Covid-19-Pandemie beschleunigt Wandel im Wealth-Management-Markt

Infolge der Umwälzungen durch Covid-19 und angesichts eines veränderten Werte- und Umweltbewusstseins der vermögenden Klientel kommt Bewegung in den deutschen Wealth-Management-Markt: Anlage- und Risikopräferenzen auf der Nachfrageseite verschieben sich. Großtrends, wie der Bedarf an nachhaltigen Investments und der Einsatz digitaler Technologien, legen an Tempo zu. Anbieter müssen Mehrwertleistungen bieten, um ihre Gebühren zu rechtfertigen, so die Ergebnisse der Deutschen Wealth Management Studie 2021 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Für die Studie wurden weltweit mehr als 2.500 vermögende Wealth-Management-Kunden aus 21 Ländern, davon 137 in Deutschland, befragt.

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Covid-19-Pandemie beschleunigt Wandel im Wealth-Management-Markt. ©EY 2021

Überdurchschnittliche Wechselbereitschaft in Deutschland

Vier von zehn deutschen Privatkunden (39 Prozent), die ein Vermögen von 250.000 bis 30 Millionen US-Dollar (und mehr) betreuen lassen, erwägen ihren Wealth Manager innerhalb der nächsten drei Jahre zu wechseln. Dies entspricht einer Steigerung um sechs Prozentpunkte gegenüber der Vorgängerbefragung aus dem Jahre 2019. Damit liegt Deutschland, anders als vor zwei Jahren, über dem europäischen Durchschnitt. Lediglich in Italien ist eine ähnlich hohe Bereitschaft festzustellen. Wechselwillig sind vor allem die jüngeren Investoren (21- bis 40-jährige) sowie diejenigen, die ein höheres finanzielles Vorwissen bei ihren Investments mitbringen.

Verschiebung von Anlageprioritäten erfordert Neuausrichtung

Mit Blick auf Rendite-Risiko-Profile sind die betreuten Portfolien eher moderat aufgestellt. Jeder dritte Kunde in Deutschland (34 Prozent) reagiert auf die wirtschaftlichen Nachwehen der Pandemie mit einer Reduzierung risikoreicher Exposures (zum Vergleich: europaweit sind es 38 Prozent, weltweit 43 Prozent): „Zwar besteht, unter anderem aufgrund der Zuflüsse in Assetklassen, die im Negativzinsumfeld Dividenden beziehungsweise Wertsteigerungen versprechen, ein hoher Bedarf an Wealth-Management-Dienstleistungen“, so Sebastian Schäfer, Director und Leiter Wealth Management, Financial Services Consulting von EY Deutschland. „Allerdings sind die Ansprüche der wohlhabenden Kunden vielerorts komplexer geworden – mit erheblichen Auswirkungen auf Serviceangebote, Preisgestaltung, sowie technologische und digitale Fähigkeiten“.

So ist das Thema Nachhaltigkeit aufgrund des breiten gesellschaftlichen Diskurses längst auch im Wealth Management angekommen. Über drei Viertel (82 Prozent) der deutschen Wealth Management-Kunden haben persönliche Nachhaltigkeitsziele definiert (europaweit: 80 Prozent, global: 78 Prozent). Schäfer erwartet daher Wettbewerbsvorteile für diejenigen Anbieter, die breites Know-how hinsichtlich nachhaltiger Investments aufbauen und sich entlang dieser Kundenbedarfe neu ausrichten. Dies hat Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette von der Unternehmensstrategie über die Produkte und Governance bis hin zum Beratungsprozess. „Immer mehr Anleger möchten, jenseits von Renditegesichtspunkten, mit ihren Anlageentscheidungen eine bestimmte Haltung ausdrücken und ökologische oder soziale Ziele verfolgen.“, so Sebastian Schäfer. Die Abbildung der Themen – darunter Klimawandel, Umweltschutz, Biodiversität oder CO2-Fußabdruck – müsse dabei in der Tiefe über die Ansätze der seit März 2021 bestehenden EU-Offenlegungsverordnung und das Mindestmaß regulatorischer Geeignetheitsprüfungen hinaus gehen.

Digitalisierung und Vertrauen

Der Reifegrad der IT-Strukturen und die Leistungsfähigkeit der Omni-Kanal-Interaktion mit dem Kunden sind erfolgskritisch für die Konkurrenzfähigkeit der Finanzhäuser. Damit einher geht auch die Art des Umgangs mit sensiblen, personenbezogenen Daten. Hier haben Wealth Manager gegenüber (branchenfremden) technologiegetriebenen Firmen noch einen Vertrauensvorschuss: Zwei von drei vermögenden Deutschen (65 Prozent) zeigen sich bereit, persönliche Daten mit dem Wealth Manager zu teilen. Diese Bereitschaft ist gegenüber Versicherungen (53 Prozent) und Online-Brokern (44 Prozent), sowie gegenüber Online-Händlern (31 Prozent), oder Suchmaschinen- und Streaminganbietern (23 bzw. 20 Prozent) deutlich geringer ausgeprägt.

Der Einsatz digitaler und mobiler Lösungen wird das Wealth Management zunehmend unterstützen. Dies hat einerseits Effizienzgründe, ist aber vor allem auf die Umbrüche während der Corona-Pandemie zurückzuführen und als Reaktion auf ein geändertes Kundenverhalten zu verstehen. 40 beziehungsweise 46 Prozent der deutschen Kunden planen, digitale Technologien oder Möglichkeiten für eine virtuelle Beratung künftig mehr einzusetzen. Dass ein komplettes Umdenken hin zu rein digital basierten Modellen stattfinden wird, damit rechnen die Studienautoren jedoch nicht. Insbesondere das sehr wohlhabende Klientel setzt weiterhin stark auf den persönlichen Kontakt (48 Prozent).

Gebühren und Services

Fast jeder zweite Kunde (47 Prozent) in Deutschland ist bereit, für eine überdurchschnittliche Kundenerfahrung sowie bessere und exklusivere digitale Dienstleistungen (mehr) zu zahlen. „Über Standardleistungen können die Geldhäuser ihre Gebührenmodelle kaum mehr rechtfertigen“, betont Schäfer. „Die Hinwendung auf Kundenbedürfnisse muss, auch in Abgrenzung zum Retail-Geschäft, daher über zugeschnittene Mehrwertleistungen erfolgen.“ Zu diesen Servicemerkmalen zählen neben einer qualitativ hochwertigen Beratung vor allem hochentwickelte, digitale Angebote, die Portfolien und Nettovermögen mit Echtzeitinformationen transparent und umfänglich abbilden. Darüber hinaus werden Trainings und Angebote zur finanziellen Weiterbildung sowie Vernetzung und Zugang zu Spezialisten geschätzt.

EY