Technologie-Startups in Deutschland sammeln trotz Corona-Krise mehr Geld ein

Die Finanzierung der aktuell 100 größten deutschen Tech-Startups hat sich 2020 im Vergleich zu den Vorjahren weiter verbessert: Sie konnten seit ihrer Gründung 13,7 Milliarden US-Dollar von Investoren einsammeln. Im Vergleich zu den Top-100-Startups 2019 entspricht das einer Steigerung um 3,7 Milliarden US-Dollar beziehungsweise 37 Prozent.

Die am besten finanzierten zehn Technologie-Startups erhielten 2020 zusammen zwar 1,3 Milliarden US-Dollar weniger als die Top Ten des Vorjahres und kamen somit auf 1,8 Milliarden US-Dollar an Venture Capital. Dafür verteilten sich die Investitionen auf mehr Startups: Die Zahl der Deals im Technologie-Segment stieg von 791 im Jahr 2019 auf 820 im vergangenen Jahr.

Seit ihrer Gründung konnte die AUTO1 Group mit insgesamt knapp 1,4 Milliarden US-Dollar das meiste Venture Capital einsammeln. Dahinter folgen die Reiseplattform GetYourGuide (789 Millionen US-Dollar) und das Finanz-Startup N26 (783 Millionen US-Dollar).

Alle drei genannten Unternehmen sitzen in Berlin und auch insgesamt ist die Hauptstadt das Startup-Zentrum Deutschlands: 64 der 100 Tech-Startups mit der höchsten Gesamtfinanzierung kommen aus der Hauptstadt. Aus München kommen 21 der größten Startups, aus Hamburg sechs.

Das sind Ergebnisse der aktuellen EY-Studie „Venture Capital and Startups in Germany 2020“. Untersucht wurden Finanzierungen, Fusionen und Übernahmen der zum Stichtag 31. Dezember 2020 größten deutschen Tech-Startups.

„2020 ist die Finanzierung der Technologie-Startups trotz Corona-Pandemie weiter gestiegen“, sagt Dr. Thomas Prüver, Partner Strategy and Transactions bei EY und zuständig für Technologietransaktionen. „Die hohen Bewertungen hängen auch damit zusammen, dass diese Unternehmen ihr Geschäftsmodell von Beginn an digital ausgerichtet haben und damit flexibler als andere Unternehmen auf die derzeitigen Herausforderungen reagieren können. Die Digitalisierung der Wirtschaft ist einer der Megatrends des 21. Jahrhunderts und diese Jungunternehmen weisen den Weg. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2020 haben wir eine Zunahme der Finanzierungsrunden für junge Technologieunternehmen beobachtet.“

M&A ging 2020 zurück – Zunahme für 2021 erwartet

Die Anzahl der Fusionen und Übernahmen von Technologie-Startups ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel auf 90 zurückgegangen ist. Nach Einschätzung von Prüver wird das aber nicht so bleiben: „Da ausreichend Liquidität im Markt ist, und viele Startups mit innovativen digitalen Geschäftsmodellen im vergangen Jahr überzeugen konnten, rechnen wir mit einer Zunahme der M&A-Aktivität im laufenden Jahr.“

Vor allem im Fokus der Investoren: Fintechs sowie Software- und Analysedienstleister, von denen 24 beziehungswiese 20 zu den 100 bestfinanzierten Tech-Startups 2020 zählen. Am meisten Geld floss jedoch in die Bereiche Mobilität und e-Commerce. Alleine 2020 erhielten Mobilitäts-Startups Venture Capital in Höhe von über einer Milliarde US-Dollar. Startups aus dem Bereich E-Commerce kamen auf 744 Millionen US-Dollar. Durchschnittlich sammelte jedes in der Top 100 vertretene Startup aus diesen beiden Bereichen etwa 250 Millionen US-Dollar seit ihrer Gründung ein – so viel wie in keiner anderen Branche.

„Im vergangenen Jahr richteten die Investoren ihren Fokus vor allem auf Startups mit B2B-Lösungen, die andere Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen“, so Prüver. „Wir sehen aber auch eine Zunahme in anderen Bereichen. Dazu zählen E-Commerce-Plattformen, die vom Trend zu Bestellungen über das Internet und der Lieferung nach Hause profitieren oder Gesundheits-Startups, die gerade durch die Pandemie an Sichtbarkeit gewonnen haben. Aber auch Investitionen in CleanTech-Startups sind in den letzten Jahren konstant gestiegen und werden noch weiter steigen. Klima- und Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen in der Wirtschaft zunehmend an Bedeutung.“

Nur zehn der 100 Top-Startups von Frauen gegründet

In einem weiteren Bereich der deutschen Startup-Landschaft wünscht sich Prüver noch weitere Schritte nach vorne: „Weibliche Gründer sind nach wie vor eine Minderheit. Dabei wissen wir aus Untersuchungen, dass Diversität ein erheblicher Faktor für Wachstum und Erfolg ist.“ Von den 100 höchstbewerteten Startups wurden nur zehn von Frauen (mit-)gegründet, 14 werden aktuell von einer Frau geleitet beziehungsweise mitgeleitet. Es sei für Frauen insbesondere schwieriger an Risikokapital zu kommen, so Prüver: „Das liegt unter anderem daran, dass auch die Investoren überwiegend männlich sind und sich oft nicht mit den Produkten von Startups identifizieren können, die sich auf Frauen als Kunden konzentrieren. Zudem fehlt es an Frauennetzwerken in der Startup-Szene. Wir können das traditionelle, männlich dominierte Startup-Bild aber verändern, indem wir als Gesellschaft junge Frauen dazu ermuntern, zu gründen und ihnen auf dem Weg auch helfen – beispielsweise indem wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern.“

EY