Studie: Corporate-Startup-Partnerschaften verschenken zu viel Potenzial

Individuelle Programme sind für Start-ups wichtiger als institutionalisierte – Jedes fünfte Startup aus dem DACH-Raum ist mit Partnerschaften unzufrieden – Für 63% der Gründer steigt die Relevanz von Partnerschaften

Die COVID-19-Krise hat die Relevanz von Partnerschaften zwischen Startups und etablierten Unternehmen noch einmal verstärkt, wie eine aktuelle Untersuchung von der Unternehmensberatung McKinsey & Company zeigt. Als sehr wichtig bewerten 75% der Gründer oder Geschäftsführer von 150 Startups aus der DACH-Region solche Corporate-Startup-Partnerschaften. Gut 63% erwarten, dass deren Relevanz in den kommenden Monaten noch einmal zunimmt.

Die Beweggründe sind auf beiden Seiten sehr unterschiedlich. Die drei meistgenannten Motive für Startups sind schnelleres Wachstum (87%), positive Signalwirkung gegenüber Investoren  (87%) und die Hoffnung, das Partnerunternehmen zum Kunden zu machen (79%). Verantwortliche in etablierten Unternehmen wollen mit derartigen Partnerschaften vor allem ihre eigene Innovation beschleunigen und Zugang zu neuen Technologien, Marktsegmenten oder Arbeitsweisen erhalten.

Dies sind Ergebnisse der Studie „You can’t buy love. Re-imagining corporate-startup partnerships in the DACH region“ von McKinsey, deren Ergebnisse im Rahmen der Bits & Pretzels Networking Week am 29. September erstmals vorgestellt wurden. Auf Basis der Befragung von Gründern und Geschäftsführern aus 150 branchenübergreifenden Startups der DACH-Region, 20 Experten-Interviews mit Führungskräften etablierter Unternehmen und der Detailuntersuchung von zehn Partnerschaftsmodellen zeigt die Studie, welche Faktoren Kooperationen für beide Seiten erfolgreich machen.

Spannungen zwischen Corporates und Startups

Partnerschaften zwischen Unternehmensgründern und Konzernen haben in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, da sie beiden Seiten entscheidende Vorteile bieten können. So verfügen beispielsweise 29 von 30 Dax-Konzernen über institutionalisierte Partnerschaften in Form von Corporate-Venture-Capital-Programmen. Auf diese Weise investieren Unternehmen in junge, innovative und wachstumsstarke Unternehmen. „Die aktuelle COVID-19-Krise mit ihren plötzlichen und drastischen Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten ändert das Geschäftsumfeld für viele etablierte Unternehmen grundlegend. Diese neue Situation erhöht die Bedeutung von Partnerschaften, da Corporates Zugang zu schnellen Innovationen und Startups Zugang zu Wachstum benötigen“, sagt Karel Dörner, Seniorpartner im Münchner Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie.

Auf den ersten Blick scheinen die beteiligten Parteien von ihren Partnerschaften zu profitieren: Von den befragten Gründerunternehmen sind 52% mit ihren Partnerschaften relativ zufrieden. Unzufrieden ist jedes fünfte Startup. Gründe sind aus Sicht der Startups zu geringe Prozessgeschwindigkeit (55%), Mangel an Zeitplänen und Zielvorgaben (45%) sowie unklare und intransparente Entscheidungsprozesse (40%). Als besonders herausfordernd empfinden Verantwortliche auf Corporate-Seite demgegenüber:

  • Kulturelle und technologische Auseinandersetzungen durch unterschiedliche Arbeitsstile und technologische Unstimmigkeiten.
  • Die zu Beginn erwarteten positiven Effekte sind deutlich geringer als erwartet, entweder weil die Erwartungen des Topmanagements zu hoch sind oder weil die interne Bürokratie den Prozess verlangsamt .
  • Hoher Verwaltungsaufwand, da die Integration externer Partner unterschiedliche Ressourcen bindet und die Beteiligung mehrerer Entscheidungsträger erfordert.

Je individueller die Partnerschaft, desto zufriedener die Partner

Individualisierte Partnerschaften (z.B. Vertriebs- oder Entwicklungspartnerschaften) sind für Startups deutlich wichtiger (79%) als institutionalisierte Partnerschaftsprogramme (21%) wie Accelerator-, Corporate Venture Capital- oder Incubator-Programme. Institutionalisierte Partnerschaften sind gewöhnlich breiter angelegt und sollen Interaktionen mit einer großen Gruppe von Startups ermöglichen.

Die Art der Partnerschaft wirkt sich signifikant darauf aus, wie zufrieden Gründerunternehmen mit ihrer Partnerschaft sind: Liegt der Zufriedenheitsgrad bei individualisierten Partnerschaften bei 85%, sind nur 57% der Startups in institutionalisierten Partnerschaften zufrieden.

Weitere Faktoren, die sich auf den Zufriedenheitsgrad der Startups auswirken sind:

  • Kulturelle und technologische Unterschiede überwinden: Gehen beide Parteien bewusst Unterschiede in den Unternehmenskulturen sowie technologischer Infrastruktur an, erhöht sich die Zufriedenheit der Gründerunternehmen von 37% auf 69%.
  • Top-Management involvieren: Die Zufriedenheit von Startups steigt auf 86%, wenn die Partnerschaft hohe Aufmerksamkeit in der obersten Führungsetage des Corporates genießt. Ohne diese Aufmerksamkeit liegt das Zufriedenheitsniveau bei 40%.
  • Konkrete Ziele vereinbaren: Werden konkret messbare Ziele vereinbart, steigt die Zufriedenheit der Startups von 47% auf 80%. Jedoch gibt nur jedes zweite Startup an, dass konkrete Ziele und Messkriterien mit dem Partnerunternehmen wurden.
  • Passende Größe finden: Zu viele zu klein angelegte Projekte, die die Pilotierungsphase nie verlassen, ist ein weiteres Problem, das häufig Corporates referenzieren. Die Lösung ist eine ausgewogene Projektgröße: Klein genug, um keinen Schaden z.B. beim Datenaustausch anzurichten, aber groß genug, um repräsentativ solide Ergebnisse für eine umfassende Bewertung zu liefern.

„Angesichts der knappen Ressourcen in Form von Zeit und Kapital ist es gerade jetzt wichtig, sich auf die wirklich wertschöpfenden Projekte zu konzentrieren. Was keinen Mehrwert bringt, sollte gestrichen werden – einschließlich mittelmäßiger Corporate-Startup-Partnerschaften, die keinen der beiden Partner zufriedenstellen. Unternehmen, die bereits eine Partnerschaft haben, sollten diese bewerten“, sagt Max Flötotto, Seniorpartner im Münchner Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie.

McKinsey & Company, Inc.