Zunehmende Lieferverkehre – aber nicht der Onlinehandel ist das Problem

Überall haltende Transporter, schleichende LKWs und immer mehr Verkehr in der Stadt. Führt der weiterwachsende Onlinehandel zum Verkehrsinfarkt? Damit beschäftigt sich eine aktuelle Berechnung des auf die Kurier-, Express- und Paketlogistikbranche spezialisierten Beratungsunternehmens MRU im Auftrag des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh).

Danach führt trotz des erheblichen Umsatzwachstums im Onlinehandel die Zustellung von Paketen nicht zum Verkehrskollaps in Deutschlands Großstädten. Wesentliche Gründe dafür sind folgende: Zum einen ist die Sendungsmenge prozentual deutlich geringer angestiegen als die Bestellumsätze. Und das Mengenwachstum im Onlinehandel mit privaten Endkunden hat in Kombination mit den deutlich stärker gewachsenen Paketlieferungen an gewerbliche Kunden nicht zu einer gravierenden Zunahme der Zustellfahrten durch Versanddienstleister im Vergleich zu allen anderen  Verkehrsbewegungen in den Städten geführt. Nicht zuletzt werden zudem immer mehr Bestellungen an Kunden außerhalb der Metropolen, ins Umland oder kleinere Orte geliefert.

„E-Commerce wächst als alternativer Einkaufskanal und Versorger insbesondere in der Fläche, auf dem Land und in Kleinstädten. Pro Kopf sind die Sendungsmengen in den Großstädten deutlich geringer – von einem ‚Problemfall E-Commerce‘ für die Verkehrssituation in Großstädten auf Grundlage gestiegener Paketlieferungen kann also überhaupt keine Rede sein“, so Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh.

München steht in 2019 mit 4,9 (2018: 4,5) Paketlieferverkehren pro Tag und Quadratkilometer an erster Stelle. Dahinter folgen Frankfurt und Düsseldorf mit 3,8 (2018: 3,3) bzw. 3,3 (2018: 2,9) werktäglichen Abfahrten je Quadratkilometer. Berlin und Hamburg haben mit 2,9 (2018: 2,2) und 2,2 (2018: 2,1) eine deutlich geringere Dichte von Paketlieferverkehren pro Tag und Quadratkilometer. Insgesamt liegt der
B2C-Anteil der Paketlieferverkehre an den Abfahrten pro Quadratkilometer und Tag in den untersuchten Städten bei rund zwei Dritteln.

Die Berechnung knüpft an eine vorhergehende Bestandsaufnahme mit Erhebungsbasis im Jahr 2017 an und zeigt die entsprechenden Veränderungen. Am Beispiel der Stadt Hamburg hat MRU die Veränderungen von Sendungsmengen und das daraus resultierende Verkehrsaufkommen berechnet. Die Anzahl der Lieferverkehre erhöhte sich für sämtliche gewerblichen und privaten Zustellungen von 2,1 auf lediglich 2,2 Abfahrten pro Quadratkilometer. Das ist jedoch eine deutlich geringere Zahl als die durch den stationären Einzelhandel oder der Gastronomie verursachten Lieferungen.  Diese verursachten in 2018 bereits 28 werktägliche Abfahrten je Quadratkilometer. Zudem hat sich die Anzahl der im Hamburger Stadtgebiet fahrenden Carsharing-Fahrzeuge im Vergleichszeitraum 2017 und 2019 von 800 auf 1500 fast verdoppelt. Die Zahl der in Hamburg registrierten PKW stieg zwischen 2017 und 2019 um 25.000 auf etwas mehr als 795.000. Dazu erhöhte sich auch die Zahl der nach Hamburg hineinpendelnden Umland-Bewohner um fast 30.000, womit diese Verkehre den maßgeblichen Anteil an den immer „engeren“ Straßen der Ballungsräume haben.

„Nach wie vor mangelt es an übergreifenden Lösungen und der Berücksichtigung von logistischen Anforderungen bei der Stadtplanung“, kritisiert Horst Manner-Romberg, Geschäftsführer der MRU GmbH. „Das reicht von fehlenden Liefer- und Ladezonen, über die Nicht-Ausweisung von Flächen unter anderem für Mikro-Hubs, bis hin zu nicht erfolgten regulatorischen Maßnahmen, wie der Einrichtung von Zeitfenstern für die Distribution. All das setzt aber ein aktives Commitment der jeweiligen Stadtverwaltungen voraus. Und dieses fehlt bei uns im Land leider oftmals.“

Zudem liefert die Arbeit von MRU Beispiele, wie dem Verkehrsinfarkt der Ballungsräume kreativ und systematisch entgegengesteuert werden kann – allesamt aber aus dem Ausland.

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