Arbeitszeitenerfassung: Neues Urteil bringt Schwung in die Diskussion

Das kürzlich gefällte Urteil des Landgerichts Niedersachsens hat die Diskussion über die Erfassung der Arbeitszeit in der Bundesrepublik erneut erfasst. In Deutschland existiert diesbezüglich zwar noch immer keine landesweite einheitliche Regelung, allerdings ist es für Unternehmen dennoch ratsam, sich mit dem Thema der Zeiterfassung ihrer Mitarbeiter schon heute näher zu beschäftigen.

Das Urteil aus dem Mai des Jahres 2019 des EuGH, in dem entschieden wurde, dass Arbeitgeber in den EU-Mitgliedsstaaten zu der Einrichtung eines zugänglichen, verlässlichen und objektiven Systems zur Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet sind, wurde kontrovers diskutiert.

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Arbeitszeitenerfassung: Neues Urteil bringt Schwung in die Diskussion. pixabay.com ©u_h0yvbj97 (Creative Commons CC0)

Nun wurde das folgende Urteil des Arbeitsgerichts Emden, welches das europäische Urteil unterstützte, durch das Landgericht Niedersachsen in Frage gestellt.

Nur politische Aufforderung des EuGH?

Seit der Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichthofes sind nun zwei Jahre vergangen. Von der Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten wurden damals sowohl die Unternehmen als auch die Politik in Unruhe versetzt. Es herrschte keine Einigkeit darüber, ob sich die Wirkung des Urteils unmittelbar in Deutschland entfalten würde.

Im Nachhinein wurde das Urteil von vielen Entscheidern eher als Verpflichtung zu einer Handlung des Gesetzgebers in Deutschland aufgefasst. Daher warteten viele Unternehmen erst einmal ab, wie das deutsche Gesetz zur Arbeitszeiterfassung im Detail aussehen würde.

Allerdings wurden sowohl im individuellen als auch im kollektiven Bereich schnell Warnungen dahingehend ausgesprochen, dass wirtschaftliche Risiken drohen, wenn eine Arbeitszeiterfassung nicht entsprechend umgesetzt wird. Da durchaus eine gewisse Zeit benötigt wird, um eine Zeiterfassung in Unternehmen zu implementieren, wurde Arbeitgebern so empfohlen, das Thema zeitnah zielorientiert anzugehen.

Dies Folgen des Urteils des Landgerichts Niedersachsen

Das Landgericht Niedersachsen hat für die Unternehmen nun die direkten Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes relativiert. Allerdings wurde die Debatte durch den Impuls, welchen zuvor das Arbeitsgericht Emden in mehreren Urteilen geliefert hat, noch einmal verstärkt.

Darüber hinaus wurde die Revision durch das Landgericht Niedersachsen zugelassen, sodass es wahrscheinlich ist, dass sich das Bundesarbeitsgericht in Zukunft ebenfalls mit der Frage beschäftigen wird, wie sich das Urteil des EUGH beispielsweise auf den Umgang mit Überstunden auswirkt.

Ausgestaltung des Gesetzes lässt zahlreiche Fragen offen

Im Zuge der aktuellen Debatte bleibt unglücklicherweise noch offen, wie die Ausgestaltung der vorgeschriebenen Systeme zur Zeiterfassung konkret beschaffen sein muss, damit diese den Anforderungen zur Beweis- und Darlegungslast der Gerichte entspricht.

Erste Vorschläge für Regelungen haben die Vorgaben, welche der Europäische Gerichtshof definiert hat, in einigen Fällen bereits überfüllt. Allerdings sind die Anforderungen recht klar gestaltet – die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter muss aufgezeichnet werden. Diese Aufzeichnung muss sich dabei so gestalten, dass überprüft werden kann, ob die Mindestruhezeiten eingehalten werden. Zu erfassen ist somit nicht nur die Arbeitsdauer pro Tag, sondern ebenfalls ihr Anfang und ihr Ende. Heute ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob die Pausenzeiten ebenfalls erfasst werden müssen.

In Konsequenz bleibt den Arbeitgebern aktuell so noch selbst überlassen, inwieweit sie das Urteil für sich umsetzen. Allerdings ist nun definitiv ein guter Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, welches System zur Zeiterfassung in der eigenen Firma umsetzbar und sinnvoll wäre. Bei der entsprechenden Implementierung lässt sich dann wertvolle Zeit sparen, sobald die europäischen Vorgaben in Deutschland verpflichtend umgesetzt werden.