Internationalisierung

Nicht nur der zusätzliche Aufwand durch neue Regularien oder die dadurch steigenden Kosten machen es den Onlinehändlern schwer. Auch bei der Internationalisierung sorgen logistische und steuerliche Hürden für Unsicherheiten. So geben rund 50 % der Händler an, im Zuge von Internationalisierung und rechtskonformem Handeln beim Thema Steuern auf Hürden zu stoßen. Damit ist die Steuerabwicklung direkt nach der Logistik der größte Stolperstein beim Thema Internationalisierung.

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Zusammenfassend lässt sich aus Sicht von Dr. Roger Gothmann feststellen,  dass es noch viel weiteres Optimierungspotenzial beim Thema Umsatzsteuer gibt. Gothmann empfiehlt daher, künftig bei Gesetzesvorhaben von vornherein Technologie-Experten bei der Planung einzubeziehen, um so die Halbwertzeit von Gesetzen deutlich zu erhöhen.

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