Kartellrecht: Apple soll seine Markmacht gegenüber Musikstreaming-Anbietern missbraucht haben

Apple hat nach vorläufigen Ermittlungsergebnissen der Europäischen Kommission seine marktbeherrschende Stellung im Vertrieb von Musikstreaming-Apps über seinen „App Store“ missbraucht und dadurch den Wettbewerb auf dem Musikstreaming-Markt verfälscht. Die Kommission kritisiert vor allem, dass Entwickler von Musikstreaming-Apps das Apple-eigene System für In-App-Käufe nutzen müssen, um ihre Apps über den App-Store von Apple zu vertreiben. Außerdem befürchtet sie, dass Apple die App-Entwickler durch bestimmte Beschränkungen daran hindert, Nutzer von iPhones und iPads über kostengünstigere Bezugsmöglichkeiten zu informieren.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die Apple nun zugestellt wurde, bezieht sich auf die Anwendung dieser Regeln auf alle Musikstreaming-Apps, die mit der Apple-eigenen Streaming-App „Apple Music“ im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Wettbewerb stehen. Das Verfahren wurde durch eine Beschwerde von Spotify angestoßen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „App-Stores spielen in der digitalen Wirtschaft von heute eine wichtige Rolle. Wir können mittlerweile über Apps Einkäufe tätigen und auf Nachrichten, Musik oder Filme zugreifen, anstatt zu diesem Zweck auf die entsprechenden Websites zu gehen. Im Rahmen unserer Untersuchung sind wir zu dem vorläufigen Ergebnis gelangt, dass Apple für Nutzer von iPhones und iPads, die über den App Store darauf zugreifen, ein Torwächter ist. Außerdem steht das Unternehmen mit Apple Music mit anderen Musikstreaming-Anbietern im Wettbewerb. Durch die Festlegung strenger Regeln für den App Store, die für konkurrierende Musikstreaming-Dienste nachteilig sind, nimmt Apple den Nutzern die Möglichkeit, sich für günstigere Streaming-Angebote zu entscheiden, und verfälscht den Wettbewerb. Dies geschieht durch hohe Provisionen, die Apple bei jeder Transaktion im App Store von Konkurrenten erhebt. Außerdem verbietet Apple ihnen, ihre Kunden über andere Kaufmöglichkeiten zu informieren.“

Mitteilung der Beschwerdepunkte zu Apples Regeln für den Vertrieb von Musikstreaming-Apps

Die Kommission ist zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass Apple eine marktbeherrschende Stellung im Bereich des Vertriebs von Musikstreaming-Apps über seinen App Store innehat. Für App-Entwickler ist der App Store das einzige Zugangstor zu Verbrauchern, die intelligente Mobilgeräte von Apple mit dem Apple-Betriebssystem iOS nutzen. Die Geräte und die Systemsoftware von Apple bilden ein „geschlossenes Ökosystem“, in dem Apple alle Aspekte der Nutzererfahrung für iPhones und iPads steuert.

Der App Store von Apple ist Teil dieses Ökosystems und der einzige Store für Software-Anwendungen, über den Nutzer Apps für ihr iPhone oder iPad herunterladen können. Im Rahmen ihrer Untersuchung stellte die Kommission fest, dass die Nutzer von Apple-Geräten dieser Marke sehr treu bleiben und nicht so leicht zu einer anderen Marke wechseln. Daher müssen Entwickler, die Software-Anwendungen für iOS-Nutzer anbieten wollen, ihre Apps über den App Store vertreiben und dabei die obligatorischen und nicht verhandelbaren Regeln von Apple einhalten.

Die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Bedenken der Kommission beziehen sich auf die Kombination der beiden folgenden Regeln, die in den Vereinbarungen zwischen Apple und den Entwicklern von Musikstreaming-Apps festgelegt sind:

  • Die verbindliche Vorgabe, dass für die Verbreitung bezahlter digitaler Inhalte das Apple-eigene System für In-App-Käufe genutzt werden muss. Apple erhebt von den Entwicklern der Apps eine Provision in Höhe von 30 Prozent auf alle im Rahmen von In-App-Käufen bezogenen Abonnements. Die Untersuchung der Kommission ergab, dass die meisten Streaming-Anbieter diese Gebühr durch Preiserhöhungen an die Endnutzer weitergeben.
  • Bestimmungen, durch die es App-Entwicklern erschwert wird, die Nutzer über alternative Kaufmöglichkeiten außerhalb der Apps zu informieren. Apple ermöglicht es den Nutzern zwar, anderswo erworbene Musikabonnements zu nutzen, doch seine Regeln hindern die Entwickler daran, die Nutzer über solche – in der Regel günstigere – Bezugsmöglichkeiten zu informieren. Die Kommission befürchtet, dass die Nutzer von Apple-Geräten deshalb deutlich höhere Gebühren für ihre Musikabonnements bezahlen oder bestimmte Abonnements nicht direkt in den Apps erwerben können.

Die Kommission ist der vorläufigen Auffassung, dass die Vorschriften von Apple den Wettbewerb auf dem Markt für Musikstreaming-Dienste verfälschen, indem sie die Kosten für konkurrierende Entwickler von Musikstreaming-Apps erhöhen. Dies wiederum führt dazu, dass die Verbraucher für ihre In-App-Musikabonnements auf Apple-Geräten höhere Preise bezahlen müssen. Darüber hinaus fungiert Apple bei allen In-App-Käufen als Vermittler und übernimmt die Abrechnung sowie die damit verbundene Kommunikation für seine Wettbewerber.

Sollten sich die Bedenken der Kommission bestätigen, würde ein Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorliegen, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis des jeweiligen Verfahrens nicht vor.

Hintergrund und Verfahren

Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Wie diese Bestimmungen umzusetzen sind, ist in der EU‑Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) festgelegt, die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet werden kann.

Am 16. Juni 2020 leitete die Kommission eine eingehende Untersuchung von Apples App-Store-Regeln ein.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften. In einer solchen Mitteilung setzt sie die Parteien schriftlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen. Eine Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Einleitung eines förmlichen Kartellverfahrens greifen dem Untersuchungsergebnis nicht vor.

Es gibt keine verbindlichen Fristen für den Abschluss einer kartellrechtlichen Untersuchung. Die Dauer einer solchen Untersuchung hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. von der Komplexität der Sache, dem Umfang, in dem die betreffenden Unternehmen mit der Kommission kooperieren, und der Ausübung der Verteidigungsrechte.