Studie zum Konsumverhalten: Pandemie katapultiert Haushaltsgerätehersteller ins digitale Zeitalter

Weltweit wächst der Onlineabsatz von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen, Kühlschränken oder Geschirrspülern rasant. Dadurch geraten die bisher noch stark auf Einzelhandelskanäle bauenden Hersteller zunehmend unter Handlungsdruck. Vor der Corona-Krise hatte bereits rund ein Viertel der Konsumenten Käufe übers Internet getätigt, künftig tendieren dazu weitere 26 Prozent. Bis 2025 könnten aufgrund des sich wandelnden Kundenverhaltens rund 40 Prozent aller Geräte rund um den Globus online abgesetzt werden. Direkt über die Webseite eines Herstellers kauft allerdings bislang noch nicht einmal jeder Zehnte. Dies sind Ergebnisse der Studie „Covid-19 Catapults White Goods Makers into the Digital Future“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company.

„Die Botschaft an die Haushaltsgeräteindustrie ist eindeutig“, sagt Bain-Partner Michael Staebe, Co-Autor der Studie und Leiter der Praxisgruppe Industriegüter und -services im deutschsprachigen Raum. „Digitale Verkaufskanäle und zielgenaue Marketingaktionen sind essenziell, um Marktanteile zu halten beziehungsweise hinzuzugewinnen.“ Bereits zwischen 2014 und 2019 nahmen die weltweiten Onlineverkäufe jährlich um durchschnittlich 10,5 Prozent zu, während der Absatz im stationären Einzelhandel nahezu unverändert blieb. Und der digitale Aufwärtstrend hält an. Insbesondere die jüngeren Altersgruppen werden den E-Commerce-Boom in der Branche in den kommenden Jahren beschleunigen.

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©Bain & Company

Produktdaten besser nutzen

„Angesichts des raschen Wandels hin zu digitalen Kanälen bedarf es seitens der Haushaltsgerätehersteller einer Kraftanstrengung – und das langfristig“, betont Matthias Niehues, Senior Manager bei Bain und Industrieexperte. Vorreiter bauen deshalb ihre eigenen Onlineverkaufskanäle aus (Direct-to-Consumer), kooperieren intensiver mit marktstarken E-Commerce-Plattformen und forcieren die Entwicklung sowie den Absatz internetfähiger Haushaltsgeräte.

Mittlerweile verfügt die Branche über einen wahren Schatz an Produktdaten. Diese werden aber bisher nur unzureichend für direkte Kundenkontakte eingesetzt. Laut Bain-Studie sehen zwar 61 Prozent der weltweit rund 6.000 befragten Konsumenten die Internetseiten der Gerätehersteller als wichtige oder sehr wichtige Informationsquelle an. Doch lediglich 30 Prozent abonnieren im Rahmen des Kaufprozesses einen Newsletter und nur 44 Prozent registrieren ihr Gerät während oder nach der Installation beim Hersteller. Einfache Möglichkeiten, um den Kunden dauerhaft in die eigene Markenwelt zu holen, werden damit verpasst.

Branchenvorreiter investieren daher verstärkt in digitales Marketing und individualisierte Social-Media-Aktivitäten, um direkte Kundenkontakte aufzubauen, die Markentreue signifikant zu steigern und den Marktanteil bei den lukrativen Aftersales-Services zu vergrößern. „Dabei ersetzen sie die bisherigen umfangreichen und kostenintensiven Kampagnen unter anderem durch eine Vielzahl kleiner und zielgenauer Marketingaktionen für spezielle Konsumentengruppen“, so Niehues. „Bereichsübergreifende agile Teams lernen aus diesen Projekten und tragen den Kundenbedürfnissen mit ihren nächsten Maßnahmen besser Rechnung.“

Kundenloyalität ist Trumpf

Traditionelle Haushaltsgerätehersteller können den Übergang zu digitalen Marketing- und Verkaufskanälen beschleunigen. Dafür sind sechs Erfolgsfaktoren entscheidend:

  1. Omnikanal-Verkaufsmodell etablieren. Vorreiter kombinieren die Aktivitäten ihrer Flagship-Stores mit klassischen Einzelhandelsgeschäften sowie Internetplattformen. Sie ergänzen ihre Webseiten beispielsweise um einen Onlineshop und richten zur Verstärkung ihrer direkten Kundenkontakte unter anderem einen rund um die Uhr nutzbaren Chat ein. Den Läden kommt vorwiegend die Aufgabe zu, kompetent zu beraten sowie umfassende Testmöglichkeiten und ausgewählte Aftersales-Services zu bieten.
  2. Produktportfolio vereinfachen. Insbesondere jüngere Kunden werden laut Bain-Studie durch zu viele Angebotsvarianten im Kaufprozess abgeschreckt. So fühlen sich 41 Prozent der unter 35-Jährigen nicht imstande, unter den zahlreichen Gerätemodellen und -funktionen eine Auswahl zu treffen. Erfolgreiche Haushaltsgerätehersteller straffen daher ihre Produkt- und Markenwelt. Damit erleichern sie ihren Kunden die Orientierung und reduzieren gleichzeitig ihre Produkt- und Vertriebskosten.
  3. In internetfähige Geräte investieren. Vernetzte Produkte können über eine zentrale Plattform gesteuert werden. Immer mehr Kunden erwarten, dass sich Kühlschrank oder Waschmaschine mit ihrem WLAN-Netz verbinden lassen. Ein Viertel der Befragten hält dieses Feature für wichtig. Zudem würden 53 Prozent Haushaltsgeräte kaufen, die mit smarten Apps oder Services zur Unterstützung der täglichen Routinearbeiten ausgestattet sind.
  4. Wertschöpfende digitale Services entwickeln. Erfolgreiche Hersteller schaffen mithilfe ihrer internetfähigen Geräte eine vollständig neue Produktwelt, die ihren Kunden einen Mehrwert bietet und damit deren Loyalität stärkt. Ein Beispiel ist eine App für Weinschränke, die unter anderem automatisch nachbestellt und die Nutzer mit Produktinformationen oder Verkostungstipps versorgt.
  5. Kunden eng begleiten und binden. Vorreiter unterstützen ihre Kunden vom ersten Kontakt bis hin zum Kaufprozess, bieten eine Rundumbetreuung und überzeugen sie, ihre Geräte bei ihnen anzumelden. Dieses „Customer-Onboarding“ ermöglicht langfristige Kundenbindungen und erhöht das Potenzial für Wiederholungskäufe.
  6. Attraktive Dienstleistungspakete schnüren. Ein Großteil der Kunden wünscht sich individuelle Serviceangebote. Für 76 Prozent der Befragten sind beispielsweise Reparaturen binnen 24 Stunden der wertvollste Zusatznutzen, 45 Prozent würden für Geräte mit erstklassigen Dienstleistungen sogar höhere Preise akzeptieren.

„Kundenloyalität ist gerade im hart umkämpften Markt für Haushaltsgeräte wichtiger denn je“, resümiert Bain-Partner Staebe. „Hersteller, die jetzt starke und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen und sich auf digitale Kontaktmöglichkeiten konzentrieren, schaffen beste Voraussetzungen, um in den nächsten zehn Jahren zu den Gewinnern zu gehören.“

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