Start von Amazon Pharmacy in den USA: Weckruf für den deutschen Apothekenmarkt

Das amerikanische Versandhaus wächst weiter und will nun mit Amazon Pharmacy einen eigenen Apothekendienst in den USA etablieren. Welche Auswirkungen das auch für den deutschen Pharmaziemarkt haben kann, ordnen die Branchenexperten Christian Rebholz und Jan Merkel von der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners ein.

Nach der Übernahme der Online-Apotheke PillPack im Jahr 2018 war es nur eine Frage der Zeit, bis Amazon selbst auf dem digitalen Apothekenmarkt aktiv wird. Wie für Amazon üblich ist auch der Launch von Amazon Pharmacy wieder sehr ambitioniert und aggressiv: Vorausschauende Verträge mit einem Großteil der Versicherer, hohe Rabatte auf freiverkäufliche Medikamente und das Ziel eine umfassende eigene Gesundheitsplattform aufzubauen. Dabei ist klar, dass die USA nur der erste Schritt sind: Das Ausrollen von Amazon Pharmacy in weitere Länder ist bereits geplant, so hat sich Amazon beispielsweise die Markenrechte in diversen Ländern bereits gesichert.

Mit einem Gesamtumsatz von knapp 60 Milliarden Euro ist auch der deutsche OTC-Markt sehr attraktiv. Das Unternehmen hat durch Amazon Market Place bereits eine gute Datengrundlage und Kundenbasis, die genutzt werden kann. Es ist also auch hier nur eine Frage der Zeit, bis Amazon Pharmacy in Deutschland aktiv wird. Durch die steigende Digitalisierung des deutschen Gesundheitsmarktes ergeben sich große Wachstumschancen, die Einführung des e-Rezeptes Mitte nächsten Jahres erhöht für Amazon die Attraktivität des deutschen Apothekenmarkts nochmal deutlich.

Amazon Pharmacy sorgt auch für neue Dynamik im Pricing: Durch sein Private Label “basic care” kann das Unternehmen viele Standardmedikamente zu niedrigen Preisen anbieten und somit indirekt den Preisdruck erhöhen. Wenn der Nutzer das Marktplatz-Modell bereits kennt, mit den Dienstleistungen zufrieden ist und zusätzlich Vorteile durch schon bestehende Prime-Abonnements nutzen kann, ist die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels zu Amazon hoch. Dabei ist es nicht einmal nötig, dass Amazon der günstigste Anbieter im Markt ist.

Deutscher Apothekenmarkt unter Druck

Für den deutschen Apothekenmarkt bedeutet das fraglos erhebliche Veränderungen: Neugestaltung der Customer Journey und Neuverteilung der Kräfteverhältnisse zwischen allen Marktteilnehmern, vom Großhandel über Onlineplattformen bis hin zu stationären Apotheken. Auch die Verhandlungsmacht der Hersteller wird reduziert, da Amazon bereits eine starke Verhandlungsposition hat und den Zugang zu den Kunden kontrolliert.

Durch Plattformen wie Apora oder IhreApotheken.de sind zwar erste Schritte in Deutschland eingeleitet, die auch übergreifend viele Marktteilnehmer integrieren, jedoch dürfen die Anbieter den Anschluss nicht verlieren. Amazon hat mit exzellentem Datenmanagement und einem klaren Kundenfokus bereits Vorzüge, die deutsche Portale erst noch unter Beweis stellen müssen.

Unser Fazit: Der deutsche Apothekenmarkt muss seine ToDo-Liste überarbeiten. Für Plattformen sollte oberste Priorität sein, die bisherigen Ansätze zu beschleunigen und zusammen mit einem starken Endkonsumentenfokus und optimiertem Datenmanagement voranzutreiben. Dagegen müssen Hersteller sowohl eine bestmögliche Zusammenarbeit mit allen Akteuren, einschließlich Amazon Pharmacy fokussieren, als auch eine Möglichkeit finden, ihre direkte Verbindung zum Kunden zu stärken und ihre Abhängigkeit von Amazon Pharmacy in Grenzen zu halten.

Simon-Kucher und Partners