Artprice analysiert die jüngere Geschichte des Kunstmarktes am Beispiel von Sotheby’s

Seit dem zweiten Börsengang von Sotheby’s im Jahr 1988 und seinem Delisting im Oktober 2019 ist der Betrieb des renommierten amerikanischen Auktionshauses durch regelmäßige, weltweite, strategische und operative Anpassungsmaßnahmen geprägt, insbesondere in den Bereichen Kostenmanagement, umfangreichere Garantien, Umstrukturierungen, neue Management-Teams, usw. Doch die bedeutendste Veränderung erfolgte in diesem Jahr mit der vollständigen Dematerialisierung des Katalogs von Sotheby’s und dem Aufstieg des Unternehmens zur führenden Plattform für Online-Auktionen im Bereich Bildende Künste.

„Die Geschichte Sotheby’s der letzten dreißig Jahre eignet sich bestens, um die Entwicklung der jüngeren Geschichte des Kunstmarktes zu illustrieren“, erklärt Thierry Ehrmann, Geschäftsführer und Gründer von Artmarket.com und der Sektion Artprice.

Artprice analysiert die Geschichte von Sotheby’s unter Berücksichtigung der drei wichtigsten Abschnitte vor dem Erwerb des Unternehmens durch Patrick Drahi und der digitalen Transformation von Sotheby’s im Jahr 2020.

  1. Entwicklung der Auktionen bei Sotheby’s – Bildende Künste (Jan. 1990 – Nov. 2020)
  2. Weltweiter Index (Artprice) versus Gebote von Sotheby’s Aktienkurs: Basis 100 im Januar 2000*
  3. 1988 – 2000: zwei aufeinanderfolgende Blasen

Die Ende der 80er Jahr beginnende Globalisierung trieb die Kunstpreise beträchtlich in die Höhe. Das im Jahr 1990 für das Gemälde Au Moulin de la Galette (1876) von Pierre-Auguste Renoir erzielte historische Auktionsergebnis von 78 Millionen Dollar war ein Rekord, der 14 Jahre lang ungebrochen war. Doch die Störung des finanziellen Gleichgewichts durch die Ankunft japanischer Sammler auf dem Markt aufgrund der rasch wachsenden japanischen Wirtschaft, führte zu einer unter dem Namen „Impressionisten-Blase“ bekannten Preiskrise.

Nach ein paar schwierigen Monaten zwischen 1991-1992 (welche die Makler und Galerien noch gut in Erinnerung haben) erholte sich der Kunstmarkt relativ rasch. Sotheby’s steigerte sein Geschäftsvolumen dank der Nutzung neuer Technologien in Zusammenhang mit dem Internet. Im Jahr 1999 verzeichnete Sotheby’s im Bereich der Bildenden Künste 27 550 Transaktionen, die höchste jährliche Anzahl in seiner Geschichte. Die so genannte „Internet-Blase“ endete allerdings in einem Zusammenbruch des Aktienmarktes.

2001 – 2008: bis zur letzten Sekunde…

Drei Jahre lang (von 2001 bis 2003) reduzierte Sotheby’s die Anzahl der Transaktionen progressiv. In dieser Zeit kehrte das Unternehmen zu einer solideren Basis zurück; diese stützte die Entwicklung in den darauf folgenden Jahren (2004-2007) und vervierfachte letztlich seinen Auktionsumsatz. Der Kunstmarkt ging in eine neue Phase, und Sotheby’s wollte ganz vorne mit dabei sein. Am 5. Mai 2004, als Sotheby’s Le Garçon à la Pipe Pablo (1905) von Picasso in New York für 104,6 Millionen Dollar versteigerte, überschritt ein Kunstwerk zum ersten Mal die symbolische 100 Millionen Dollar Grenze.

2007 verzeichnete Sotheby’s einen Anstieg seines Auktionsumsatzes um 50% und das Wachstum des Unternehmens stieg bis zum Jahr 2008 weiter an. Doch der Konkurs der Lehmann Brothers am 15. September läutete den Beginn einer großen Finanzkrise ein. Ironie des Schicksals: Genau an diesem Tag versteigerte Sotheby’s sein berühmtes Gemälde Beautiful Inside My Head Forever von Damien Hirst in London für 73 Millionen Dollar.

2009 – 2019: umfassende Umstrukturierung

Trotz der negativen Auswirkungen der Finanzkrise (-60%) im Jahr 2009 überstieg der Auktionsumsatz von Sotheby’s im Bereich der Bildenden Künste die Ergebnisse vor dem Jahr 2004. Dennoch beschloss das Unternehmen, sein Umsatzvolumen auf eine relativ stabile Zahl (von 11 000 bis 15 000 verkaufte Lose pro Jahr) zu reduzieren. Diese Strategie erwies sich als richtig, denn bald darauf verzeichnete Sotheby’s die besten Ergebnisse seiner Geschichte (2013 und 2014) als der Umsatz erneut die 100 Millionen Grenze überschritt.

Zwischen 2016 und 2019 begann Sotheby’s nach einem neuen Gleichgewicht zu suchen, insbesondere durch die Entwicklung von Online-Versteigerungen. Im Jahr 2017 versuchte das Unternehmen, seine Online-Versteigerungen durch die Abschaffung der Käuferentgelte für Online-Verkäufe zu verbessern, führte sie jedoch ein Jahr später wieder ein. Arbeiten von Basquiat, Modigliani und Monet – die diese Jahre prägten – wurden in traditionellen Auktionssälen versteigert.

Das änderte sich im Jahr 2020: Am 29. Juni versteigerte Sotheby’s sein Star-Los, das Tryptichon Inspired by the Oresteia of Aeschylus (1981) von Francis Bacon um 88,55 Millionen Dollar (inkl. Käuferentgelte) bei einer Life-Online-Versteigerung. Sotheby’s sieht seine Zukunft im Bereich der Bildenden Künste ganz klar in diesem neuen Format…