AlixPartners Singles Day Report 2020: 66% der Verbraucher setzen am Singles Day auf Produkte made in China – US-Marken verlieren, Luxusanbieter gewinnen

Der Singles Day 2020 (auch bekannt als Double 11) wird als Gradmesser für die weitere Entwicklung der Wirtschaft in China betrachtet. Die Ergebnisse des dritten “Singles Day Report” des globalen Beratungsunternehmens AlixPartners weisen auf erneute Rekordwerte hin. Gleichzeitig belegen sie: Unter den teilnehmenden Marken sowie Plattformen wird es Gewinner und Verlierer geben. Besonders negativ betroffen sind internationale Marken.

In China ist der Singles Day die unangefochtene Nummer eins unter den Shopping-Aktionstagen. 96% der befragten chinesischen Konsumenten gaben an, 2020 daran teilnehmen zu wollen (92,4%, 2019). Laut der repräsentativen Befragung von über 2.000 Verbrauchern aus allen Regionen Chinas möchten 39% mehr ausgeben als im letzten Jahr. Nur 15% der Befragten planen, ihre Shoppingbudgets an diesem Tag zu reduzieren.

Nachhaltig verändertes Konsumverhalten durch Covid-19

80% der chinesischen Verbraucher gehen davon aus, dass die Pandemie keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf ihre Ausgaben oder ihre Entscheidungsfindung am Singles Day haben wird. Die Analyse der AlixPartners-Berater zeigt, dass das Konsumverhalten im deutlichen Gegensatz zu dieser Selbsteinschätzung steht. Nur 7% gaben an, sich bezüglich der Pandemie keine Sorgen mehr zu machen. Auch die Pläne, wie Budgets eingesetzt und Einkäufe priorisiert werden, haben sich merklich verändert. 35% sagten beispielsweise, dass sich ihr Kaufverhalten durch die Covid-19-Krise vom stationären in den Online-Handel verlagert habe. Wichtig ist Kunden dieses Jahr vor allem der sichere Einkauf von zu Hause. 60% möchten dennoch einen stationären Laden besuchen, z. B. um online gesammelte Coupons einzulösen.

Peter Heckmann, Managing Director und Handelsexperte von AlixPartners: “Wir sehen in der Praxis, dass deutsche und europäische Händler im E-Commerce immer noch Nachholbedarf haben. Das gilt sowohl für die Teilnahme am Singles Day in China als auch für Angebote am deutschen Markt. Sie nutzen innovative Lösungen noch immer zu wenig. Beispielsweise springen sie weiterhin nicht auf das Thema Livestreaming auf. Dieses ist in China nicht mehr wegzudenken und birgt auch Potential für den europäischen Markt. Unternehmen haben jetzt die Möglichkeit, von neu entstehenden Konsumgewohnheiten während und nach der Krise zu profitieren und sich dauerhaft in Position zu bringen. Hindernisse sind oft das Backend der Shops und vor allem die Logistik.”

Die zunehmende Beliebtheit des Livestreamings ist Zeichen einer Individualisierung der Einkaufskanäle. 81% der Verbraucher möchten während des Singles Day Livestreaming für ihre Einkäufe nutzen. Als Hauptgründe nennen sie die guten Rabatte (38%) sowie die einfache Interaktion und Information (37%). Dies baut auf Trends – befeuert durch die Covid-19-Krise – auf: Innerhalb der letzten zwölf Monate kauften zwei Drittel der Verbraucher Produkte via Livestream. Dabei standen jüngere Zielgruppen und Verbraucher aus kleineren Städten an der Spitze.

Singles Day 2020 wird zur Schnäppchenjagd

Während hohe Qualität und Produktneuheiten 2019 zum Kauf animierten, macht ein Großteil der Kunden dieses Jahr den Preis zu seinem ausschließlichen Kaufargument. 38% suchen Produkte, die zum Singles Day gelauncht werden. Passend zum Fokus auf Billigangebote gaben lediglich 22% der Befragten an, dass ihre Ausgaben 5.000 RMB (rund 630 Euro) überschreiten werden. Damit sinkt die Größe dieser Käufergruppe um 26%. Die Begründungen für die zurückhaltende Kaufbereitschaft sind wirtschaftliche Schwierigkeiten (69%) und nachhaltiger Konsum (40%), also der Wunsch, nichts Unnötiges zu kaufen.

Der Wettbewerb steigt durch die Rabattschlacht drastisch an. Laut AlixPartners können lediglich Douyin (+3%), PDD (+2%) sowie RED (+1%) dieses Jahr mehr Kunden anziehen. Alle anderen Plattformen stagnieren auf Vorjahresniveau oder verlieren sogar. Werbungskosten für Marken und Plattformen steigen an. Einen Ausweg kann das gezielte Adressieren von kaufkräftigen Zielgruppen sein, die weniger preissensibel sind.

In den Einkaufskörben finden sich dieses Jahr vermehrt Dinge, mit denen sich Verbraucher für schlechte Zeiten wappnen möchten. 33% planen, sich mit medizinischen Hilfsmitteln, Masken und Lebensmitteln einzudecken, um während der Wintersaison sicher und gesund zu bleiben. Zu den drei gefragtesten Warengruppen gehören nach wie vor Kleidung und Accessoires, Schuhe und Sportartikel sowie Kosmetik. Dabei fällt der Anteil der Kleidung im Vergleich zum Vorjahr von 45% auf 39%. Den Prognosen der Berater zufolge werden medizinische und Pflegeutensilien zum ersten Mal die Kategorie Elektronik auf Platz vier überholen. Diese machte im vergangenen Jahr noch 26% der Einkäufe aus.

Chinesische Marken im Fokus, US-amerikanische Unternehmen werden abgestraft

Eine weitere Änderung zeigt sich in der wachsenden Vorliebe für lokale chinesische Marken. 66% der Verbraucher gaben an, Produkte made in China bei ihren geplanten Einkäufen zu favorisieren (61%, 2019). Patriotismus wird als Hauptgrund von 62% derer, die lokale Marken bevorzugen, angeführt (11%, 2019).

AlixPartners prognostiziert, dass ausländische Marken weiter Marktanteile verlieren. Geplante Bestellungen bei internationalen Firmen fallen leicht von 30% 2019 auf 28% im Jahr 2020. Amerikanische Produkte sind aufgrund des schwelenden Handelsstreits voraussichtlich auch 2020 am stärksten betroffen. Mehr als die Hälfte (57%) der Verbraucher in China planen, weniger für Waren aus den USA auszugeben als im vergangenen Jahr. Europäische Erzeugnisse sind von diesem Trend ebenfalls betroffen, jedoch weniger stark. Insgesamt 39% der Verbraucher möchten weniger in Europa bestellen.

Der Singles Day als Einstieg in den chinesischen Markt für internationale Marken

Mit dem sogenannten “11.11 Go Global Pitch Fest” möchte Alibaba mehr internationale Firmen zur Teilnahme bewegen. Dabei gibt es für ausländische Marken mehrere Chancen, um am Singles Day in China erfolgreich zu sein. Die chinesische Kundschaft ist nicht generell abgeneigt. 82% wollen international online shoppen. Allerdings planen nur 17% der Befragten 3.000 RMB (rund 380 Euro) oder mehr für ausländische Waren auszugeben.

Internationale Marken können immer dann punkten, wenn sie sich als vertrauenswürdig und ihre Produkte als qualitativ hochwertig positionieren. 48% der Befragten benennen Qualität als entscheidendes Kaufkriterium. Dieses Potential können vor allem hochpreisige Anbieter für sich nutzen, insbesondere da Auslandsreisen, auf denen chinesische Konsumenten normalerweise internationale Luxusprodukte gekauft hätten, ausfallen. Dies bestätigen 29% der Befragten. Allerdings gaben bereits 43% an, dass lokale Produkte ihre erste Wahl bei Luxusprodukten seien.

Peter Heckmann ergänzt: “E-Commerce ist immer noch eine der besten Möglichkeiten, in China Fuß zu fassen. Auch Produktlinien, die internationale Firmen speziell für China entwickeln, vielleicht sogar lokal produzieren und zum Singles Day launchen, haben gute Aussichten auf Erfolg. Dior zeigt mit seinem ersten Produktlaunch speziell für den Singles Day, wie es gehen könnte. Wer sich in dem harten Kampf um die Aufmerksamkeit der chinesischen Käuferschaft behaupten möchte, benötigt eine langfristige Strategie, muss investieren und eigene Produkte entwerfen, die genau auf chinesische Verbraucher zugeschnitten sind. Egal, wie groß der eigene Markenwert auf dem heimischen Markt ist: Ein ausländisches Unternehmen muss in China bei null anfangen.”

Über die Studie

Der AlixPartners “Singles Day Report 2020” basiert auf einer Online-Umfrage, die am 30. September und 6. Oktober 2020 unter mehr als 2.000 erwachsenen chinesischen Verbrauchern durchgeführt wurde.