Das Prime-Abo als Motor für die Amazon-Wachstumsgeschichte
Die Kursgewinne der Amazon-Aktie machen Amazon zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Mit einer Marktkapitalisierung von ca. 1,3 Billionen US-$ übertrifft Amazon andere Tech-Giganten wie Google und Facebook mittlerweile deutlich. Seit der Konzern bewiesen hat, dass er auch signifikante Gewinne erwirtschaften kann, scheint die Amazon-Erfolgsgeschichte keine Grenzen mehr zu kennen. Im Krisenjahr 2020 generierte Amazon Umsatzerlöse von etwa 386 Mrd. US-Dollar, ein Zuwachs von 37 % gegenüber dem Vorjahr.
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„Der Anspruch, das kundenzentrierteste Unternehmen der Welt und gleichzeitig Vorreiter in Sachen Dynamic Pricing zu sein, beinhaltet ein nicht unerhebliches Risiko: Die Kunden mit Prime-Abo sind für Amazon von entscheidender Bedeutung – gleichzeitig sehen diese hochwertigen Kunden die Praxis flexibler Preise relativ kritisch“, betont Prof. Dr. Andreas Krämer, CEO der exeo Strategic Consulting AG und Co-Autor der Studie OpinionTRAIN.
Die Ergebnisse der Studie im Überblick
Das Segment der Prime-Abonnenten gewinnt für Amazon weiter an Bedeutung
In Deutschland (82 %) und Österreich (83 %) liegen die Amazon-Kundenanteile in der Bevölkerung vergleichsweise hoch. Ganz anders in der Schweiz und in Schweden, wo der eCommerce-Gigant offenbar deutlich mehr Probleme hat bzw. diese Märkte nicht im Fokus stehen. So geben in Schweden nur 31 % der Befragten an, Kunden bei Amazon zu sein (Schweiz 36 %). Unter den Amazon-Nutzern ist der Anteil der Prime-Mitglieder in Österreich besonders hoch. 37 % der Befragten bestätigen hier, über ein Prime-Abo zu verfügen – in Deutschland sind dies 31 % (Nov./Dez. 2020), im Apr./Mai 2020 waren dies noch 26 %.
Im Ranking der wichtigsten Amazon-Leistungen stehen günstige Preise an Nr. 3
Amazon-Kunden sehen unterschiedliche USPs beim Onlinehändler: Im Ranking vorne stehen die schnelle Lieferung und die breite Produktauswahl. Wie frühere Studienergebnisse von Rogator / exeo bereits gezeigt haben, spielt der günstige Preis in der Kundenwahrnehmung von Amazon eine wichtige, aber nicht die dominierende Rolle. Daran ändert auch die Corona-Krise wenig. Gefragt nach den wichtigsten Merkmalen von Amazon nennen die Nutzer in Deutschland und Österreich im Mittel ca. 4 Merkmale, in Schweden aber nur etwa zwei.
Prime-Mitglieder als Wachstumstreiber in der Corona-Krise
Während des zweiten Lockdowns hat der Trend zu Online-Bestellungen zugenommen. 30 % der Befragten in den vier untersuchten Ländern geben an, häufiger online Produkte gekauft zu haben, 10 % bestätigen weniger Onlinekäufe, 60 % unverändert. Während Personen, die nicht bei Amazon kaufen, im Saldo einen leicht positiven Wert erreichen (+8 %-Punkte) ist beim Segment der Prime-Kunden ein stark positiver Saldo (+36 %) erkennbar (41 % häufiger, 5 % seltener). Damit wird aber auch deutlich, dass das Umsatzwachstum des Online-Händlers in der Krise speziell durch die Kundengruppe mit Prime-Abonnement bestimmt wird. Diese Ergebnisse gelten auch tendenziell, wenn der Online-Einkauf von Lebensmitteln in der Krisenphase beleuchtet wird. In Deutschland haben im Okt. und Nov. 2020 etwa 21 % der Verbraucher Lebensmittel online eingekauft, in der Gruppe der Amazon-Prime-Kunden jedoch 28 %.
Prime-Kunden sehen Dynamic Pricing kritisch
Mittlerweile wird auch im stationären Handel stärker der Einsatz einer dynamischen Preisgestaltung diskutiert, bei dem die Produktpreise häufiger angepasst werden. D.h. wenn die Nachfrage steigt, steigt auch der Preis, wenn die Nachfrage fällt, sinkt der Preis. Amazon-Prime-Kunden beurteilen das Dynamic Pricing überwiegend kritisch: 39 % finden z.B. den Einsatz bei Haushaltsgeräten nicht sinnvoll. Bezogen auf 20 unterschiedliche Produktkategorien ist die Akzeptanz bei Prime-Kunden ähnlich zum Gesamtwert relativ kritisch. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass Amazon als Vorreiter des Dynamic Pricing gilt. Produktpreise können sich täglich mehrmals ändern. Damit zeigt sich ein klarer Widerspruch: Einerseits stellt das Kundensegment der Prime-Abonnenten den zentralen Hebel für weiteres Wachstum dar. Anderseits besteht ein großes Risiko, diese Kunden zu verärgern, wenn Stammkunden verstärkt Preisänderungen wahrnehmen und dies als unfair bewerten.
Abnehmende Kundenzufriedenheit: Effekt der Corona-Krise oder Trend?
Amazon erreicht in Deutschland traditionell sehr hohe Werte in der Weiterempfehlungsabsicht und kommt beim Net Promoter Score® (NPS®) aktuell auf einen Wert von +24. Der NPS® stellt die Differenz dar zwischen dem Anteil der Verbraucher, die das Unternehmen weiterempfehlen, und dem Anteil derer, die keine Empfehlung abgeben (Wertebereich -100 bis +100). Im Segment der Prime-Kunden ist die Weiterempfehlungsbereitschaft in Deutschland besonders hoch. Bei Betrachtung der Zeitreihe zum NPS® wird jedoch ein stark negativer Trend für Amazon erkennbar, und zwar sowohl bei Kunden ohne als auch mit Prime-Abo. Trotz der relativ guten Ergebnisse für Deutschland, zeigen sich potenzielle Schwächen. Gegenüber den Vormessungen (Studie Pricing Lab 2017: -19) ist das NPS®-Niveau bei Prime-Kunden besonders stark gesunken – ein Alarmsignal: Erreichte das Kundensegment Prime-Abo noch in 2017 ein Niveau von knapp +80, liegt der NPS® aktuell bei nur noch +43. Hierbei ist allerdings nicht klar, ob die aktuellen Werte eher durch die Corona-Krise bestimmt sind oder sich darin vielmehr die Verfestigung eines negativen NPS®-Trends für Amazon widerspiegelt. Für den Internetgiganten wird es zunehmend schwerer, die bestehenden Kunden zu begeistern.
„Trotz des starken Umsatzwachstums offenbaren die Studienergebnisse eine zentrale Schwäche im Geschäftsmodell von Amazon. Die Bindung der Stammkunden an das Unternehmen ist gefährdet, selbst wenn die Zahl der Prime-Abonnenten in der Corona-Krise gewachsen ist“, resümiert Johannes Hercher, Vorstand der Rogator AG und Co-Autor der aktuellen Studie OpinionTRAIN.
Hintergrund der Studie: „OpinionTRAIN“ ist eine repräsentativ angelegte Studie zur Bewertung von Trends und des Wertewandels in der Bevölkerung (Kooperation von der Rogator AG und der exeo Strategic Consulting AG). Grundlage der Untersuchung ist eine Online-Befragung von 2.500 Personen (18-80 Jahre) in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Schweden. Im Nov./Dez. 2020 wurde die zweite Erhebung durchgeführt (2. Lockdown), nachdem die erste Erhebung (Apr./Mai 2020) die Situation der Menschen zur Zeit des ersten Lockdowns beleuchtete.
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